Carin Müller bloggt ...

Anstand, Mitgefühl, Zuversicht

Nach diesen Werten sollte man bei der kommenden Bundestagswahl streben

Am kommenden Sonntag ist Bundestagswahl und ich gestehe, dass ich Angst vor dem Wahlergebnis habe. Vermutlich geht das gerade vielen Menschen in unserem Land so und ich hoffe, dass jeder von ihnen die Chance nutzt und eine gültige Stimme abgibt. Mit Bedacht abgibt, nicht aus akuter Wut oder Verärgerung.

Wenn die beeindruckenden Großdemonstrationen in den letzten paar Wochen eines zeigen, dann, dass sehr viele Leute keine Lust mehr haben, die »schweigende Mehrheit« zu geben, sondern Anstand, Mitgefühl und Zuversicht von der Politik fordern. Doch die meisten Politiker*innen sind aktuell leider sehr weit weg von diesen Werten. Weder verbal noch in Handlungen.

Ausgrenzungen, Hassreden, Lügen, falsche Versprechungen (einfache Lösungen) sind KEINE gute Politik. Ehrlich, denken die Wahlkämpfer*innen wirklich, dass wir alle blöd sind und nicht merken, wie wir manipuliert werden sollen? Oder anders gefragt: Sind viele von uns tatsächlich so naiv, auf diese Sprüche hereinzufallen?

Haltung zeigen

Ich bin bisher sehr gut mit der Prämisse gefahren, dass ich mich nicht dezidiert zu Politik äußere. Ich will niemanden ausgrenzen, nicht vor den Kopf stoßen. Außerdem war ich immer davon überzeugt, dass meine persönlichen Grundwerte – Anstand, Mitgefühl und Zuversicht – in all meinen Geschichten und in vielen meiner Artikel offenbar werden. Manche Dinge muss man nicht aussprechen, sondern einfach leben.

Doch offensichtlich war/bin ich zu subtil. Daher für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: Ich stehe für Demokratie, ich bin für mehr Europa, mir liegen Umwelt- und Klimaschutz am Herzen, ich wünsche mir Freiheit und Frieden für alle, Gleichberechtigung und wahre soziale Gerechtigkeit dürfen keine Worthülsen bleiben – Anstand, Mitgefühl und Zuversicht.

Seit einiger Zeit gibt es in den sozialen Medien die Aktion »Autor*innen gegen rechts«. Viele meiner Kolleg*innen haben sich das Logo mit dem Spruch als Profilbild hochgeladen, manche mit bewegenden Kommentaren dazu. Finde ich gut. Ich hab’s nicht getan (obwohl ich dezidiert die AfD und andere fragwürdige Strömungen ablehne), weil ich nicht GEGEN etwas sein möchte, sondern FÜR Werte stehen möchte. Auf die Gefahr der Wiederholung: Anstand, Mitgefühl und Zuversicht! Das ist meine Form von Haltung zeigen. Zumindest ein Teil davon. Der andere: Ich gehe am Sonntag zur Wahl (genauer gesagt habe ich bereits meine Stimme per Briefwahl abgegeben). Vorher habe ich mich informiert, welche Partei die größte Übereinstimmung mit meiner persönlichen Einstellung hat.

Bitte nutze den Wahl-O-Mat!

Ich halte den Wahl-O-Mat für ein wirklich spannendes und nützliches Tool, das selbstverständlich keine Wahlempfehlung abgibt, aber sehr schön die Übereinstimmung der 29 Parteien, die zur diesjährigen Bundestagswahl antreten, mit der eigenen Einstellung abgleicht.

Spaßeshalber habe ich die beiden Varianten durchexerziert: einmal mit den 6 »großen« Parteien, einmal mit allen 29 Möglichen. In der zweiten Variante war ich von meinen beiden Top-Übereinstimmungen mit 87,5 % ziemlich verblüfft. Mit 85 % Übereinstimmung auf Platz 3 (auf Platz 1 bei der zweiten Version) stand auch die Partei, der ich mich am ehesten verbunden fühle und die mein Kreuzchen bekommt. Ebenfalls beruhigend: auf dem jeweils letzten Platz mit unter 20 % die AfD.

Genauso interessant ist übrigens auch der Real-O-Mat, der aufzeigt, wie die Parteien in der letzten Legislaturperiode abgestimmt haben - und inwieweit sich dieses Abstimmungsverhalten mit den eigenen Vorstellungen deckt. Wörtlich heißt es: »Der Real-O-Mat schaut nicht auf die Wahlversprechen, sondern gleicht das tatsächliche Abstimmungsverhalten der Fraktionen und Gruppen zu aktuellen politischen Themen mit Ihrer persönlichen Position ab. Grundlage sind dabei Anträge und Gesetzentwürfe im Bundestag.«

Du musst nicht meine Meinung und meine Einstellung teilen, aber ich hoffe, wir können uns wenigstens auf den Verbleib der Demokratie einigen. Und vielleicht auf Anstand, Mitgefühl und Zuversicht. Bitte gehe wählen. Danke.

PS: Nächste Woche gibt’s hier einen spannenden Buchvergleich. Zwei aktuelle Giganten (einer preisgekrönt, der andere ein Mega-Bestseller) in der Gegenüberstellung.