Carin Müller bloggt ...

Irrweg Preisaktion

Vorhin habe ich eine Mail von einer Leserin bekommen: "Ich habe gesehen, dass man die neueste Hot Chocolate-Episode schon vorbestellen kann. Ich freue mich total drauf. Allerdings steht sie zum Normalpreis drin, was mir echt zu teuer ist. Sag mir doch Bescheid, wann du die nächste Preisaktion machst. Liebe Grüße, xxx"

Ich habe ihr geantwortet, was ich jetzt allen sagen möchte: Es wird keine Preisaktionen mehr geben! Zumindest keine, dieser inflationären 99 Cent-Aktionen.

Warum?

  • Weil ich es mir nicht leisten kann!
  • Weil ich es mir nicht leisten will!
  • Weil meine Bücher mehr wert sind!

Ich kenne all die Argumente, warum Preisaktionen angeblich total toll sind: Kollegen begründen es gerne mit dem fantastischen Ranking, das man damit erreichen kann, Leser damit, dass sie für 99 Cent auch mal bei einem ihn unbekannten Autor zugreifen.

Gefährlicher Irrweg

Diese Sichtweisen sind natürlich absolut legitim – ich halte sie trotzdem für falsch und gefährlich. Die Preisspirale dreht sich damit immer rasanter und viele Leser gehen inzwischen automatisch davon aus, dass Bücher nicht mehr als 99 Cent kosten dürfen. Ist es das, was wir wollen? Zumal die meisten dieser "Schnäppchen" dann auf den virtuellen SUBs (für die Uneingeweihten = Stapel ungelesener Bücher) verrotten. Derzeit sehe ich überall Challenges à la "Wir bauen unseren SUB ab" – da sind Teilnehmer dabei, die brüsten sich mit Hunderten Titeln, die bei ihnen auf dem SUB liegen. Wann sollen die jemals gelesen werden? Genau, vermutlich: NIE!

Ich selbst bin ja auch Leser und selbstverständlich schlage ich ebenfalls gelegentlich bei 99 Cent-Aktionen zu. Allerdings mit einem schalen Gefühl, denn irgendwie suggeriert dieser Minibetrag doch auch: "Mehr ist es nicht wert!"

Das mag inhaltlich im Einzelfall zutreffend sein, doch selbst das mieseste Buch hat bis zur Veröffentlichung Arbeit, Zeit und Geld gekostet. Und in der Regel von allem nicht zu knapp!

Das ist euch zu abstrakt? Gut, dann will ich konkreter werden:

Was kostet ein eBook?

  • Eine durchschnittliche Hot Chocolate-Episode ist 60 Seiten lang. Dafür habe ich zwei Wochen Arbeitszeit investiert. Legen wir dafür spaßeshalber mal den gesetzlichen Mindestlohn an: 2 Wochen = 80 Stunden x 8,50 € = 680 €
  • Lektorat und Cover schlagen mit 300 € zu Buche.
  • 1000 Postkarten-Flyer kosten 22 €.
  • 200 Kühlschrank-Magneten kosten 33 €.
  • Im Schnitt verschicke ich pro Episode etwa 50 kleine Goodie-Pakete an meine Fans für jeweils 0,85 € Portokosten = 42,50 €

Das sind Gesamtkosten von 1077,50 €. Da es aber noch reichlich andere Marketing-Materialien gibt (Flyer, Kulis, Aufkleber), die ich auch gerne verschicke, rechnen wir mit sehr knapp kalkulierten 1.100 € pro Episode. Die Kosten für einen 250-Seiten-Roman könnt ihr gerne selbst hochrechnen.

Was bringt ein eBook?

Verkaufe ich die Hot Chocolate-Episode bei Amazon für 99 Cent, bekomme ich 26 Cent. Um also auf Null zu kommen, muss ich 4.230 Stück verkaufen! Das ist eine Stückzahl, da flippt jeder Indie aus vor Begeisterung – die wenigsten schaffen das mal so auf Anhieb bei einem Titel. Ich übrigens auch nicht. Und wie gesagt, da habe ich noch NICHTS verdient. Da habe ich gerade mal meine Unkosten drin. Das kann ich mir nicht leisten!

Investition in die Zukunft?

Kommen wir zurück zu die Pro-Argumenten. Über 4.000 verkaufte Exemplare sorgen für ein Wahnsinns-Ranking bei Amazon – bessere Sichtbarkeit, mehr Aufmerksamkeit, blablabla. Richtig. Nur um welchen Preis? Um den Preis, dass der Wettbewerb extrem verzerrt wird und dass ich als Autor hoffen muss, die SUB-Auffüller und Schnäppchen-Jäger werden meine Geschichte auch tatsächlich lesen und dann so begeistert sein, dass sie meine anderen Titel zum Normalpreis kaufen?

Wir Autoren sind ja berufsbedingt sehr fantasiebegabt, aber ab und zu sollten wir auch mal unseren kühlen Verstand einschalten. Das ist eine Milchmädchenrechnung, das funktioniert nicht. Das kann nicht funktionieren!

Also subventionieren wir unsere Schreibvorhaben durch diverse Brotjobs, gut verdienende Partner, Erbschaften, etc. und beuten uns selbst gnadenlos aus – stets in der Hoffnung, dass der richtig große Bestseller bald kommen wird! Das will ich mir nicht (mehr) leisten!

Qualität setzt sich durch!?

Das ist doch das Lieblingsargument von uns Autoren – mal mehr, mal weniger trotzig herausgeschmettert. Bevorzugt dann, wenn es mal wieder eine Verlagsabsage gegeben hat, die Verkäufe stagnieren oder uns eine Hass-Rezension den Tag versaut. Klar, inhaltliche Qualität ist nie ein Fehler, aber in der Gemengelage für einen großartigen Verkaufserfolg doch eher von untergeordneter Relevanz.

Außerdem ist Qualität natürlich eine höchst subjektive Größe, denn was ist schon ein "gutes Buch"? Eben. Das definiert jeder anders.

Egal, ob ich unter meinem Klarnamen Carin Müller publiziere, mein horizontales Pseudonym Charlotte Taylor aufs Publikum loslasse oder demnächst als Nirac Rellum meine Leser in unendliche Weiten locke – es wird nicht jedem gefallen! Muss es auch nicht, denn auch wenn ich mich noch so diversifiziere, ich bleibe immer ich. Die Geschichten kann man also mögen oder nicht, doch eines haben alle gemeinsam: hohen handwerklichen Standard.

  • Meine Bücher sind allesamt professionell lektoriert – von hauptberuflichen Lektoren!
  • Meine Bücher haben allesamt professionell designte Cover – von hauptberuflichen Grafikern!
  • Meine Bücher sind allesamt professionell geschrieben – von mir, einer hauptberuflichen Autorin mit jahrzehntelanger Erfahrung.

Daher: Meine Bücher sind mehr wert als 99 Cent.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Liest das überhaupt noch jemand? Ich bin nicht so vermessen, dass ich jetzt damit rechne, meine Kollegen im großen Stil zum Umdenken zu bewegen, letztlich muss jeder die Entscheidung für sich selbst treffen.

Und die Leser? Ich weiß, dass viele sich über diese Überlegungen totlachen und die Bücher sowieso gratis auf einer der vielen Piratenseiten runterladen oder in der gesetzlichen Umtauschfrist auf den offiziellen Portalen wieder zurückgeben. Dagegen kann ich nicht viel ausrichten. Aber ich hoffe, dass ich vielleicht ein paar ehrliche Menschen erreiche – womöglich sogar die Leserin, die mich mit ihrer Mail zu dieser endlosen Einlassung inspiriert hat: Müsst ihr euren SUB tatsächlich mit dem 397. 99-Titel aufstocken, den ihr vermutlich ohnehin nie lesen werdet? Kauft doch mal ein paar Wochen lang NUR die Bücher, die ihr WIRKLICH lest. Ich würde stark annehmen, dass ihr damit unterm Strich sogar günstiger fahrt – selbst wenn da mal ein Titel skandalöse 3, 5 oder sogar 9 Euro kostet.

Ich verspreche euch: Meine Bücher sind ihr Geld wert!

Danke.