Carin Müller bloggt ...

Schöner Bohren oder Sex auf der Baustelle

In praktisch jedem (Blogger-)Interview werde ich gefragt: "Wie schreibst du am liebsten?" oder "Hast du bestimmte Rituale beim Schreiben?" oder auch gerne: "Zeig uns deinen Arbeitsplatz!"

Da fange ich schon unter normalen Umständen zum Rumeiern an. Denn ehrlich gesagt, ist es mir ziemlich schnuppe, wo und wie ich schreibe. Wenn der Druck groß genug ist, schreibe ich einfach überall und in jeder Situation. Und da ich in der Regel überhaupt erst mit Schreiben beginne, wenn ich Druck habe ... Das ist alles sehr unglamourös, ich weiß, und ich war schon mehrfach versucht, die Mär vom strahlend weißen, total cleanen Schreibstudio am Meer in die Welt zu setzen, doch das glaubt mir ja doch keiner.

Rituale

Ein hilfreiches Ritual habe ich jedoch schon: Ich stehe total auf "Schreib-Battles". Das ist eine ebenso glorreiche wie sinnlose Einrichtung, die mich aber regelmäßig und zuverlässig zu zügigem Output inspiriert. Ich bin Mitglied in einer Schreibgruppe auf Facebook, in der sich einzelne Mitglieder zu kleinen Schreibeinheiten verabreden. Gestern habe ich beispielsweise recht erfolgreich mit Mila und Laura "gebattelt". Nach den vereinbarten 30, 45 oder 60 Minuten trifft man sich wieder auf Facebook, teilt seine Wort-Anzahl mit, jammert rum (wenn es schlecht gelaufen ist) oder freut sich (wenn die schwierige Szene plötzlich flutscht). Es geht um nichts - völlig egal, wer die meisten Wörter hat - aber es funktioniert. Zumindest für mich.

Da ich im Moment wieder einen recht sportlichen Abgabetermin vor der Brust habe, ziehe ich seit ein paar Tagen regelmäßig in den Kampf und habe so innerhalb einer Woche ein Fünftel des Manuskripts fertig.

Grenzerfahrung

So weit, so gut. Allerdings habe ich - unglücklicher Planungsfehler - im Moment auch eine Baustelle zuhause. Drei Räume werden renoviert. Nicht von mir, sondern von Menschen, die sich auskennen. Doch ich bin natürlich vor Ort, um die Handwerker mit klugen Ratschlägen zu nerven.

Wenn ich das nicht tue, versuche ich zu schreiben. Mit dem Laptop. Auf dem Sofa. Und im Hintergrund die Geräusche, der fleißigen Handwerksmänner. Das ging die letzten Tage prima - nicht einmal die Lackdämpfe haben mich nachhaltig aus dem Tritt gebracht. Doch heute morgen sollte es die erste pikantere Szene im Roman werden - zu einer Tageszeit (9 Uhr), zu der ich normalerweise noch nicht einmal sprechen kann (geschweige denn andere Dinge ...). Doch ich war ja schon lange wach, der Maler an sich bevorzugt schließlich die Frühschicht.

Ich lege also los: "Mit hungrigem Blick taxierte er ihren nackten, verschwitzten Leib ..." Aus dem Flur: "Frau Müller, habe Frage!" Ich rapple mich hoch und gehe in den Flur, wo sich gleich darauf folgender Dialog entspinnt:
Handwerker: "Wo ist Dichtung?"
Ich: "Welche Dichtung?"
Handwerker: "Na, Dichtung von neuer Duschabtrennung."
Ich: "Keine Ahnung. In der Packung?"

Um es abzukürzen: die Dichtung war nicht dabei! Die nächsten Tage werden wir also entweder stinken oder beim Duschen das Bad unter Wasser setzen. An Schreiben war erstmal nicht zu denken, stattdessen standen Telefonate mit diversen Kundencentern auf dem Programm. Nachdem das Dichtungsproblem gelöst war und die Handwerker mit belegten Brötchen versorgt waren, sollte es bei meinen Protagonisten weitergehen.

Safer Sex

War der Schweiß der Heldin schon getrocknet, war der Held noch hungrig? Die beiden waren jedenfalls sehr ungeduldig, endlich weitermachen zu können. Sie küssten sich, sie berührten sich, sie säuselten sich Schweinereien ins Ohr und wollten gerade zur Sache kommen - er nestelte schon am Kondom rum - als die Bohrmaschine aufkreischt.

Nun könnte man sagen, dass "Bohren" ja durchaus das passende Leitmotiv wäre, doch ... nein, es ging einfach nicht mehr. Zumal Augenblicke später erneut ein anklagendes "Frau Müller, habe Frage!" erschallte. Die Schublade der Wandkommode passte nicht. Ich war mir keinerlei Schuld bewusst, schließlich bin ich seit Jahren stolze Trägerin des "Großen Ikea Basteldiploms am Bande", und außerdem habe ich mich präzise an die Aufbauanleitung gehalten. Nach einigem Hin und Her, haben wir schließlich auch diese (und noch ein paar weitere) Klippe umschifft. Puh. Dann könnte ich ja eigentlich ...

Doch der vorsichtige Blick auf mein Manuskript offenbar Erschütterndes: Der Heldenpenis ist erschlafft und die Protagonistin duscht. Mist. Das wird heute wohl nix mehr.

Was lernen wir daraus?

Sex auf der Baustelle ist ein No Go!

In diesem Sinne - ich werde jetzt putzen. Schönes Wochenende.