Carin Müller bloggt ...

Zwischen Faultier und Lama

Und was das alles mit dem Schreiben zu tun hat

Wer meinen Text von letzter Woche gelesen hat, weiß, dass ich manchmal zu kleinen Übersprunghandlungen neige. Da wollte ich eigentlich nur eine kurze Rezension über ein hübsches, kleines Buch schreiben – und es kommt eine schier endlose Schimpftirade über die vertrackten Umstände meines (Berufs-)Lebens heraus. Hoffentlich kann ich dieser Verlockung heute widerstehen, denn natürlich könnte ich mich endlos über die widerwärtige Präsidenten-Karikatur in den Korrupten Staaten und seinen Technomilliardär-Nazi-Berater auslassen, doch das triebe nur wieder meinen Blutdruck in ungesunde Höhen und bringt auch sonst nichts.

Also habe ich recherchiert und dabei herausgefunden, dass heute am 27. Januar nicht nur der Schokoladenkuchentag gefeiert wird (genau wie übrigens der »Bubble Wrap Appreciation Day«, also der Tag zur Anerkennung von Noppenfolie), sondern auch Lamas und Faultiere besondere Aufmerksamkeit bekommen. Ein höchst sympathisches Quartett, wie ich finde. Während ich mich derzeit von Schokokuchen weitgehend fernhalte (leider, aber aus guten Gründen) und den Einsatz der wunderbaren Noppenfolie zumindest in meinem Haushalt minimiere (Plastikmüll), kann ich die beiden Trendtierarten aus vollster Seele unterstützen.

(Video)Therapie mit Lama und Faultier

Ein Faultier zu beobachten ist hierzulande in freier Wildbahn derzeit leider nicht möglich (wer weiß, was der Klimawandel noch bringt), aber man kann sie in diversen Zoos besuchen oder noch einfacher: Faultier-Videos gucken! Die Hashtags #sloth, #slothlove und #slothlife bringen auf den diversen Plattformen zahllose süße Videos hervor. Entschleunigung pur, wenn man einem Faultier beim Fressen zuschaut. Es gibt übrigens sieben Arten von Faultieren, die sich auf die Gattungen Zweifinger- und Dreifingerfaultiere aufteilen. Sie gehören zur Ordnung der zahnarmen Säugetiere und zur Überordnung der Nebengelenktiere. Sagenhaft, oder? Zahnarme Nebengelenktiere! Wer denkt sich so etwas aus?

Während die tiefenentspannten Faulis (Scotty hat ein Plüsch-Faultier, das auf diesen einfallsreichen Namen hört) Entspannung schenken, schleichen sich Lamas und ihre kleineren Verwandten, die Alpakas, direkt in unsere Herzen. Sie sind aber auch zu putzig. Außerdem machen sie praktisch sofort gute Laune. Wer kann beim Anblick eines großäugigen, wolligen Lamas noch mürrisch bleiben? Eben. Der Vorteil von Lamas ist, dass sie anders als die Faultiere auch in unseren Breiten vorkommen und inzwischen gefühlt in jedem Landkreis als flauschige Wanderkameraden bereitstehen. Eine Aktivität, die ich übrigens dringend empfehlen kann.

In meinen Büchern habe ich ja eigentlich immer ein paar lustige oder süße Tiere als Nebenfiguren. In Kirkby lebt beispielsweise inzwischen eine formidable Alpakaherde. Faultiere dagegen könnten herausfordernd werden, wobei mir der Titel »Der Faultierflüsterer von Kirkby« ausgesprochen gut gefällt …

Life-Hacks für Autor*innen

Während in den Korrupten Staaten jede Form von Diversität per Dekret abgeschafft wurde, merke ich, wie sich in meinem Umfeld eine Gegenbewegung formiert. Kolleginnen, die mich bis vor einigen Monaten noch am liebsten mit bösen Blicken an die Wand genagelt hätten, wenn ich gegendert habe, rufen nun zu Inklusion und Vielfalt in ihren Geschichten auf. Finde ich natürlich super und da bin ich ganz vorne mit dabei.

Allerdings helfen gute Gedanken auch nicht weiter, wenn man gerade in seinem Manuskript feststeckt. Dass dieses Phänomen geschätzt 98 % aller Autor*innen regelmäßig betrifft, ist mir zwar nicht wirklich neu, wohl aber sinnvolle Strategien, wie man diesem Dilemma am besten begegnet. Am vorvergangenen Wochenende war ich bei der zweiten »RomCon« in Mannheim, einer dreitägigen Konferenz für Liebesromanautorinnen (der eine Mann im Teilnehmerinnenfeld darf sich inkludiert fühlen).

Eine der Referentinnen war die von mir seit Jahren sehr geschätzte Becca Syme, eine amerikanische (»My country is a total shit show right now!«) Autorin. Becca coacht seit vielen Jahren Kolleginnen und Kollegen nach der Clifton-Strengths-Methode. Diesen Test habe ich vor fünf Jahren gemacht, konnte mit den Ergebnissen aber offengestanden nicht allzu viel anfangen. Nun habe ich unter anderem gelernt, dass meine Nummer-1-Stärke »Strategie« zwar richtig toll klingt, aber auch fiese Tücken aufweist. Strategen sind nämlich häufig der Meinung, alles besser zu wissen und kommen gar nicht auf die Idee, dass sie a) ein Problem haben und b) jemanden dabei um Hilfe bitten könnten. Wenn sie dann c) jedoch tatsächlich mal um Rat bei jemandem fragen, schmettern sie jeden, also wirklich JEDEN Vorschlag des Gegenübers ungehalten ab, weil sie es ja selbst am besten wissen. Immerhin fällt ihnen bei diesem Prozess häufig tatsächlich selbst eine gute Lösung ein. Nett ist das Verhalten aber nicht. *räusper* Ich will nicht sagen, dass ich mich ertappt gefühlt habe … Halt, nein: Genau das will ich sagen! Also will ich zukünftig um Hilfe bitten. Also jedenfalls dann, wenn mir klar ist, dass ich ein Problem habe. Und in diesen raren Fällen werde ich die bedauernswerten Menschen schon vorher um Verzeihung bitten.

Außerdem habe ich ab Februar ein »Strengths-Coaching« gebucht und bin schon sehr gespannt, zu welchen bahnbrechenden Erkenntnissen es mich führen wird …

Becca Syme hatte aber auch einen tollen Vorschlag für alle Autor*innen, die in ihren Texten feststecken: »Öffne dein Manuskript und stell dir die Frage: Kann ich den nächsten Satz schreiben?« Also wirklich nur einen Satz. Die Antwort wird fast immer »ja« lauten und nach diesem Satz kann man die Frage einfach so lange wiederholen, bis die Flaute überstanden ist oder sogar ENDE unterm Text steht. Sollte die Antwort mal »nein« lauten, dann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem man sich Hilfe suchen oder wenigstens noch einmal gründlich über alles nachdenken sollte.

Das klingt unfassbar banal und natürlich war meine erste Reaktion, es als Quatsch abzutun. Doch weil die Versuchsanordnung simpel ist, habe ich es gleich mit meinem aktuellen Kirkby-Manuskript ausprobiert. Jenem, das ich letzten Dezember begonnen habe und das dann erst urlaubs- und dann umständebedingt unter die Räder kam. Und was soll ich sagen? Es funktioniert sensationell!

Vermutlich kann man diese Frage auch auf fast alle anderen Dinge des Lebens anwenden: »Kann ich die Spülmaschine ausräumen?« »Schaffe ich es, die Wäsche in den Trockner zu stecken?« »Bin ich für die Demokratie?« »Hoffe ich, dass Faultiere in Mitteleuropa niemals heimisch werden?« Lautet die Antwort ja, ist die Umsetzung ganz leicht.