Carin Müller bloggt ...

Aua! Ein Überlebensversuch.

Buchbesprechung von Axel Hacke - Aua!

Mitte Dezember letzten Jahres waren wir mal wieder auf einer Lesung. Mein Lieblingskolumnist Axel Hacke las im Frankfurter Schauspiel aus seinem aktuellen Buch »Aua! Die Geschichte meines Körpers«. Auch wenn Hacke dezidiert behauptet, es drehe sich darin allein um die Besonderheiten, Merkwürdigkeiten und Gebrechen seines Leibes, ist in den fünfzehn Kapiteln (Haut, Gedächtnis, Knochen, Ohr, Zeigefinger, Zähne, Bauch, Darm, Lunge, Knie, Nase, Penis, Fuß, Gehirn und Herz) doch vor allem die Geschichte seines Lebens verpackt. Allerdings erheblich origineller verpackt als eine herkömmliche Autobiografie.

Dass ich heute über dieses Buch schreibe – just nach meiner Klage von letzter Woche – hat einen Grund: Ich kam nicht zum eigentlich geplanten Artikel. Genauer gesagt kam ich nicht einmal dazu, mir über einen substanziellen Text Gedanken zu machen. Das noch junge Jahr 2025 war nämlich offensichtlich mit dem Vorsatz angetreten, mir zu beweisen, was eine Harke ist.

Bewusst habe ich mir keine »guten Vorsätze« vorgenommen, die ich ja erfahrungsgemäß doch nicht einhalte. Stattdessen wollte ich das Jahr bewusst »ruhig angehen« und mir lediglich »überschaubare Aufgaben« stellen. Der Start war super. Ich habe das neue Jahr nämlich begonnen, wie ich das letzte beschlossen habe: mit Urlaub. Und konsequentem (einkalkuliertem!) Nichtstun.

Pläne? Nicht mit mir, sagt 2025!

Meine erste Arbeitswoche begann am 6. Januar mit überschaubaren To-Dos auf meiner Liste: neben vermeintlichem Kleinkram lediglich zarte 1500 Wörter (also etwa 5–6 Seiten) am neuen Kirkby-Roman schreiben. Dito am Dienstag, den 7. Januar, dito am Mittwoch, den 8. Januar, dito am Donnerstag, den 9. Januar, dito am Freitag, den 10. Januar. Das sah in der Theorie mehr als nur machbar aus. Zum Hintergrund: Normalerweise schreibe ich in Schreibphasen täglich relativ entspannt 3000 Wörter UND habe dann noch Zeit für andere Dinge.

Blöderweise war der scheinbare Kleinkram verdammt komplex und zeitaufwendig. Immer donnerstags steht im Kalender die Aufgabe »Blogartikel für nächsten Montag schreiben« und alle zwei Wochen will ich einen möglichst unterhaltsamen Newsletter fabrizieren. Und es kamen noch völlig ungeplante, aber wichtige Aufgaben dazu: Korrekturhören von Hörbuch-Aufnahmen (zehn Stunden sind einfach zehn Stunden) beispielsweise oder Fragen der externen Lektorin des Geheimprojekts beantworten. Am Donnerstag also hatte ich mittags exakt NULL Wörter für den nächsten Kirkby-Roman geschrieben (statt der bis dahin geplanten 6000), aber dafür den Pitch für eine mögliche neue Buchreihe an meine Agentin gemailt. Der Plan war, jetzt »nur noch schnell« den Blogartikel zu texten und dann endlich ans Manuskript zu gehen.

Doch dann kam nach nicht einmal einer Stunde die Antwort der Agentin: »Finde ich super, jetzt brauch ich aber noch eine Leseprobe. 50–70 Seiten. Bevorzugt vorgestern!« Uff.

Normalerweise läuft es so: Ich maile der Agentin, frage nach ca. drei Wochen nach, ob sie schon einen Blick auf meine Idee werfen konnte. »Ja, aber da musst du noch einmal grundlegende Dinge ändern.« Oder (noch häufiger): »Sorry, bin noch nicht dazu gekommen, melde mich bald.«

Jetzt will ich mich sicher nicht beklagen, dass sie die Idee cool findet. Ist sie ja auch. Und natürlich will ich, dass sie eine gute Heimat findet. Bald im Idealfall. Also muss Kirkby warten und stattdessen die Leseprobe geschrieben werden. 50–70 Seiten entsprechen etwa maximal 15.000 Wörtern, also einer Arbeitswoche von mir in Normalform. Piece of cake.

Am Freitag starte ich also mit der Geschichte und stelle fest, dass sie nicht nur sehr cool, sondern auch extrem rechercheintensiv ist. Und zwar in allen denkbaren Aspekten. Handlungsort, Berufe der Protagonisten, Besonderheit der Heldin. Klingt alles toll (in der Theorie), faktisch habe ich keine Ahnung von diesen Dingen. Im Sinne von: GAR keine Ahnung. Augen auf bei der Berufswahl, kann ich da nur sagen. Also bei meiner … Trotzdem schaffe ich an diesem Tag 2000 Wörter. Yeah.

»Katastrophe? Nein, Mittwoch!«

Die nächste Woche geht genauso weiter. Die Kirkby-Protagonisten sind sauer, weil ich sie um eine weitere Woche hängen lasse. Mindestens. Soll ich die Lektorin schon vorwarnen, dass ich den geplanten Termin im März nicht schaffe? Nö. Wird schon irgendwie gehen und schließlich habe ich ja auf keinen spezifischen Tag im März festgelegt. Am Montag schreibe ich 4000 Wörter an der Leseprobe und weiß jetzt ziemlich viel über eben erwähnten Handlungsort, die sehr spannenden Berufe und die Herausforderung meiner Heldin. Außerdem fällt mir ein, dass ich am Mittwoch (also in zwei Tagen) eine Buchveröffentlichung habe. »California Roomies – Sunset Kisses« ist der erste Teil meiner wiederveröffentlichten ehemaligen »Hot Chocolate«-Reihe. Problem: Die Reihe spielt in Los Angeles und in der Handlung »knistert und lodert die Lust«. Wäre allerdings im höchsten Maße geschmacklos, das Buch so zu bewerben, weil ja im wahren Leben gerade verheerende Feuersbrünste rund um L. A. lodern und knistern. Also formuliere ich die Passage im Newsletter bewusst zahm. Den Taschenbuch-Link kann ich sowieso nicht einfügen, weil das Taschenbuch (obwohl seit dem vergangenen Donnerstag ins System eingespeist) noch nirgendwo gelistet ist.

Am Dienstag treffe ich mich wie immer dienstags mit meiner Lieblingskollegin G. zum Frühstück. G. hat Geburtstag und auch sonst einiges zu beklagen. Immerhin habe ich davor schon 1000 Wörter geschrieben. Zu G.s Geburtstag will sich auch Kollegin K. gesellen. Was sich günstig trifft, denn G., K. und ich haben eine große Sache vor, die man ja auch mal von Angesicht zu Angesicht besprechen könnte. Allerdings ist die Zeit von K.s Eintreffen unklar (sie ist mit dem Zug unterwegs). Ich gehe also nach dem Frühstück wieder nach Hause, um weiterzuschreiben, nur um nach wenigen Minuten von G. alarmiert zu werden, dass K. nun doch schon da sei. Zwischendurch beantworte ich noch wichtige Fragen meiner Lektorin des Geheimprojekts. Also zurück ins Café. Sehr produktives Brainstorming. Leider auch ausschweifend. Ich muss heim. Zum Schreiben ist es zu spät, denn nun steht die Podcastaufnahme mit C. an, der übrigens auch bei der großen Sache von G., K. und mir mitmachen wird.

Mittwoch frühmorgens beim Gassi werden mir zwei Dinge klar: 1. Ich muss 2000 Wörter vom Vortag aufholen und idealerweise noch einmal so viele schreiben, um die Leseprobe hinzukriegen. 2. Ich muss die Hörbuchsprecherin von »Highland Crime – Die tote Tänzerin« (ja, das wird gerade vertont!!) darauf hinweisen, dass sie ihre Szene aus Kapitel 3 »Schmetterlingsgetöse« vergessen hat, sondern gleich mit Kapitel 4 weitergemacht hat.

Punkt 2 erledige ich sofort, geht ja schnell und kann nur ein Versehen von ihr gewesen sein. Sie meldet sich binnen Minuten: »Ich lese gerade nicht vom vorbereiteten Word-Manuskript, sondern vom eBook auf dem Kindle. Da gibt es dieses Kapitel nicht.«
Ich: WAS? Das kann nicht sein! Überprüfe das natürlich sofort, nur um festzustellen, dass es tatsächlich so ist! Die eBook-Version des Romans war fast anderthalb Jahre OHNE Kapitel 3 auf dem Markt – und niemandem ist was aufgefallen!

Kann man um halb zehn schon einen Schnaps trinken?

Ich suche und finde die Original-eBook-Satz-Datei und überprüfe sie. Da ist das Kapitel drin. Allerdings fällt mir dann ein, dass ich diesen eBook-Satz mit einem Programm gemacht habe, das ein für die Tolino-Allianz inkompatibles Format ausgespuckt hat. Beim Umformatieren muss »Schmetterlingsgetöse« unbemerkt den Abflug gemacht haben. Blutdruck. Ich habe Blutdruck!

Also setze ich das eBook noch einmal komplett neu – mit dem Programm, das ich mir etwa zwei Wochen nach der Fertigstellung der toten Tänzerin angeschafft habe … – und lade es in allen Shops neu hoch. Solltest du »Die tote Tänzerin« auf deinem Lesegerät haben, dann mach bitte ein Update. Dann solltest du die vollständige Ausgabe bekommen. Sorry dafür.

Inzwischen ist der Vormittag weit fortgeschritten und ICH MUSS SCHREIBEN. Also schreibe ich. Nach ungefähr 1000 Wörtern (immerhin) fällt mir ein: »Oh, ich habe ja heute Veröffentlichung vom Flächenbrand! Hm?« Ich beschließe, es auf den einen Social-Media-Post bewenden zu lassen, obwohl inzwischen auch die Taschenbücher bei mir angekommen sind (und Scotty die Zustellerin wieder mit dem Tode bedroht hat).

Ich mache kurz Mittagspause und lüfte den Hund. Dann schreibe ich weiter. Nach weiteren rund 1500 Wörtern (immerhin) fällt mir ein: »Oh, ich habe ja am 24. Januar Veröffentlichung meines ersten englischen Kirkby-Romans! Habe ich mich da eigentlich schon um das Taschenbuch gekümmert?« Nein, hab ich nicht. Also werfe ich erneut das geniale Buchsatzprogramm an – das E-Book hatte ich schon, da war nicht mehr viel hinzuzufügen – und terrorisiere anschließend meine arme Cover-Designerin mit der Ansage: »Ich brauche den fertigen Umschlag in zwei Formaten bis allerspätestens Samstag.« Sie verspricht es mir bis zum nächsten Tag. Danke!

Inzwischen ist es später Nachmittag und ich habe Magenkrämpfe, die an der vielen Rohkost vom Mittagessen und dem gefühlten Liter Kaffee liegen könnten. Oder an dem weitgehend selbstverursachten Chaos.

D-Day!

Donnerstag. Die Dramen des Mittwochs sind vergessen und ich beschließe, dass die Leseprobe eigentlich auch nur 12.500 Wörter lang sein muss. Ich stehe aktuell bei 9500. Fehlen nur noch 3000. Blöderweise muss ich als erste Amtshandlung des Tages fast 1000 löschen. Ich schreibe also los. Dann mailt mir die wunderbare Grafikerin die Umschläge für das Taschenbuch und ich lade sie in die Shops hoch – geht erstaunlicherweise ohne weitere Katastrophen ab. Ich schreibe weiter.

Dann kommt eine Mail der externen Redakteurin des Geheimprojekts. Sie ist fertig und jetzt müsste ich wieder übernehmen. Drei Stellen erfordern meine besondere Aufmerksamkeit und jeweils noch den ein oder anderen Absatz Text. Den Rest müsste ich »einfach nur noch einmal durchlesen« und ihre Vorschläge annehmen oder abwürgen. Einfach nur … Ich weine innerlich und schreibe der Verlagslektorin, WIE schnell das alles passieren muss, denn ab Freitag (also morgen) bin ich bis einschließlich Sonntag auf einer Konferenz und eigentlich habe ich nächste Woche auch keine Zeit. Ich bekomme Schonfrist bis Ende Januar. Ein Glück. Allerdings auch nachvollziehbar, denn das Buch erscheint ohnehin erst irgendwann 2026.

Zwischendurch muss ich verhindern, dass Scotty einen nervtötenden Spitz und eine unschuldige Passantin killt, die sich nach dem Weg erkundigt. Man sagt doch, dass man den Hund bekommt, den man verdient … Darüber möchte ich nicht nachdenken.

Inzwischen ist es 15 Uhr. Ich müsste auch noch ein paar Sachen für die Konferenz morgen vorbereiten. Packen wäre auch eine Idee. Und dann stelle ich fest, dass ich ja auch DRINGEND diesen Artikel für meinen Blog schreiben muss. Doch worüber bloß?

Aua! Die Geschichte meines Körpers

Mein Eindruck: Ein sehr schönes kleines Buch, das in amüsant-klugen Anekdoten über die größeren und kleineren, die eingebildeten und tatsächlichen Blessuren eines angejahrten männlichen Körpers, in Wahrheit die Geschichte eines gleichermaßen normalen und liebevoll-ironisch selbstreflektierten Lebens erzählt. Ich bin begeistert. Vor allem von der Hörbuch-Version, vom Autor selbst gesprochen.

Ehrlich, damit wäre es doch getan gewesen, oder?

Stattdessen habe ich in der letzten Stunde einen Text mit knapp 2000 Wörtern in die Tasten gehackt. Einen Stundenschnitt, den ich beim Romane- oder Leseprobenschreiben nie schaffe. Eine Schande, oder? Aua!

Aua! Die Geschichte meines Körpers

Wie ist es, seit fünfzig Jahren mit einem Pfeifton im Ohr zu leben? Und: Woher kommt er überhaupt? Wie kann eine Einladung zum »Literarischen Quartett« zu einer Knieverletzung führen? Wie bricht man sich beim Meditieren einen Knochen? Axel Hacke weiß es und erzählt in diesem Buch die Geschichte und Geschichten seines eigenen Körpers, vom Standpunkt eines Mannes in der zweiten Hälfte der Sechziger aus gesehen: Es geht um die Gebrechen, aber auch um die Triumphe des Körpers und um das große, nie nachlassende Staunen über das Funktionieren desselben. Axel Hacke sucht nach Antworten auf einige alte Fragen – Habe ich einen Körper oder bin ich mein Körper? Und wem gehört dieser eigentlich? Dem, der drin wohnt? – und gewährt Einblicke in das Banale und das Geheimnisvolle, das Rührende und das Großartige, das Lustige und das Fürchterliche, das Schöne und das Abstoßende seines eigenen Körpers und letztlich unser aller Körper.

PS: Für die Leseprobe fehlen mir immer noch knapp 1500 Wörter. Ich bin zuversichtlich, dass ich die noch schaffe. Wenn nicht noch etwas dazwischenkommt …