Häkeln für den Weltfrieden
5.8.2024
Crocheting, Decken häkeln, Granny Squares, Handysucht, Häkeln, Häkelnadel, magischer Ring, Screentime, Seelenfrieden, Spielsucht, Stäbchen, Weltfrieden, Wolle
Ich hab’s ja nicht so mit Handarbeiten. Von seltenen Ausnahmen abgesehen, denn alle zwei, drei Jahre überfällt mich eine gewisse Strickwut, während derer ich schon mal einen Pullover (für mich oder für den inzwischen verstorbenen Hund) oder ein paar Schals produziere. Fakt ist aber auch, dass diese leidenschaftliche Raserei meist ebenso schnell wieder abebbt, wie sie Fahrt aufgenommen hat, und ich werde an dieser Stelle NICHT verraten, wie viele angefangen Projekte in meiner Wollkiste schlummern ... Meist tu ich auch so, als würde diese Kiste gar nicht existieren.
Von allen denkbaren Handarbeitsmethoden ist also Stricken noch die, die mir am nächsten liegt und die ich sogar einigermaßen ordentlich beherrsche. Alle anderen sind mir ein Graus. Ich habe Menschen in meinem Umfeld, die weben Stoffe (würde ich auch gerne), andere knüpfen Teppiche, töpfern Tassen und Salatschüsseln oder besticken Kissenbezüge und Tischdecken. Mal abgesehen, dass ich in einem ziemlich tischdeckenfreien Haushalt lebe, ist das alles nichts für mich. Mit Abstand am schlimmsten fand ich jedoch immer Häkeln. Vermutlich immer noch basierend auf einem Trauma aus der Grundschule, als ich Handarbeiten musste statt wie die Jungs Werken zu dürfen und wir irgendwann eine Katze häkeln mussten. Ich hab’s einfach nicht begriffen. Luftmaschen okay, aber dann? Nein, Häkeln war nichts für mich. Die Katze hat dann übrigens meine Mutter zusammengeklöppelt.
Doch dann kam Franziska
Vor knapp zwei Wochen habe ich einer Facebookgruppe einen Post meiner Kollegin Franziska Erhard entdeckt, in dem sie über ihre Leidenschaft für »Granny Square Plaids« schrieb, also Decken, die aus bunten quadratischen, ein wenig altmodisch anmutenden Häkel-Kacheln bestehen. Ein Foto eines ihrer Prachtstücke war ebenfalls dabei – garniert mit der rührenden Geschichte, dass ihr ältester Sohn, der im Herbst zum Studium in eine andere Stadt zieht, sich von Mama eine solche Decke gewünscht hat. Nun habe ich keine Söhne, denen ich meine Liebe mit Kuscheldecken zeigen könnte, aber Franziskas Satz, dass das Häkeln sie so wunderbar entspannt, hat mich elektrisiert.
Jeder sehnt sich doch nach Entspannung und in meinem Fall gibt’s noch ein anderes Thema: mein Handy! Ich verbringe jeden Tag so viele Stunden vor dem Bildschirm (jetzt im Moment ja schon wieder), schreibe meine Romane, Blogartikel, Newsletter, beantworte eMails, texte für Social Media oder recherchiere irgendwas. Und wenn ich nicht vor dem Computer oder dem Fernseher sitze, nicht gerade esse, schlafe, sportle oder mit dem Hund unterwegs bin, habe ich mein Handy in der Hand. Offengestanden auch während vieler der eben aufgezählten Tätigkeiten ... Podcasts, Hörbücher oder Musik hören. Schnell mal eine WhatsApp-Nachricht schreiben oder schauen, was auf Instagram los ist – und in meinem Fall am allerschlimmsten: irgendein saublödes Spiel spielen. Harry Potter, Candy Crush, Sudoku, Solitär – you name it. Und das nicht nur ein paar Minuten, sondern oft genug viel, viel länger. Das ist nicht nur peinlich, ineffizient und ein grässlicher Zeitfresser, es macht mir auch richtig miese Laune (und Kopfschmerzen). Aufhören ist trotzdem schwer.
Häkeln als Entzug
Also träumte ich schon lange von einem Hobby, das beide Hände involviert, das Spaß macht und nicht allzu viel Hirnkapazitäten bindet – und das definitiv NICHTS mit einem Monitor oder Display zu tun hat. Da haben mich die Granny Squares geradezu angesprungen, versprachen sie doch laut Franziska, schnelle Erfolgserlebnisse, Entspannung und Seelenfrieden. Mir war innerhalb von Sekunden sonnenklar: Das wird mein neues Hobby! Also habe ich beim Wolldealer meines Vertrauens sofort eine Häkelnadel bestellt und zehn verschiedenfarbige Knäuel. Blieb nur noch die Hürde meiner Inkompetenz, denn aus Liebe und Luftmaschen kann man leider keine Kacheln häkeln. Doch die Suchanfrage »Häkeln für Anfänger« liefert auf Youtube ein Füllhorn an Tutorials, dass sogar ich innerhalb kürzester Zeit nicht nur Luft- und feste Maschen hinbekommen habe, sondern auch Stäbchen (ganze, halbe, doppelte), Bündelmaschen und sogar den »magischen Ring«.
Letzterer ist die entscheidende Basis für die Squares, die nämlich zunächst nicht eckig, sondern rund sind, was vor allem bei den »Mandala-Squares« eine echte Herausforderung darstellt. Tatsächlich ist so eine Kachel im »Basic Granny«-Muster wirklich superfix gehäkelt und ich habe mir langsam eine neue Routine angewöhnt. Die Spiele habe ich (fast) alle von meinem Handy gelöscht und immer wenn ich das Bedürfnis habe, Candys zu crushen, magische Turniere zu bestreiten oder einen neuen Rekord im Solitär aufzustellen, häkle ich jetzt. So ist schon eine kleine Kollektion an Quadraten zusammengekommen, mein Handy-Akku hält viel länger und meine Laune ist signifikant besser.
Vielleicht sollten wir einfach an alle Idioten, die uns das Leben schwer machen, Häkelnadeln und Wolle verteilen. Die Welt wäre ein kuscheligerer und deutlich friedlicherer Platz. Denn wer beide Hände beschäftigt, kann nicht nebenbei Bomben zünden oder Ränke schmieden.
Häkeln für den Weltfrieden! Wer ist dabei?