Carin Müller bloggt ...

Demon Copperhead vs. Onyx Storm

Barbara Kingsolver: Demon Copperhead, Rebecca Yarros: Onyx Storm

Ein Roman wurde 2024 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet, der andere hat sich in der ersten Woche nach Veröffentlichung 2,75 Millionen Mal verkauft. Allein in den USA. Beide Geschichten haben mich in den letzten Wochen begleitet (die eine vorwiegend im Bett, die andere beim Gassigehen als Hörbuch), und beide haben Emotionen in mir ausgelöst, mit denen ich vorher nicht gerechnet habe. Zwei Romane, die an sehr unterschiedlichen Stellen der literarischen Vielfalt und Erzählkunst angesiedelt sind und dabei genau dieses breite Spektrum abbilden: »Demon Copperhead« von Barbara Kingsolver und »Onyx Storm« von Rebecca Yarros.

Beide Werke entführen die Leserschaft in eigenständige Universen – Kingsolvers Roman überzeugt mit einer sprachgewaltigen, tiefgründigen, sozialkritischen Erzählung, die historische und aktuelle gesellschaftliche Themen verknüpft. Yarros’ Drachen-Epos besticht dagegen durch eine fesselnde Mischung aus Spannung, Romantik, höchst abenteuerlichen Elementen und einer bemerkenswerten Ambivalenz.

American White Trash vs. Drachenmagie & Krieg

Während sich »Demon Copperhead« erschütternd nah an den schmerzhaften Realitäten des ländlichen Amerikas abarbeitet (epidemischer Schmerzmittelmissbrauch, Drogen- und Alkoholkonsum, marodes Pflegefamiliensystem, abgehängte Bildungspolitik), ist »Onyx Storm« in einer ganz eigenen Fantasy-Welt angesiedelt, was die großen Fragen nach Ressourcengerechtigkeit, Frieden und dem Wunsch nach individuellem Wachstum und Liebe jedoch kein bisschen weniger eindringlich darstellt.

»Demon Copperhead« zeichnet sich durch eine detailverliebte, fast malerische Sprache aus, die historische Elemente mit einer modernen Sensibilität verwebt. Kingsolver nutzt einen reichhaltigen, oft poetischen Erzählstil, der den Leser*innen erlaubt, in die atmosphärisch dichte Welt ihrer Protagonist*innen einzutauchen. Im Gegensatz dazu ist »Onyx Storm« vor allem routiniert und im besten Sinne »konsumfreundlich« geschrieben. Der dynamische, direkt zugängliche Tonfall ist von schnellen, kraftvollen Beschreibungen und einem fließenden Rhythmus geprägt. Yarros’ Sprache wirkt dabei besonders lebendig und emotional.

Während »Demon Copperhead« gesellschaftliche Herausforderungen und das Aufwachsen in widrigen, oft komplex verknüpften Lebenswelten in den Mittelpunkt stellt, fokussiert sich »Onyx Storm« auf Themen wie Liebe, Mut und die Suche nach persönlicher Freiheit in einem von haarsträubenden Konflikten geprägten Umfeld. Beide Romane greifen das Streben nach Identität auf – doch während Kingsolver dabei subtil gesellschaftliche und historische Zusammenhänge beleuchtet, lässt Yarros ihre Themen in einer Atmosphäre pulsierender, manchmal nahezu mythischer Dramatik erblühen.

So weit die Theorie. Je mehr ich dazu schreibe, desto klarer wird mir, dass es ziemlicher Quatsch ist, diese beiden Bücher in einen erzwungenen Kontext zu stellen, nur weil ich sie zufällig parallel gehört bzw. gelesen habe. Oder vielleicht auch nicht? Vielleicht erscheint es mir trotz allem relevant, weil mich beide Geschichten aus meiner Komfortzone rausgeholt haben, mich über den Tellerrand haben blicken lassen – und mich beide begeistern konnten.

Fazit

Weder gehören »große amerikanische Gesellschaftsromane« noch »High-Fantasy-Geschichten mit Drachen« zu meinen bevorzugten Genres. Ganz im Gegenteil. Trotzdem bin ich froh, dass ich beide Bücher gelesen habe.

»Demon Copperhead« hat mich sprachlich (ich hab’s im Original gelesen) und vor allem inhaltlich herausgefordert. Die lakonische Lebensgeschichte des jungen Ich-Erzählers hat mich trotz aller Qualen sehr berührt, weil die Hoffnung nie ganz verloren gegangen ist, auch wenn ich mehrfach der Meinung war, dass nun alles in die ultimative Katastrophe abgleitet. Viele Rezensenten sagen, dass ihnen diese Geschichte einen neuen Blick auf die USA geschenkt hätte. Das war bei mir nicht so, allerdings wurden viele unterschwellige Vorurteile schockierend untermauert. Ich mag dieses im Roman beschriebene Land nicht besonders, aber ich liebe die großartigen Künstler*innen, die es (trotz allem) hervorbringt. Für mich ist »Demon Copperhead« ein schmerzhaftes Lesehighlight!

An »Onyx Storm« dagegen hatte ich eine ganz andere Erwartung. Ich wollte vom dritten Teil der auf fünf (?) Bände angelegten Empyrean-Saga vor allem Antworten auf die offenen Fragen aus »Iron Flame« erhalten. Zurückgeblieben bin ich mit noch mehr Fragezeichen. Während ich in »Fourth Wing« (Teil 1) noch ein wenig über die »verbotene Liebe« lächeln konnte und in »Iron Flame« teilweise etwas genervt vom »Ich kann ihn nur lieben, wenn er absolut ehrlich zu mir ist«-Getue war, bin ich jetzt im vollkommen ironiefreien Fangirl-Modus angekommen! Ich liebe den Figuren-Cast – vor allem die Drachen –, die Ambivalenz, dass eben nicht immer klar ist, wer gut und wer böse ist. Ich mag die Entwicklung der Protagonisten und die Prämisse von unverbrüchlicher, loyaler Freundschaft. Und die Drachen! Habe ich die Drachen erwähnt?

Und das sind die Klappentexte

»Demon Copperhead« von Barbara Kingsolver

Ein Trailer in den Wäldern Virginias, dem Land der Tabakfarmer und Schwarzbrenner, der Hillbilly-Cadillac-Stoßstangenaufkleber an rostigen Pickups. Hier kommt Demon Copperhead zur Welt – die Mutter ist noch ein Teenie und frisch auf Entzug, der Vater tot. Ein Junge mit kupferroten Haaren, großer Klappe und einem zähen Überlebenswillen, bei allem, was das Leben für ihn bereithält: Armut, Pflegefamilien, Drogensucht, erste Liebe und unermesslichen Verlust. Es ist seine Geschichte, erzählt in seinen Worten, unbekümmert, vorwitzig, von übersprudelnder Lebenskraft.

Ein mitreißender Roman über ein Leben auf Messers Schneide, in dem in jedem Moment Hoffnung aufscheint.

»Onyx Storm« von Rebecca Yarros

Bist du bereit, der Dunkelheit zu trotzen? Nach fast achtzehn Monaten am Basgiath War College weiß Violet, dass die Zeit für theoretische Übungen vorbei ist. Die Zeit für Unsicherheit ist vorbei. Denn der Krieg hat begonnen und mit Feinden sowohl innerhalb als auch außerhalb der Mauern ist es schwer, zu wissen, wem man vertrauen kann.
Violet muss jenseits des Schutzzaubers in unbekannten Ländern nach Verbündeten suchen. Die Reise wird ihren Verstand, ihre Fähigkeiten und ihr Glück fordern, aber sie wird alles tun, um zu retten, was sie liebt: ihre Drachen, ihre Familie, ihre Heimat – und ihn.
Selbst, wenn es bedeutet, ein Geheimnis zu bewahren, das alles zerstören könnte.
Sie benötigen eine Armee. Sie benötigen Macht. Sie benötigen Magie. Und die eine Sache, die nur Violet finden kann: die Wahrheit. Doch ein Sturm zieht auf … und nicht alle werden seinem Zorn standhalten können.