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Schreibmythos: Happy End

Schreibmythos Happy End

Um es vorwegzunehmen: In meinen Geschichten gibt es bislang IMMER ein glückliches Ende. Oft sogar mit allen Streichern und himmlischen Jubelchören, die ich aufbringen kann. Ich mag das. Mir ist es wichtig, dass ein Roman immer einen versöhnlichen Abschluss hat – auch wenn es im wahren Leben oft nicht so ist. Oder um es mit Oscar Wilde zu sagen: »Wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende!«

Allerdings braucht das Ende nicht immer total offensichtlich sein, es darf ruhig überraschen, muss mich aber ultimativ versöhnt zurücklassen. Das Bedürfnis nach einem guten Schluss scheint recht universell zu sein und gilt übrigens längst nicht nur für Liebesromane oder -filme. Es ist schließlich auch ein glücklichers Ende, wenn in letzter Sekunde die Bombe entschärft oder der Meteorit vom Zusammenstoß mit der Erde abgehalten werden kann. Dieses »Puh, nochmal gutgegangen«-Gefühl ist unglaublich erleichternd, entlastend – und offensichtlich reichlich trivial.

Happy End ist Unterhaltung – trauriges Ende ist Literatur

Ich habe keine Ahnung, wann sich dieser Mythos in unseren Köpfen eingenistet hat, aber Geschichten, die ein dezidiert optimistisches Ende haben, werden von berufenen Köpfen gerne ein wenig abschätzig als »Schmonzetten« oder »reine Unterhaltung« bezeichnet. Als ob an guter Unterhaltung irgendetwas schlecht wäre ... Dabei spielt es nicht die geringste Rolle, wie komplex und vielschichtig der Roman zwischen dem ersten und dem letzten Kapitel ist, lächelt die werte Leserschaft am Ende, handelt es sich dabei potenziell um Schund.

Umgekehrt funktioniert das Vorurteil übrigens auch. Filme und Bücher mit einem deprimierenden / verquasten / unbefriedigenden Ende werden automatisch als künstlerischer, literarischer und wertvoller eingestuft und die »schonungslose Authentizität« lobend hervorgehoben. Wieder ist es egal, was zwischen der Anfangssequenz und den Schlussminuten geschieht.

Manchmal frage ich mich, warum professionelle Kritiker derart zynische und freudlose Gestalten sind, die (fast) ausschließlich deprimierende Enden als Kunst und Literatur gelten lassen.

Kuriose Geschichte

Befragt man Wikipedia zum Stichwort »Happy End« erfährt man zuallererst, dass der Begriff ein Scheinanglizismus ist. Im Englischen spricht man korrekterweise von einem »happy ending«, in Filmen und bei Büchern von einem HEA, dem »happily ever after«, also Glück bis in alle Ewigkeit. Das ist natürlich ein hehres und unerreichbares Ziel, weshalb Romane in der Regel im Moment der größten Glückseligkeit enden. Den schnöden Alltag hat man schließlich selber.

Auf die Spitze gebracht hat das Konzept des glücklichen Endes Kaiser Joseph II. in Österreich. Er erklärte 1776 per Dekret, »dass Stücke im Wiener Burgtheater ein glückliches Ende haben sollten und keine traurigen Begebenheiten vorkommen durften, um die kaiserlichen Zuschauer nicht in eine schlechte Stimmung zu bringen. Viele Stücke mussten deswegen geändert und mit einem Wiener Schluss versehen werden, beispielsweise Romeo und Julia oder Hamlet. Nach dem Tod Josephs II. 1790 wurden seine Theaterreformen und viele andere seiner Neuerungen zurückgenommen.« (vgl. Wikipedia)

Fazit:

Mir ist es egal, was Kritikerinnen oder besonders kulturbeflissene Zeitgenossen sagen, für mich ist ein glückliches Ende ein Muss! Alles andere macht mir schlechte Laune – und davon brauch ich definitiv nicht noch mehr!