Buch-Highlight verzweifelt gesucht

13.1.2025
Booktok, Buch abbrechen, Demon Copperhead, Essen, Frust, Gourmetbuch, Lesefrust, Sex, Drugs & Opera, The Dead Romantics, The Island Swimmer, The Secret Beach
Mit Büchern ist es ja so wie mit Essen. Es gibt fixe Fastfood-Snacks, die schnell satt machen, aber keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Es gibt die solide Hausmannskost, die ein wohliges Gefühl erzeugt. Es gibt verbotene Köstlichkeiten, die man sich nicht allzu oft gönnen kann, weil sie sonst direkt auf der Hüfte landen, und es gibt spektakuläre Gourmet-Menüs, von denen man noch lange träumt.
Mag sein, dass dieser Vergleich für manche etwas seltsam klingt, aber für mich ist Lesen genauso überlebenswichtig wie Essen – und genauso emotional verknüpft. Und so wie ich meinen Körper regelmäßig mit Nahrung füttere, hungert mein Kopf nach Büchern. Seit ich selbst lesen kann (also schon SEHR lange), ist kaum ein Tag vergangen, an dem ich nicht in einem Buch geschmökert habe. Ich kann praktisch nicht einschlafen, ohne vorher wenigstens ein paar Zeilen gelesen zu haben.
Umso unangenehmer, dass ich in meinen ansonsten wunderbar entspannten Weihnachtsferien vier Romanabbrüche hintereinander hatte! DAS ist mir auch noch nie passiert. Ich wollte in den Ferien meinen eBook-SUB (SUB = Stapel ungelesener Bücher) abbauen und habe mir zunächst »Sex, Drugs & Opera« von Roland Orzabal vorgeknöpft.
Flop 1: Sex, Drugs & Opera
Das ist das Buchdebüt des von mir hochverehrten »Tears For Fears«-Masterminds – immerhin schon elf Jahre alt und bislang sein einziger literarischer Ausflug. Die Story: ein mittelalter, etwas abgehalfterter Ex-Popstar aus den 1980er-Jahren wird für ein TV-Format gecastet, in dem Pop-Sternchen zu Opernsängern gepusht werden sollen. Seine Ehe kriselt, die 18-jährige Tochter der Haushälterfamilie ist in ihn verknallt und will ihn verführen. Er nimmt Gesangsstunden bei einem Ü80-Opernstar auf einem zugigen Hausboot in Bath … und mehr kann ich dazu nicht sagen. Es mäandert vor sich hin, es passiert nicht viel und ist handwerklich höchst durchschnittlich. Immerhin habe ich bis 40 % durchgehalten. Die hätte ich mir aber auch sparen können. Learning: Jemand, der brillante Songs und Lyrics schreiben kann, hat nicht unbedingt das Zeug für die Langstrecke.
Flop 2: The Dead Romantics
Dann habe ich mir die inzwischen auf Deutsch übersetzte »Booktok-Sensation« »The Dead Romantics« von Ashley Poston vorgeknöpft. Zum zweiten Mal, denn beim ersten Versuch im Sommer habe ich nach 10 % abgebrochen. Die Protagonistin – Ghostwriterin für eine bekannte Liebesromanautorin – hat eine massive Schreibblockade. Vor allem, weil sie nicht mehr an die Liebe glaubt, seit ihre letzte Beziehung unschön in die Brüche gegangen ist. Blablabla. Kennt man. Muss aber nicht zwangsläufig schlecht sein. Erschwerend hinzu kommt, dass sie mit Geistern kommunizieren kann. Eine Gabe, die sie von ihrem Vater geerbt hat, der ein Bestattungsunternehmen führt. Überschaubarer Gruselfaktor. Dann stirbt jener Vater und sie kehrt in ihr Heimatkaff zur Beerdigung zurück. Sie hofft, dass sie den Geist des Vaters sieht, doch es warten nur ihre sehr lebendige Mutter und ihre Geschwister auf die verlorene Tochter und es wird klar, dass da auch im übertragenen Sinne einige Leichen im Keller liegen. Dann taucht plötzlich doch noch ein Geist auf. Nicht der von Daddy, sondern der des heißen Lektors, mit dem sie am Vorabend noch in einem schummrigen New Yorker Club versehentlich, aber ziemlich heiß geknutscht hat. Dann hatte ich keine Lust mehr. Endgültiger Abbruch nach 25 %.
Flop 3: The Island Swimmer
»The Island Swimmer« von Lorraine Kelly klang vielversprechend: toller Schauplatz (die Orkney-Inseln in Schottland), Schwimmen im kalten Wasser (fasziniert mich unglaublich, abstrakt wenigstens, selbst würde ich es NIE tun), Familiengeheimnis (dafür bin ich immer zu haben). Die Autorin ist eine bekannte schottische TV-Moderatorin und dieser Roman ist ihr Debüt – wurde aber von Autorinnen, die ich sehr schätze, über den grünen Klee gelobt. Was kann da schon schiefgehen? Viel offensichtlich! Protagonistin Evie kehrt nach 20 Jahren auf die Orkney-Inseln zurück, weil ihr geliebter Vater im Sterben liegt (zu dem sie seit 20 Jahren keinen Kontakt mehr hatte). Tatsächlich ist der alte Mann schon tot, als sie ankommt, und eine Welt bricht für sie zusammen. Es gibt eine bösartige, drogenabhängige ältere Schwester, die Evie erpressen will, eine wohlmeinende 80-jährige Freundin und zahllose kryptische Andeutungen, was vor 20 Jahren geschehen ist. Dazwischen gibt’s ständig mittelinspirierte Rückblenden und oft sehr überraschende Perspektivwechsel – selbst Nebenfiguren dürfen für ein paar Sätze das Geschehen beobachten/kommentieren. Und immer wieder Hinweise darauf, was Evie mit gerade 18 Jahren so Schlimmes verbrochen hat, dass sie die Insel einfach so gen London verlassen hat – wo sie (Spoiler!) auch nicht glücklich war, sondern in einer höchst missbräuchlichen Beziehung gefangen ist. Auch wenn ich sonst immer die Lanze für unsympathische Figuren breche, hier will es mir nicht gelingen. Der Cast ist höchst eindimensional und das ewige Gemunkel von der großen Katastrophe ging mir so auf die Nerven, dass ich bei 29 % abgebrochen habe.
Flop 4: The Secret Beach
Dann also was richtig Fluffiges! Ein Cottage in Cornwall, das man liebevoll renovieren muss, eine Frau in der Mitte des Lebens, die Hochzeitsplanerin ist und eine tolle, nette Familie hat, ein verwitweter sexy Nachbar mit süßem Hund – und natürlich: ein dunkles Geheimnis! Klingt wie ein Selbstläufer, aber nach »The Island Swimmer« waren mir auch in »The Secret Beach« von Veronica Henry die ewigen Andeutungen zu nervig. Und auch hier Rückblende über Rückblende, die im Grunde eine parallele Geschichte erzählen. Klar, ist ein guter Kniff, um Spannung zu erzeugen, in diesem Fall fand ich es handwerklich billig und außerdem hat es mich ständig aus dem Fluss gerissen. Abbruch bei 36 %!
Hoffnungsschimmer: Demon Copperhead
So konnte es also nicht weitergehen! Statt weiter in den Tiefen meines eBook-Readers nach akzeptablem Lesestoff zu suchen, habe ich mir den Hörer-Liebling des Jahres 2024 aus meinem Lieblingspodcast »Eat. Read. Sleep.« vom NDR gegönnt: »Demon Copperhead« von Barbara Kingsolver. Dieses Buch finden offensichtlich ALLE toll – die Moderatoren genau wie die Zuhörerschaft. Ich habe erst angefangen (bin bei 6 %) und bin gespannt, ob ich genauso mitgerissen werde. Drückt mir die Daumen.
Und darum geht es:
Ein Trailer in den Wäldern Virginias, dem Land der Tabakfarmer und Schwarzbrenner, der Hillbilly-Cadillac-Stoßstangenaufkleber an rostigen Pickups. Hier kommt Demon Copperhead zur Welt – die Mutter ist noch ein Teenie und frisch auf Entzug, der Vater tot. Ein Junge mit kupferroten Haaren, großer Klappe und einem zähen Überlebenswillen, bei allem, was das Leben für ihn bereithält: Armut, Pflegefamilien, Drogensucht, erste Liebe und unermesslichen Verlust. Es ist seine Geschichte, erzählt in seinen Worten, unbekümmert, vorwitzig, von übersprudelnder Lebenskraft.
Ein mitreißender Roman über ein Leben auf Messers Schneide, in dem in jedem Moment Hoffnung aufscheint.
Lass uns reden
Hast du einen der erwähnten Romane gelesen? Bist du der Meinung, dass ich einer Geschichte DRINGEND eine weitere Chance geben müsste? Schreib mir eine Mail oder kommentiere unter meinen Social-Media-Posts. Außerdem bin ich immer dankbar für tolle Lesetipps, damit endlich mal wieder ein Lese-Highlight auf den Tisch kommt!