Carin Müller bloggt ...

Stockholm: Inselliebe & Abba

Blick auf die Inseln Riddarholmen und Gamla Stan in Stockholm

Manche Orte sind ein »once in a lifetime«-Erlebnis, andere kann ich gar nicht oft genug besuchen. Stockholm gehört in die zweite Kategorie. Gerade war ich nach längerer Pause zum vierten Mal da und bin wieder vollkommen verzaubert. Und ich habe in den Tiefen meiner Computer-Daten einen Artikel gefunden, den ich vor ziemlich genau zehn Jahren geschrieben habe und der auch heute noch erstaunlich gut passt. Da Nachhaltigkeit das Prinzip der Stunde ist, werde ich ihn einfach recyceln. Die aktuellen Anmerkungen gibt’s dann am Ende.

Vor zehn Jahren ...

Das »hach, ist das schön hier«-Gefühl setzt bereits beim Landeanflug über die Birkenwälder und Golfplätze ein und verstärkt sich auf der zwanzigminütigen Fahrt mit dem Arlanda Express in die City noch. Das Ziel ist schließlich die auf vierzehn Inseln erbaute Stadt, die trotz der ermüdend häufig gebrauchten Vergleiche zu Venedig keine Sorge um ihre Alleinstellung haben muss. Am Hauptbahnhof steigen wir in die Tunnelbanen (U-Bahn) um und fahren drei Stationen auf die Insel Södermalm, wo wir Quartier auf dem Hotelschiff Rygerfjord beziehen. Die Kabine ist zwar eher simpel, dafür großzügig, günstig und mit sensationellem Blick auf das imposante Stadshuset, in dem die Nobelpreise überreicht werden, dem kleinen Riddarholmen und der pittoresken Altstadt Gamla Stan.

Dorthin führt uns nach etwa zehnminütigem Fußmarsch auch der erste Weg. Im Restaurant »Engelen« testen wir, wie die typische Spezialität Köttbullar außerhalb der Möbelhäuser schmeckt: Nicht viel besser! Wenigstens bieten die feisten Fleischklopse eine gute Unterlage für den höchst mittelprächtigen Rosé und verhindern Schlimmeres. Vielleicht war es aber auch der göttliche Beistand, den wir uns in der Tyska Kyrkan, der deutschen Kirche, holen. Das Barockjuwel mit dem imposanten 96 Meter hohen Turm entdecken wir eher per Zufall, als wir vor dem einsetzenden Regen Zuflucht suchen. Die Kirche ist aber in jedem Fall einen gezielten Besuch wert, auch wenn die gespendeten Kerzen den (Wetter)Gott nicht unmittelbar milde stimmen. Es regnet weiter und so wird aus dem gemütlichen Bummel eher ein hektisches in die Läden und Cafés Gehüpfe. Nachdem wir schließlich resignieren und einen Schirm mit Elchdruck kaufen, hört es zwanzig Minuten später zum Regnen auf. Wir lernen: Kerzen nutzen nix, Schirme schon!

Nachhaltig ist dieser magische Wetterzauber obendrein, denn am nächsten Tag herrscht Kaiserwetter. Perfekte Bedingung also für einen Ausflug nach Drottningholm. An der Anlegestelle der Strömma Kanalbolaget, am Stadshuset gelegen, besteigen wir das historische Dampfschiffchen Prins Carl Philip und schippern eine Stunde lang durch die Insellandschaft des Mälaren-Sees, bis sich das imposante Schloss vor uns aufbaut. In der Ahnengalerie übermannt uns spontane Dankbarkeit dafür, dass dem schwedischen Königshaus schon seit längerem bürgerliches Blut zugeführt wird. Davon hat sicher nicht nur die Optik der Royals profitiert …

Das Schloss, seine Nebengebäude und der Park sind UNESCO Weltkulturerbe und das will natürlich ausführlich gewürdigt werden. Wir schlendern durch den Park mit Wasserspielen und Irrgarten, biegen dann in den etwas wilderen Teil ab und lassen uns auf dem Weg zum Flora Hügel (wo übrigens die königlichen Hunde begraben liegen) von ein paar Mücken zerstechen. Nicht verpassen sollte man das »Kina Slott«, ein kleines Lustschlösschen im asiatischen Stil. Zurück geht es über die Wiesen am Schlosssee, auf denen etliche Familien ihr Sonntagspicknick abhalten. Da wir vor dem Ablegen des nächsten Schiffs noch Zeit haben, überprüfen wir noch das Sortiment des Royal Gift Shops. Dort gibt es viele großartige Dinge zwischen Kitsch und Geschmack. Ich entscheide mich für Ersteres und kaufe ein kleines Strasskrönchen zum Anstecken – mir ist ganz königlich zumute, und schließlich ist der Mann nicht dabei.

Am Abend grooven wir uns auf das nächste Highlight ein. Morgen haben wir Abba-Museum gebucht und deshalb geht’s zum Abendessen ins Hotel Rival. Das gehört Abba-Mitglied Benny und serviert im Bistro eine sehr gepflegte internationale Küche mit schwedischem Touch. Sehr empfehlenswert sind die Heringsvariationen »S.O.S.« und »Wallenbergare«. Letzteres ist ein fluffig zarter Klops aus Kalbshack, serviert mit Kartoffelpüree, Erbsen und Preiselbeeren. Lecker! Und kein Vergleich zu den fiesen Köttbullar.

Die Nacht ist kurz, doch trotzdem stehen wir schon um neun Uhr am Kai von Slussen auf Gamla Stan, um mit der Fähre auf die Insel Djurgården überzusetzen. Dort ist nämlich neben dem Dauer-Rummelplatz »Gröna Lund« und dem »Skansen«, einem riesigen Freilichtmuseum mit Zoo, auch seit Anfang Mai das Abba-Museum untergebracht. Davor steht eine Plakatwand, hinter die sich die herbeiströmenden Fans und Museumsbesucher stellen und als Annifrid, Benny, Björn oder Agnetha posieren. Unbedingt vor dem Museumsbesuch machen, denn da sitzt das Make-up noch tadellos. Danach: eher nicht mehr!

Wir haben nämlich Tickets mit Audio-Guide gebucht und lassen uns von den vier Mitgliedern der Kultband auf sehr persönliche Weise durch die üppige Ausstellung führen. Da bleiben wirklich nicht viele Augen trocken vor Rührung. Die Tränen versiegen allerdings ganz schnell bei den vielen interaktiven Spielereien. Man kann sich als Produzent versuchen, singen, tanzen und als fünftes Abba-Mitglied auf der Bühne performen. Und zuhause kann man sich alles mit einem persönlichen Code von der Museumswebsite downloaden. Sehr hübsch! Natürlich ist getreu dem Hit »Money, Money, Money« auch der Shop nicht sicher vor uns. Aber manche Dinge MÜSSEN einfach sein.

Es muss an ihrem Geburtstag liegen, denn der besten Freundin ist an diesem Tag das Glück weiterhin hold. Zum Abendessen ergattern wir überraschenderweise ohne Reservierung zwei Plätze an der Bar im winzigen italienischen Restaurant »Nostrano«. Das gilt wegen seiner wirklich sensationellen Küche als absoluter Geheimtipp und ist extrem beliebt bei den Södermalmer Bohemians. Als herauskommt, dass wir etwas zu feiern haben, spendiert der Wirt noch zwei Gläser Champagner. Es ist natürlich Ehrensache, dass wir auch am nächsten Abend, nach einer ausgedehnten Shopping-Tour durch Södermalms Boutiquen, Antiquitäten-Läden (bei »Milda Matilda« muss eine grüne Kissen-Eule mit!) und Second-Hand-Shops, wieder im Nostrano essen. Wir wollen hier wirklich nicht mehr weg!

Abba-Museum, Vasa-Museium, Grinda, erschöpfte Autorin, Leuchtturm

Heute ...

Genau zehn Jahre später zum nächsten runden Geburtstag bin ich mit erwähnter Freundin wieder in Stockholm. Diesmal müssen wir auf den flotten Transfer mit dem Arlanda Express verzichten – die Flughafenbahn war kürzlich entgleist und immer noch außer Betrieb. Dafür gondeln wir mit dem Flughafenbus etwas gemütlicher in die Stadt. Wir haben uns wieder für die Insel Södermalm entschieden, logieren diesmal aber sogar im Hotel Rival (unfassbar bequeme Betten, ab einem gewissen Alter werden solche Dinge wichtig ...).

Nach dem obligatorischen ABBA-Museums-Besuch, dessen Ausstellung sich zum zehnjährigen Bestehen noch einmal deutlich erweitert hat, gucken wir uns dieses Mal auch die »Vasa« an, das legendäre und unfassbar imposante Kriegsschiff, das 1628 auf seiner Jungfernfahrt wenige Minuten nach dem Auslaufen gesunken ist. Gut 330 Jahre später wurde das Wrack gehoben und jahrzehntelang restauriert. Seit 1990 kann man es im Museum bewundern. Gänsehaut inklusive.

Drottningholm muss diesmal nicht sein. Dafür flüchten wir vor dem Stockholm-Marathon auf die Schäreninsel Grinda, die unglaublich putziges Bullerbü-Feeling versprüht – ochsenblutrote Hütten, lächelnde Menschen und glückliche Tiere inklusive. Braun gescheckte Ferkel wühlen sich durch ihren großzügigen Auslauf, Schäfchen mähen die Wiese neben einer Koppel mit einer kompletten Rinderfamilie – Mutterkuh mit Kalb, Jungrind vom letzten Jahr und Stier mit dicken ... nun ja. Ein echtes Idyll. Das einzige Hotel hat außerdem eine hübsche Terrasse, auf der man sehr gemütlich lunchen kann – mit Blick auf die Schafe und die glücklichen Kühe.

Das »Nostrano« gibt es übrigens immer noch und hat – oh Wunder – weder an Charme noch an Qualität eingebüßt. Das Geburtstagsdinner ist gerettet. Ob es wieder zehn Jahre dauert, bis zum nächsten Besuch? Wir werden sehen. Ich könnte mir vorstellen, dass es ein schnelleres Wiedersehen gibt, denn da hat sich so eine kleine Romanidee eingenistet, die mehr werden könnte ...