Im Bann der Drachen
22.4.2024
Besgiath War College, Drachen, Drachenreiter, Dragonrider, Flammengeküsst, Fourth Wing, Iron Flame, Rebecca Yarros, Violet, Vorurteile, Xaden
Ich mag keine Drachen! Ich finde sie bestenfalls uninteressant und schlimmstenfalls todlangweilig. Ich mag auch keine High-Fantasy. Und am allerwenigsten mag ich Drachen-Fantasy.
Das gehörte jahrelang zu den unumstößlichen Gewissheiten in meinem Leben. Der einzige Drache, der auf etwas Milde in meinem Herzen hoffen durfte, war Grisu (der sich wünscht, Feuerwehrmann zu werden). Daher ging auch der ganze Fourth-Wing-Iron-Flame-Hype an mir vorbei, der seit Monaten die Bestseller-Listen und die gesamte Buch-Bubble erschüttert. Wobei, das ist auch eine Lüge: Ich habe natürlich arrogant-genervt die Nase darüber gerümpft und überheblich den Kopf geschüttelt.
Bis vor ein paar Wochen die Hosts meines Lieblingspodcasts »eat.READ.Sleep« den ersten Band der sogenannten »Empyrean«-Reihe von Rebecca Yarros in ihrer Bestseller-Challenge lesen mussten. Ich war mir sicher, es würde ein süffiger Verriss folgen, denn dem Vernehmen nach leiden Katharina Mahrenholz und Daniel Kaiser unter einer ähnlichen Drachensperre wie ich.
Doch weit gefehlt. Das Urteil der beiden fiel erstaunlich positiv aus – speziell in Bezug auf die Drachen! What??? Ich konnte es nicht fassen – und sah mich in der Folge gezwungen, mir selbst ein Urteil zu bilden. Da ich mir nicht vorstellen konnte, die ziegelsteinartigen Bücher auf Papier zu lesen, und ich die eBooks absurd teuer fand, habe ich mir den ersten Band als Hörbuch besorgt. Als Gassi-Begleitung würde es wohl gehen. Redete ich mir ein.
Drachen-Scham
Ich hab mir das englischsprachige Original geladen – und konnte die Sprecherin direkt nicht leiden. Sie klang mir zu forciert, zu hektisch, zu dramatisch, einfach in jedem Punkt drüber. Und der Anfang war echt öde und vorhersehbar: Die zwanzigjährige Protagonistin Violet wird von ihrer Mutter dazu gezwungen, sich um einen Platz in der Drachenreiter-Riege des »Besgiath War College« zu bemühen, obwohl sie viel lieber Schriftgelehrte werden würde und überhaupt körperlich gar nicht in der Lage wäre, auf einem Drachen zu reiten. Gähn.
Sie muss sich zunächst einer Dschungelcamp-/Hunger-Games-artigen Herausforderung stellen (bei der schon ein nicht unerheblicher Teil der Aspiranten den frühzeitigen Tod findet) und findet sich dann Auge in Auge mit Xaden, ihrer größten Nemesis, dem Sohn des Rebellenführers, der u.a. den Tod ihres Bruders zu verantworten hat. Sie hasst ihn. Er hasst sie. Gleichzeitig findet sie ihn natürlich total gut und sinniert die folgenden gefühlt fünfhundert Seiten darüber, ob sie ihrer heimlichen Leidenschaft nachgeben kann oder nicht. Gähngähngähn. Er findet sie auch grässlich – schließlich ist sie die Tochter der Generalin, die den Tod seines Vaters ... blablabla. Aber natürlich findet er sie auch irgendwie gut.
So weit, so vorhersehbar, so langweilig. Ich wollte aufhören und hätte es auch getan, wenn ich mich nicht selbst öffentlich in meinem Podcast herausgefordert hätte. Also weiterhören.
Es war sehr schnell klar, wie der Hase läuft. Natürlich wird Violet ihre diversen Nachteile überwinden, natürlich wird sie sich in Xaden verlieben – und er in sie. Und natürlich weiß man sofort, wer zu den Guten gehört und wer zu den Bösen. Oder?
Oder auch nicht. Denn dann kommen endlich die Drachen ins Spiel, die mich im Handumdrehen zum Fan von miesgelaunten, schuppigen Flugechsen gewandelt haben. Und es folgen Plottwists, mit denen ich selbst in meinen kühnsten Vorstellungen nicht gerechnet hatte. Statt mich also von Kapitel zu Kapitel zu quälen, sind die Gassirunden immer länger geworden, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht.
Ich wollte den Roman unbedingt blöd finden. Ich habe mir gewünscht, dass all meine Vorurteile bestätig werden und ich wollte wirklich rasend gerne spitzzüngige Kommentare abgeben. Allein es wollte mir nicht gelingen! Ich habe keine Erklärung dafür, aber ich bin völlig gefesselt. Und ich habe mir den zweiten Teil gesichert, ehe ich mit dem ersten fertig war ... Mehr muss man wohl nicht sagen, oder? Nun scharre ich mit Millionen anderen Fangirls ungeduldig die Hufe und warte auf den dritten Band, der für Januar 2025 angekündigt ist. Noch sooooo lange warten. Puh.
Bonding mit der Nichte
In der Geschichte wählen die Drachen ihre zukünftigen Reiter:innen aus und sobald das geschehen ist, »bonden« die beiden. Sie gehen also eine unverbrüchliche Verbindung miteinander ein. Das ist durchaus berührend, auch witzig und oft genug mit reichlich originellen Komplikationen verbunden.
Ich freue mich derweil über ein eigenes »Bonding«-Erlebnis. Es stellte sich nämlich heraus, dass meine siebzehnjährige Nichte die beiden ersten Bände der Reihe ebenfalls verschlungen hat. »Die besten Bücher, die ich jemals gelesen habe!«, lautet ihr enthusiastisches Urteil. So weit würde ich jetzt nicht gehen, doch sie ist einfach deutlich mehr Zielgruppe als ich. Aber es hat dazu geführt, dass wir irgendwann die komplette Unterhaltung beim großen Familienessen an uns gerissen und nur noch über Violet, Xaden und die Drachen philosophiert haben. Nun warten wir gemeinsam auf den nächsten Band und ich freu mich jetzt schon wahnsinnig darauf, mich wieder mit ihr darüber auszutauschen.
Fourth Wing – Flammengeküsst von Rebecca Yarros
Ein Drache ohne seinen Reiter ist eine Tragödie. Ein Reiter ohne seinen Drachen ist tot.
Violets Traum, Schriftgelehrte am renommierten Basgiath War College zu werden, zerplatzt jäh, als sie als Tochter der Generalin am Auswahlverfahren der Drachenreiter teilnehmen muss. Das erste Jahr wird nicht einmal die Hälfte aller Kadetten überleben, denn Drachen binden keine schwachen Menschen, sie fackeln sie nieder. Die meisten Kadetten würden Violet vermutlich allein aufgrund ihrer Herkunft niederstrecken wollen – besonders Xaden, der mächtigste und skrupelloseste unter den Geschwaderführern. Und ohne Frage auch der attraktivste. Ausgerechnet ihm wird Violet unterstellt. Sie muss jeden Vorteil nutzen, wenn sie überleben will. Denn am Basgiath War College haben alle eine Agenda, egal ob Freund, Feind oder möglicher Geliebter, und es gibt nur zwei Wege hinaus: den Abschluss machen oder sterben.