Carin Müller bloggt ...

Scotty, Schrotti oder das Untier in ihm

Airedale Scotty ist 10 Monate alt und voll in der Pubertät.

Seit gestern ist Scotty zehn Monate alt und wenn man seinen Züchtern glauben darf, wird er mit zwei Jahren ein »guter Hund« sein. Also noch vierzehn Monate durchhalten ... Die Pubertät hat ihn (und uns) inzwischen voll im Griff.

Neulich beim Tierarzt:

Tierarzt (enthusiastisch): »Was für ein prächtig entwickelter Bursche! Haben Sie schon mal seine fantastischen Zähne gesehen?« (Hält Scottys Maul auf und bewundert sein furchterregendes Raubtiergebiss.)

Ich: »Ähm ja. Ich kenne sie alle. Es gibt kein Körperteil von mir, dass noch nicht Kontakt mit ihnen hatte ...«

Okay, das hört sich dramatischer an, als es ist, denn natürlich beißt er nicht richtig zu, aber das Maul ist für einen Hund beinahe die einzige Möglichkeit, seine Umwelt zu »begreifen«. Unangenehm und übergriffig ist es trotzdem – und wird ihm kategorisch verboten. Genau wie all die anderen Dinge, die ihm offenbar viel Freude bereiten: Mäuse zu töten (die vom Computer, für die mit Fell interessiert er sich nicht), Kohlmeisen zu fressen (die war schon tot, aber den Anblick des Meisenflügels, der aus seinem Maul hing ...), Teppiche zu zernagen, Zimmerpflanzen zu schreddern, Fernbedienungen und Brillen zu bekauen und mein arschteures, neues Handy zu zerstören.

Stattdessen bekommt er Himalaya-Hundehartkäse (absurd kostspielig, aber offenbar sehr lecker), diverse Taue zum Zerfetzen, gelegentlich Hundeplüschis zum Fleddern, Vollgummi-Spielsachen und ab und an Delikatessen wie Rinderohren mit Fell, um sein Kau- und Beißbedürfnis zu stillen.

Diskussionen von morgens bis abends

Wenn ihm was nicht passt, mault er herum, diskutiert lautstark oder ist bockig wie ein Esel. Nein, das ist eine Beleidigung für die süßen Langohren. Er ist bockig, wie es nur ein Terrier sein kann! Und kein Witz: Es gibt Hundeschulen und -trainer, die fragen beim telefonischen oder schriftlichen Erstkontakt nach der Rasse. Bei der Erwähnung, dass es sich beim Pubertier um einen Airedale-Rüden handelt, sind sie plötzlich alle ausgebucht ... Vermutlich wegen o.g. »Qualitäten«. Vielleicht sollte ich mir mal den Spaß gönnen und für einen Labrador anfragen. Aber eigentlich ist mir dafür meine Zeit zu schade.

Inzwischen haben wir nämlich einen unerschrockenen Trainer gefunden, der nicht nur den hormongesteuerten Teenager im Griff hat, sondern auch uns überforderte Zweibeiner. Die simplen, klaren, aber effektiven Tipps begreifen wir Menschen und auch der Terrier. Zumindest theoretisch. Denn praktisch hat Mister Scott oft keinen Bock. Doch da wir jetzt (meist) absolut konsequent sind, gibt’s hier momentan reichlich Geheule und Gejaule. Hauptsächlich beim Hund. Ich weine eher heimlich und frage mich an manchen Tagen, ob ich tatsächlich schon einmal einigermaßen erfolgreich einen Airedale Terrier erzogen habe, oder ob die knapp dreizehn Jahre mit Toni nur ein Traum waren.

Nahkampf an der Leine

Waren sie natürlich nicht, davon zeugen tausende von Fotos und eine üppige Kollektion von Halsbändern und Leinen, die Schrotti jetzt auftragen muss (das Los der jüngeren Geschwister). Und in lichten Momenten fallen mir auch Szenen ein, in denen der pubertäre Toni und ich beide heulend auf dem Gehweg gestanden sind, weil wir so frustriert voneinander waren. Ich, weil er gezogen hat wie ein Ochse, er, weil ich ihm das nicht durchgehen lassen wollte.

So ähnlich ist es heute auch – minus der öffentlichen Tränen bei mir (keine Ahnung warum, die Verzweiflung ist vergleichbar). Scotty wiegt aktuell 26 Kilo, was sich an der Leine jedoch anfühlt wie ein wütender Braunbär, der von einem Bienenschwarm umsummt wird. Was wiederum zu einer erstaunlichen Oberkörpermuskulatur bei mir führt ...

Das ist natürlich nicht akzeptabel, daher bleiben wir jetzt immer stehen, sobald er zieht. Dann muss er »Sitz machen« und anschließend »Fuß gehen«. Auf diese Weise brauchen wir aktuell für die 300 Meter zur Hundewiese locker 20 Minuten und Termine verschieben sich auf unbestimmte Zeit. Ich weiß, es geht jetzt um ein paar ätzende Wochen und irgendwann werde ich über diese Phase lachen können, aber gerade fühlt es sich an wie in einer Vorhölle. Inklusive der passenden Temperaturen ...

Es gibt aber auch schöne Momente

Auch wenn es sich so anhört, es ist natürlich nicht alles schlimm. Wir haben auch viel Spaß mit dem wilden Kerl. Er hat sich zur absoluten Wasserratte entwickelt und badet für sein Leben gern. Egal, ob im Fluss, See oder notfalls auch in einem Brunnen. Wie es ihm am Meer gefällt, werden wir demnächst testen. Außerdem ist er ein unwiderstehlicher Charmeur und vollkommen verrückter Clown, der jeden um den kleinen Finger wickeln und zum Lachen bringen kann.

Ganz besonders liebt er übrigens seinen Zweibeiner-Cousin. Der ist vierzehn und befindet sich in einer ähnlich interessanten Phase. Die beiden sind das absolute Dreamteam und ich bin mir sicher, dass Scotty – wäre er ein Menschen-Teenie – zurzeit mit Begeisterung mit dicker Halskette, Basketball-Shirt, Sporthose, Tennissocken und Adiletten herumlaufen würde. Das muss (und kann?) man als Erwachsener nicht verstehen, aber man darf sich darauf verlassen, dass man in ein paar Jahren beim Anblick der Fotos herzlich lachen wird.