Roadtrip mit Raketenstart
20.5.2024
Apollo, Cape Canaveral, Chaleston, Einmal im Leben, Florida, Florida Keys, Georgia, Kennedy Space Center, Kill Devil Hills, Kölsch, Miami, New York, North Carolina, Ostküste, Outer Banks, Pelikan, Pisco Sour, Raketenstart, Savannah, South Carolina, St. Augustine, Virgina, Washington, Wilmington
Ich persönlich hab’s ja gerne nordisch und kühl. Liebe Länder wie Schottland und Schweden und verbringe Fernreisen beispielsweise gerne in Südafrika, wo es – je nach Jahreszeit – zwar auch sehr heiß werden kann, die Zeitverschiebung aber nur eine Stunde beträgt. Der Herzensmann an meiner Seite hat jedoch etwas andere Vorlieben, weshalb gelegentlich Kompromisse gemacht werden müssen. Sein ultimatives Traumziel heißt USA und deshalb waren wir mal wieder dort. Sechzehn Tage Ostküste zwischen New York und Miami mit so vielen Eindrücken, dass mir immer noch der Kopf schwirrt, ich aber zugeben muss, dass es eine der besten Reisen meines Lebens war. Komplett organisiert vom wundervollsten Reiseleiter auf diesem Planeten, der allerdings exklusiv für mich tätig ist. Sorry, Leute.
Jetlag ist jedoch die Hölle! Und ein echter Downer nach Ferien an Orten mit Zeitverschiebung. Mir fällt dann nicht nur das Schlafen zu lokal angemessener Uhrzeit schwer, sondern auch das Denken. Weshalb es sein kann, dass der folgende Text etwas ... nun ja erratisch daherkommt. Und eigentlich wollte ich den Artikel auch »Beten und Schießen« nennen, aber dazu gleich mehr.
Es folgen höchst subjektive Eindrücke.
New York
Erstaunlich, dass sich eine Weltstadt wie New York einen derart provinziellen Flughafen wie den John F. Kennedy Airport leistet, in dem alles sehr viel gemütlicher abläuft, als im höchst effizienten heimischen FRAPORT. Die Immigration (aka Passkontrolle) gestaltet sich mühsam. Wir stehen mehr als zwei Stunden an und warten in einer schlecht klimatisierten Halle (praktisch der einzige Ort in den Staaten, der eine miese Klimaanlage hat), bis man sämtliche Finger gescannt bekommt und die Biometrie des Reisepasses an seine Grenzen gebracht wird.
Fun Fact: Es gibt zwischen dem Aussteigerüssel am Flugzeug und dem Ausgang (also NACH Passkontrolle und Gepäckband) kein Klo weit und breit ... Öhm.
Wir haben drei Nächte und zwei ganze Tage in der Stadt, die niemals schläft (in dem Punkt wenigstens sind Manhattan und ich uns recht ähnlich), und machen das Beste daraus. Nach dem ersten und bisher einzigen Trip nach New York im heißen August 2016 (nachzulesen im Artikel »Ich war dann doch mal in New York«) stehen diesmal jedoch ein paar andere Schwerpunkte an.
Highlights: Der Washington Square Park zwischen Greenwich Village und East Village ist toll für einen entspannten Lunch auf einer Parkbank. Und Brooklyn! Wir fahren mit der U-Bahn hin, besuchen den großartigen Romance-Buchladen »The Ripped Bodice«, schlürfen einen Milkshake, genießen an den schönen Pieranlagen den Sonnenuntergang über Manhattan und wandern schließlich in der Dunkelheit (in NY ein eher relativer Begriff) über die Brooklyn Bridge zurück nach Manhattan.
Washington D.C.
Mit dem Zug geht es in knapp drei Stunden in die Hauptstadt. Bahnfahrten sind in den USA lange nicht so populär wie hierzulande, das merkt man an den hohen Preisen und den etwas abgeschrabbelten Zügen. Aber hey, Amtrak ist total pünktlich! Dafür ist es in Washington absurd heiß. Nach einem 13 Grad kühlen Nieselregenmorgen in New York sind strahlender Sonnenschein und 30 Grad eine Herausforderung.
Steingewordener Größenwahn: Wenn man vom Kapitol über die Mall zum monströs phallischen George-Washington-Monument (der riesige Obelisk) wandert, dann einen Abstecher zum eher beschaulichen Weißen Haus macht und schließlich weiter zum Lincoln-Monument (gerade eingerüstet) läuft, hat man nicht nur schon locker vier Kilometer in den Füßen, sondern ist auch geradezu erschlagen von dem absoluten Gigantismus. Irgendwie scheint es, dass die Stadt- und Staatsgründer sich von allen Monarchien der Alten Welt absetzen wollten. Größer, mächtiger, beeindruckender und überhaupt mehr sein will. Schwanzvergleich XXL! Nicht meine Welt.
Highlight: Das Smithsonian Air & Space Museum. Es erwartet uns das original TV-Modell der legendären Enterprise direkt im Eingangsbereich und u.a. ALLES über die Apollo-Mondmissionen.
Outer Banks – Kill Devil Hills
Nach zwei Nächten in der Hauptstadt geht’s mit dem Auto weiter in Richtung Süden. Wir fahren durch Virginia – vorbei an zahllosen Kirchen und Shooting Ranges (Beten und Schießen scheinen amerikanische Lieblingsbeschäftigungen zu sein) und rollen am späten Nachmittag auf die der Küste vorgelagerten Inselkette Outer Banks. Inzwischen sind wir sogar schon in North Carolina. Unser Quartier in Kill Devil Hills liegt direkt am Atlantik – und im »Kill Devil Grill« gibt’s leckeres Südstaaten-Soulfood und erstaunlicherweise lokales Kölsch-Bier (was zwar ein Widerspruch in sich ist, aber hey ...).
Highlight: Der Sonnenaufgang am Strand! Wecker stellen lohnt sich sowas von!
Wilmington
Wenn man früh aufsteht, hat man mehr vom Tag. Der besteht aus einem ersten Stopp am Bodie Island Lighthouse (weil das Wright Memorial noch zu hat). Der Leuchtturm sieht auf den Fotos fast nordisch aus. Die Temperaturen und die fiesen Stechviecher sind es nicht. Also weiter. Kaffeepause in Columbia, wo wir alles über die »roten Wölfe« lernen, die nachts in der Gegend so schön heulen. Schade, nachts sind wir nicht mehr da. Weiter nach New Bern. Ein putziges kleines, historisches Städtchen, das von schweizerischen und deutschen Immigranten gegründet worden war. Partnerstadt von Bern – identisches Wappen bis auf den fehlenden Bärenpenis … (again what learned!). Außerdem wurde hier Pepsi-Cola erfunden.
Am frühen Abend endlich in Wilmington, wo zum Seafood wieder Kölsch serviert wird. Irgendwie ziemlich crazy.
Highlight: Die Sichtung eines Airedale Terriers vom Hotelfenster aus.
Charleston
Der Weg von Wilmington nach Charleston also von North nach South Carolina hält theoretisch einen Abstecher an den Strand mit der höchsten Dichte von Hai-Angriffen in den USA bereit. Nicht, dass mich eine direkte Provokation reizen würde, aber ein Blick auf Myrtle Beach kann wohl nicht schaden, oder? Doch, kann er! Das ist die absolute Trash-Touri-Hölle, so dass wir gleich wieder das Weite suchen. Für Haie ist es wohl eine Art »All you can eat«-Büffet.
Stattdessen geht’s zügig weiter in den Süden. Kurz vor Charleston biegen wir aber auf die ikonische Eichen-Allee der Boone Plantation ab, wo unter anderem »Fackeln in Sturm« gedreht wurde. Eintritt stolze 28$ pro Person – auch wenn man nur Bäume gucken will. Das Haus selbst sieht im maximalen Weitwinkel gefilmt nämlich deutlich beeindruckender aus als in der Wirklichkeit. Aber irgendwas ist ja immer.
Highlight: Charleston ist wirklich ein zauberhaftes Städtchen, aber besonders zuckrig ist die Begegnung mit der jungen schwedenblonden Verkäuferin in einem Hundeladen (Scotty braucht schließlich auch ein Mitbringsel), die ab nächstem Jahr ihr Wirtschaftsstudium in Marburg beginnt.
Savannah
Wir gondeln weiter durch South Carolina nach Georgia, trinken unterwegs im süßen Städtchen Beaufort auf einer Schaukelbank mit Blick aufs Wasser einen Kaffee und sind schon mittags in Savannah – nachdem sich auch auf diesem Streckenabschnitt erneut die sonderbaren (Südstaaten?)Leidenschaften fürs Beten und Schießen offenbart haben.
Savannah begeistert durch hübsche Häuser und eine ausgefuchste Stadtarchitektur, die dazu führt, dass es zahllose kleine grüne Oasen gibt. In der schwülen Hitze sind diese Plätze begehrte Schattenspender.
Highlight: Unser Quartier für diese Nacht! Das Thunderbird Inn ist ein Motel im 1960er-Jahre-Look mit passender Musikbeschallung, kostenlosem Popcorn an der Rezeption und Donuts zum Frühstück.
St. Augustine
Die Etappe nach St. Augustine in Florida führt durch Georgia – und zu einer weiteren Erkenntnis: In Georgia gibt es die meisten Polizeikontrollen im gesamten Land! Zumindest fahren wir an mindestens zehn State Trooper- oder lokalen Sheriff-Fahrzeugen vorbei, die gerade jemanden von der Straße gezogen haben. Krass.
Mittagspause in Jacksonville Beach. Der Strand wird von eher unattraktiven Hotelbunkern gesäumt, aber das Meer ist warm, die Brise angenehm und es gibt viele Pelikane zum Beobachten. Meine neue Leidenschaft. St. Augustine dagegen ist im Kontrast dazu absolut puppig. Sie gilt als die älteste Stadt der USA und versprüht einen gewissen »Fluch der Karibik«-Charme. Doch man kann sehr gut durch die kleinen Gassen spazieren und sich mit »Americano on Ice« und frischem Fruchtstieleis abkühlen. Oder man geht ins Restaurant Columbia, das auf ungefähr 17 Grad runtergekühlt ist ... *bibber*
Highlight: Die riesigen Porträts der Besitzerfamilie im Restaurant – alle in fantasievollen Pseudo-Renaissance-Outfits gewandet. Der Mann bekommt feuchte Augen, weil er sich an den Kölner Karneval erinnert fühlt.
Fun Fact: Trotzdem gab’s hier kein Kölsch. Ist in Florida offenbar kein Ding.
Cape Canaveral
Zwei Tage Kennedy Space Center? Muss das wirklich sein? Ja. Muss. Genau genommen ist es absolut alternativlos, wenn das Herz schon seit frühen Kindertagen für die Enterprise, Kirk und Spock schlägt. Und für alle weiteren Ableger aus dem Star-Trek-Universum. Und überhaupt für den Weltraum und die Raumfahrt. Es ist unglaublich cool gemacht. Eine Mischung aus interaktivem Museum und reichlich Hollywood-Pathos. Atemberaubend, spannend und tatsächlich tief berührend. Wow.
Erkenntnis von Tag 1: Wir haben in Washington doch noch nicht ALLES über die Apollo-Missionen gelernt. Jetzt schon.
Erkenntnis von Tag 2: Vor der Öffnung wird die Nationalhymne abgespielt. Ich finde das mehr als nur ein bisschen befremdlich und abstoßend (ist aber offensichtlich eine Einzelmeinung). Aber mal ernsthaft. Es ist ein Museum! Ein sehr cooles Museum zwar, doch ein Museum. Wir sind schließlich nicht in Nordkorea ... Mannomann.
Highlight: Der Start einer leibhaftigen Rakete! Ist zwar mit viel Schwitzen verbunden – über eine Stunde Wartezeit bei 34 Grad im Schatten, nur blöderweise ohne Schatten. Aber: wie geil ist das denn?
Miami
Floridas Millionenstadt hat es nach der völligen Überwältigung der Vortage schwer. Also so richtig schwer. Was soll danach auch noch kommen? Von noch mehr brütender Hitze mal abgesehen? Und einer spürbar erhöhten Dichte von Trump-Anhängern? Immerhin, das Frost Science Museum ist sehr sehenswert mit seiner leicht wirren Mischung aus Weltall und Meer. Passt aber inhaltlich wie die Faust aufs Auge zur restlichen Reise.
Der Ausflug auf die Keys am letzten Tag ist dann eine weitere Notwehr-Reaktion. Für die Stadt werden 36 Grad angekündigt, also raus im gut klimatisierten Auto. Optisch sind die türkisen Fluten ein Traum – die Karibik ist ja praktisch um die Ecke – erfrischend sind sie nicht. Aber es gibt tolle Pelikane und lustige Hühner auf einem Supermarktparkplatz.
Highlight: Das Restaurant CVI.CHE105! Tolles Ambiente, großartige Musik und peruanisches Essen, das mir – kein Witz! – die Tränen in die Augen treibt, weil es so lecker ist. Und warum hat mir vorher niemand gesagt, WIE gut Pisco Sour schmeckt?
Fazit: Ein grandioser Einmal-im-Leben-Trip, der lange nachhallen wird.