Carin Müller bloggt ...

Palermo: Paten & Panelle

Siziliens Hauptstadt ist deutlich besser als ihr Ruf

Vor ein paar Wochen herrschte im Hause Müller akuter Lagerkoller. Nach dem verregneten Endloswinter, einer späten Corona-Infektion und darauf folgenden nervtötenden Infekten war ein Silberstreif am Horizont dringend nötig. Wir wollten Sonne, gutes Essen, eine coole Stadt und idealerweise Meer. Außerdem sollte es sich auch für einen Kurztrip lohnen. Also: Palermo!

Ich war bislang einmal dort gewesen – im August 1996 zu einem Tagesausflug im Rahmen meines ersten längeren Single-Urlaubs (während dem ich bei rund 40 Grad Tennis gespielt und auch sonst vorwiegend dämliche Dinge getan habe, die hier besser keine Erwähnung finden. Aber ich war jung und ... lassen wir das.) Besonders beeindruckt an dem damaligen Ausflug hatten mich die Einschusslöcher an den Fassaden vieler Häuser, die von Mafia-Überfällen zeugten – eine noch nicht ganz überwundene Gefahr zu dieser Zeit.

Wie steht es um die Mafia in Palermo?

Keine Angst vor der Mafia?!

Mehrere wohlmeinende Menschen in unserem Umfeld waren immer noch in dem Glauben verhaftet, die Cosa Nostra habe die Stadt weiterhin in ihrer Hand und trachte auch Urlaubern nach dem Leben. Tatsächlich gilt Palermo heute als eine der sichersten Städte Italiens und ist sehr stolz auf ihre Anti-Mafia-Bewegung. Schutzgelderpressungen von Restaurants und Einzelhändlern gelten als ausgestorben (und damit auch die reale Gefahr für Touristen). Vermutlich operieren die »Ehrenmänner« weiterhin im Hintergrund, haben ihre Geschäftsfelder jedoch auf nicht ganz so offensichtliche Bereiche konzentriert. Als Besucher kann man sich jedoch absolut sicher fühlen – wenn man vom Verkehr mal absieht, doch das ist in den meisten italienischen Städten so. Warnung unseres B&B-Gastgebers Andrea: »Traffic is wild!«

Schmelztiegel der Kulturen

Ganz Sizilien wurde dank seiner prominenten Lage im Mittelmeer im Laufe der Jahrhunderte von den unterschiedlichsten Besatzungsmächten dominiert, die bis heute sichtbare Spuren hinterlassen haben – auch und gerade in einer Stadt wie Palermo. Arabische und normannische Einflüsse erlebt man in Kunst und Architektur, in der Sprache und beim Essen. Mein liebster Streetfood-Snack (dazu gleich noch mehr) sind »Panelle«, frittierte Kichererbsen-Fladen, die die Araber zwischen und dem 9. und 11. Jahrhundert auf die Insel gebracht haben. Lecker!

Oder die riesige Kathedrale der Stadt: Die 115 Meter lange »Cattedrale Maria Santissima Assunta« (Kathedrale der Himmelfahrt der allerheiligsten Jungfrau Maria) hat buchstäblich auf allen denkbaren Ebenen etwas zu bieten – spirituell, künstlerisch, architektonisch. Ihre Fundamente stammen aus dem 6. Jahrhundert, und im Laufe der Zeit haben unzählige Bauherren und Religionsrichtungen ihre Spuren hinterlassen – arabo-normannische, gotische und barocke Stilistiken prägen das gigantische Gotteshaus, das zwischenzeitlich auch mal eine Moschee war. Der Besuch lohnt sich also selbst für Kirchenmuffel – vor allem die Aussicht vom Dach aus.

Pizza, Streetfood, Märkte, Restaurants

Essen und Trinken

Ich liebe, LIEBE italienisches Essen. Schon immer. Und ich wurde bislang nur selten enttäuscht. Wobei man natürlich auch in Italien sehr schlechtes Essen bekommen kann. Venedig und Rom bieten da einige Abgründe. Womöglich gibt es auch in Palermo mieses Futter – allerdings fällt mir nach den jüngsten Erfahrungen der Glaube daran schwer. Wir wurden nie enttäuscht! Egal, ob wir uns auf einem der berühmten Märkte (Ballarò, Capo oder Vucciria) mit Streetfood vollstopften (oben erwähnte Panelle, mutig das pani câ mèusa [=Milzbrötchen – kann man, muss man nicht] oder Seafood frisch vom Grill bzw. aus der Fritteuse), in einer vermeintlichen Touri-Trattoria auf der Via Maqueda einer Pizza mit Salat frönten oder uns einen Abend in einem der zahllosen ambitionierteren Restaurants gegönnt haben. Meine persönlichen Favoriten: Le Angeliche (kreative, moderne Bistroküche) und Aja Mola (tolle Fisch- und Seafood-Kreationen – sogar im Dessert finden sich Sardellen).

Sightseeing-Highlight

Es gibt unglaublich viel zu entdecken und zu erleben in Palermo – unzählige Kirchen, große und kleine Museen, die weltberühmte Straßenkreuzung Quattro Canti, schöne Parks, zauberhafte, kreative Läden, Kunsthandwerk, die trubeligen Märkte, den Yachthafen (mein Sundowner-Muss!) und, und und ... Ich kann und will hier gar nicht alles aufzählen, sondern nur meine beiden persönlichen Highlights aufzeigen: den Orto Botanico und den Palazzo Conte Federico.

Der botanische Garten von Palermo ist dringend einen Besuch wert

Der Orto Botanico ist der botanische Garten, in dem sich auf hunderttausend Quadratmetern Pflanzen aus der ganzen Welt finden lassen – u.a. auch die gigantischen australischen Feigenbäume, die ich »Gruselbäume« getauft habe, weil ihr Stamm- und Wurzelgeflecht auch als Kulisse für Horrorfilme dienen könnte (da kommt die wilde Autorinnen-Fantasie wieder durch). Jedenfalls ist der Park der perfekte Ort, um dem Trubel für ein Weilchen zu entkommen und ein wenig durchzuatmen.

In einem der ältesten Häuser der Stadt kann man eine spannende Führung machen

Der Palazzo Conte Federico dagegen ist ein eklektisches Panoptikum aus uraltem Gemäuer und gräflichem Privathaus. Der Palazzo wird seit dem 12. Jahrhundert bis heute von den Nachfahren des Stauferkaisers Friedrich II. bewohnt. In der Hofeinfahrt parkt ein knallroter Vorkriegsrennwagen von Fiat, den der über achtzigjährige, derzeit amtierende Conte heute noch bei Rennen fährt. Allerdings nur noch im Ausland, denn in Italien liegt die Altersgrenze für Autorennen bei achtzig, wie seine Söhne Andrea und Niccolò bei der Hausführung launig berichten. Übrigens auch auf Englisch und Deutsch, denn die Mutter der beiden ist eine aus Österreich stammende Schwimmerin und Opernsängerin. So eine vergnügliche Tour durch die Geschichte habe ich selten erlebt. Wirklich außerordentlich amüsant, bunt und ausgesprochen charmant.

Mitbringsel

Selbstverständlich gibt es auch in Palermo reichlich Schrott-Souvenirs, aber man findet auch viele geschmackvolle und nützliche Dinge, die auch zu Hause noch Freude machen. In Sizilien gibt es viel tolle und bunte Keramik – Fliesen, Geschirr, Deko. Ich habe mich in eine blaue Esel-Schale der Keramikkünstlerin Patrizia Italiano schockverliebt, die ich im Museumsshop des Palazzo Riso entdeckt und glücklicherweise heil nach Hause gebracht habe.

Keramikesel von Patrizia Italiano

Auf den Märkten kann man sehr gut und sehr günstig Gewürze (vor allem Oregano), Gewürzmischungen und aromatisiertes Meersalz (u.a. mit Orange, Zitrone, Peperoncini, Rosmarin) kaufen. Kühlschrank-Magneten sind ebenfalls omnipräsent. Es gibt sie in der trashigen Ein-Euro-Version aus Plastik »Made in China« oder auch ein klein wenig teurer als handgearbeitete Keramik.

Unterkunft

Für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel gibt es in Palermo die passenden Quartiere. Wir hatten das Glück, über die Buchungsplattform booking.com ein todschickes Maisonette-Zimmer mitten im pulsierenden Viertel Vucciria zu ergattern – sogar zum Schnäppchenpreis, weil es offenbar eine kurzfristige Stornierung gab und wir schnellentschlossen zugeschlagen haben. Die »Sant’Andrea – Luxury Rooms« waren für uns die perfekte Homebase – und einen derart engagierten und hilfsbereiten Gastgeber wie Andrea habe ich ebenfalls selten erlebt. Der Banker hat sich während der Corona-Zeit seinen Traum erfüllt und eine superelegante (Ferien)Wohnung in einem alten Gemäuer mit drei großzügigen Zimmern erschaffen.

Fazit

Palermo ist für mich der perfekte Sehnsuchtsort, wenn es um gründlichen Tapetenwechsel, sensorische Highlights aller Art, Sonne, Meer und gutes Essen gehen soll. Ideal für einen Kurztrip von drei bis fünf Tagen. Wir hatten auch Glück mit dem Wetter – es war erstaunlich kühl für die zweite Mai-Hälfte (maximal 23 Grad), aber meist sonnig. Besser geht’s für einen Städtetrip kaum.