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Buchtipp: Zum Glück gibt es Umwege

Buchtipp: Zum Glück gibt es Umwege von Graeme Simsion und Anne Buist

Dafür, dass ich nicht religiös bin und obendrein an einer ausgeprägten »Wander-Sperre« leide – freiwillig würde ich keine »Wanderung« unternehmen –, bin ich doch seit Jahren vom Jakobsweg fasziniert. Es fing an mit Hape Kerkelings Buch »Ich bin dann mal weg«, ging über weitere Publikationen aller Art (u.a. einem Bericht über jemanden, der mit einem Esel den Camino bezwungen hat) bis hin zu diversen Podcast-Episoden über den berühmten Pilgerweg.

Letzte Woche habe ich meinen bislang letzten Pilger-Roman gelesen – wenn auch eher zufällig. Kürzlich hatte ich nämlich »Das Rosie Resultat« – den dritten und letzten Teil der »Rosie«-Trilogie – von Graeme Simsion beendet. Ein sehr schöner Abschluss der Reihe, übrigens. Kurz darauf wurde mir vom allwissenden Algorithmus ein weiterer Titel des Autors angeboten: »Two Steps Forward«

Diese Geschichte, die in der deutschen Übersetzung »Zum Glück gibt es Umwege« heißt, hat er zusammen mit seiner Ehefrau, der Psychologin Anne Buist geschrieben. Es geht um die Amerikanerin Zoe, die sich nach dem unerwarteten Tod ihres Ehemanns von Grund auf neu sortieren muss und um den Engländer Martin, der sich mit einem selbstgebauten Karren seine Nützlichkeit beweisen, vor allem aber seine schmutzige Scheidung verkraften will. Beide brechen zufällig zur gleichen Zeit im französischen Cluny auf, begegnen und verlieren sich auf dem langen Weg aber immer wieder.

Im Grunde werden zwei völlig separate Geschichen erzählt. Buist knöpft sich Zoe vor, bei der Herz, Hirn und Seele zunächst auf völlig unterschiedlichen Geisen fahren. Simsion verleiht Martin seine Stimme. Als Leser wartet man regelrecht drauf, Don Tillman zu hören, den Protagonisten der Rosie-Reihe. Doch Martin ist ein ganz anderer Typ als Don, auch wenn sie beide über einen recht interessanten Humor verfügen.

Der kapitelweise Perspektivwechsel zwischen den Protagonisten und den Erzählstimmen, gibt dem Roman einen ganz besonderen Rhythmus und weitet beim Lesen den eigenen Horizont. Zumindest bei mir hat es sich so angefühlt. Eine ziemlich unwiderstehliche Mischung aus Psychogram, Kammerspiel, Reiseführer und zarter Romanze, von der man bis zum Schluss nicht sicher ist, ob sie gut ausgeht.

Allerdings muss ich zugeben, dass mich Titel und Klappentext der deutschen Fassung niemals zum Kauf und zum Lesen gebracht hätten. Eine Aneinanderreihung hohler Plattitüden, wie sie leider seit einiger Zeit in der hiesigen Verlagslandschaft so in Mode sind:

Umwege erhöhen die Ortskenntnis. Hinreißend witzig: zwei unwiderstehliche Helden auf dem Jakobsweg.
Zoe, Künstlerin und Yoga-Expertin, flüchtet aus Kalifornien nach Frankreich. Martin, Technikfreak aus England, will den von ihm entwickelten Wanderkarren für Rückengeschädigte einem Praxistest unterziehen. Als sie sich auf dem Jakobsweg begegnen, sind sie erstmal ganz schön genervt voneinander. Aber schräge Reisegefährten, Wetter- und Seelenkatastrophen, die Kapriolen des Wanderkarrens schweißen zusammen. Werden Martin und Zoe, grundverschieden wie sie sind, auf dem Camino einen gemeinsamen Weg finden? Ein Roman über Neuanfang und Sinnsuche, übers Wandern und Zu sich selbst finden und darüber, wie wir mit einem Lächeln Erfüllung finden.

Wenn man sich davon nicht abschrecken lässt, dann bietet »Zum Glück gibt es Umwege« ganz wunderbare Lesestunden.

In mir arbeitet es schon wieder. Am liebsten würde ich mich selbst auf den Weg machen. Aber natürlich würde ich es weder Wandern, noch Pilgern nennen ...