Carin Müller bloggt ...

Buchtipp: Der Astronaut

Andy Weir: "Der Astronaut" oder "Project Hail Mary"

»Du musst unbedingt das aktuelle Buch von Andy Weir lesen«, sagte neulich mein Bruder zu mir.

Ich hatte vor Jahren »Der Marsianer« mit großer Begeisterung geschmökert und fand auch die Verfilmung nicht schlecht, aber seitdem hatte ich den Autor und seine Geschichten wieder aus meinem Bewusstsein verdrängt. Scifi ist normalerweise nicht das Genre, das ich regelmäßig lese.

»Warum?«, fragte ich ihn also, denn ich hatte gehört, dass »Artemis«, der Roman zwischen Marsianer und Astronaut nur so mittel sein sollte.

»Tu es einfach!«, beharrte er. »Es ist so ein schönes Buch.«

Moment. Ein »schönes« Buch? Das war aus dem Mund meines sonst eher nüchternen Nerd-Bruders eine so ungewöhnliche Formulierung, dass ich nicht weiter nachgebohrt habe, sondern mir den Roman »Der Astronaut« – sogar ohne den Klappentext zu lesen – sofort als eBook gekauft habe. Übrigens das englischsprachige Original, das »Project Hail Mary« heißt, was ein wenig kryptisch klingt.

Wer bin ich und was tu ich hier?

Diese Fragen stellt sich der Protagonist, als er mühsam erwacht und sich in einer fremden Umgebung wiederfindet. Eine Computerstimme fordert ihn zu einer kleinen Rechenaufgabe heraus. »Was ist zwei plus zwei?«

Es dauert ein bisschen, bis er antworten kann und noch länger, bis ihm sein eigener Name wieder einfällt. Da hat er schon herausgefunden, dass er sich auf einem Raumschiff befindet, womöglich längere Zeit in einem Koma verbracht hat und seine beiden Mitreisenden verstorben sind. Doch wo genau ist er und was ist seine Aufgabe?

Häppchenweise kommen die Erinnerungen zurück – und Dr. Ryland Grace wird langsam klar, dass er sich auf einer haarsträubenden Mission befindet, in der es um nicht weniger geht, als die Menschheit vor der Auslöschung zu bewahren. Puh. Wenn’s weiter nichts ist ...

Die Geschichte spielt nicht etwa in einer fernen Zukunft, sondern grob in unserer heutigen Zeit – mit den aktuellen technischen Gegebenheiten, in der sogar noch eine Marsmission ziemlich weit weg scheint. Geschweige denn ein Flug in das System Tau-Ceti. Doch genau da ist Ryland nun, um herauszufinden, wie die drohende Katastrophe auf der Erde zu verhindern ist. Allein, denn seine beiden Mitreisenden haben ja das künstliche Koma nicht überlebt.

Wohlfühlroman im All?

Ich gebe zu, das klingt bisher alles ziemlich düster, hoffnungslos und vorhersehbar und nichts davon rechtfertigt das Prädikat »schönes Buch«, das mein Bruder dem Roman verliehen hat.

Doch tatsächlich kann ich mich seinem Urteil nur anschließen. Das liegt zum einen an der herrlich selbstironischen Art, mit der Andy Weir seinen Protagonisten agieren lässt. Selbstironisch, fatalistisch und doch kein bisschen zynisch, sondern mit einem bunten Strauß an Emotionen ausgestattet. Ryland ist unglaublich resilient – muss er auch sein, sonst käme er mit dieser Situation gar nicht zurecht, doch natürlich macht ihm nicht nur schiere Größe seiner Aufgabe Angst, sondern auch die totale Einsamkeit.

Doch ganz alleine ist er womöglich doch nicht!?

An dieser Stelle möchte ich nichts verraten, denn sonst verderbe ich am Ende eine der bewegendsten – und lustigsten – Szenen in der ganzen Geschichte.

Aber hier kommt dann langsam zum Tragen, was für mich persönlich einen »Wohlfühlroman« ausmacht. Nach gängigen Kriterien gehören zu solchen Geschichten meist schöne Landschaften und reichlich Romantik dazu (siehe beinahe meinen kompletten Katalog), doch meine eigene Definition ist eine andere. Die ich sogar auf ein Wort eindampfen kann: Hoffnung.

Ich brauche offensichtlich kein malerisches Setting, kein romantisches Prickeln zwischen zwei Figuren, um mich in einem Buch wohlzufühlen. Hoffnung alleine reicht. Und wie Andy Weir es schafft, dieses Gefühl einzuweben, ist bemerkenswert. Die Handlung durchläuft einige ziemlich erstaunliche Twists und das Ende lässt mich mit offenem Mund vollkommen verblüfft zurück. Verblüfft, aber mit einem warmen Gefühl von Dankbarkeit. Kann man mehr wollen?

Techno-Gebabbel und tiefe Freundschaft

Kleiner Hinweis noch: Das Buch ist an vielen Stellen gespickt mit ausführlichen naturwissenschaftlichen Betrachtungen. Ich neige dazu, dieses »Techno-Gebabbel« einfach auszublenden. Kann man auch hier machen, mich persönlich hat es jedoch nicht gestört. Im Gegenteil. Aber was mich besonders begeistert – neben der Hoffnung – ist die Geschichte einer zwar durch und durch unwahrscheinlichen, aber dafür umso tieferen Freundschaft.

Kurz: ein wirklich schönes Buch! Und mein bisheriges Lesehighlight in diesem Jahr.

Und das ist der Klappentext:

Als Ryland Grace erwacht, muss er feststellen, dass er ganz allein ist. Er ist anscheinend der einzige Überlebende einer Raumfahrtmission, Millionen Kilometer von zu Hause entfernt, auf einem Flug ins Tau-Ceti-Sternsystem. Aber was erwartet ihn dort? Und warum sind alle anderen Besatzungsmitglieder tot? Nach und nach dämmert es Grace, dass von seinem Überleben nicht nur die Mission, sondern die Zukunft der gesamten Erdbevölkerung abhängt.