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Buchtipp: Ein unmögliches Leben

Buchtipp von Dame Stephanie Shirley: Ein unmögliches Leben

Ich gebe zu, die Namen Stephanie Shirley oder auch Steve Shirley sagten mir nichts. Dass es sich dabei um ein und dieselbe Frau handelt, die 1933 als Vera Buchthal in Dortmund geboren wurde und später eine der erfolgreichsten Software-Unternehmerinnen Großbritanniens werden sollte, trug auch nicht zur Klarheit bei. Doch als in einer Episode des Podcasts Long Story Short Shirleys Biografie »Ein unmögliches Leben« vorgestellt wurde, wusste ich: Das ist ein Buch für mich!

Es ist eine fast märchenhafte Geschichte, wie die fünfjährige Vera 1938 zusammen mit ihrer älteren Schwester Renate in einem Kindertransportzug aus Nazi-Deutschland nach Großbritannien fliehen konnte und in ihrer neuen Heimat eine außergewöhnliche Karriere begann. Mit achtzehn Jahren ließ sie sich einbürgern, nannte sich von da an Stephanie Brooks, um den Makel behafteten Status des deutschen Flüchtlingskindes abzustreifen. Sie fand eine Stelle bei der Post in der Computerentwicklungsabteilung und machte im Abendstudium erst ihren Bachelor, später noch ihren Master in Mathematik. Dann heiratete sie Derek Shirley und gründete 1962, als sie mit ihrem Sohn schwanger wurde, ihr eigenes Software-Unternehmen.

Feministische Vordenkerin aus der Not heraus

Das ist die ultrakurz zusammengefasste Geschichte ihrer frühen Jahre, die schon abenteuerlich genug klingt, doch auf der Langstrecke wird es noch viel spannender. Es ist beklemmend zu lesen, mit wie viel Vorurteilen sie zu kämpfen hatte. Die Computerbranche steckte in den 1950er- und 60er-Jahren noch in den Kinderschuhen, aber Frauen gab es »natürlich« kaum welche. Die wenigen waren spätestens dann ihre Jobs los, wenn sie heiraten und Kinder bekamen.

Stephanie Shirly konnte und wollte nicht akzeptieren, dass ihr Geschlecht und die Tatsache, dass sie Mutter wurde, ihre Karrierechancen schmälern sollten. Also ging sie – ziemlich blauäugig und nativ, wie sie selbst sagt – den steinigen Weg ins Unternehmertum. Da Männer nicht für sie arbeiten wollten, baute sie sich ein Netzwerk aus Programmiererinnen auf, die, wie sie selbst, projektbezogen und freiberuflich tätig blieben. »Freelance Programmers« war geboren und bot Frauen die Möglichkeit, qualifizierte Berufstätigkeit und Familie miteinander zu verknüpfen.

Rück- und Tiefschläge

Wie in jedem guten Märchen muss aber auch Stephanie Shirley harte Schläge einstecken. Das Geschäft läuft zunächst schleppend, weil Männer nicht nur nicht für eine Frau arbeiten wollten, noch weniger wollten männlich dominierte Unternehmen Aufträge an eine Frau herausgeben. Das änderte sich erst, als sie begann, ihre Angebote mit »Steve« zu unterschreiben.

Privat bereitete ihr Sohn Giles große Sorgen. Bei dem Jungen wurde eine schwere Form des Autismus diagnostiziert, die spätestens mit Einsetzen der Pubertät zur krassesten psychischen und physischen Belastungsprobe für die ganze Familie wurde und schließlich auch zum kompletten Zusammenbruch von Stephanie Shirley führte. Mir läuft es immer noch eiskalt den Rücken herunter, wenn ich an diese eindringlich geschilderten Passagen denke.

Inspirierende Mutmachlektüre

Stephanie Shirley, später von der mit dem »Order of the British Empire« ausgezeichnet und in den Adelsstand erhoben, blickt auf eine außergewöhnliche Lebensgeschichte zurück, die inspiriert und Mut macht, gerade in Zeiten des (Selbst)zweifels. Das Buch liest sich locker und spannend wie ein Roman.

Klare Leseempfehlung für Träumer und Zweifler jeden Geschlechts und Alters!

Klappentext:

Dame Stephanie Shirly: Ein unmögliches Leben

Als eine der ersten Frauen weltweit gründet Stephanie Shirley 1962 in ihrem Wohnzimmer eine Softwarefirma, lange bevor Computerprogramme alltäglich wurden. Mit der Idee Software zu verkaufen, ging sie neue Wege. Doch niemand reagiert auf ihre Angebote - weil sie eine Frau ist. Sie wird verspottet und ausgelacht. Erst als sie ihre Briefe mit ›Steve‹ unterschreibt, erhält sie nach und nach gewinnbringende Aufträge. Die Firma, in der sie nur Frauen anstellt, floriert bald und ermächtigt eine ganze Generation Programmiererinnen in einer Männerdomäne. Ihre Biografie erzählt eindrucksvoll vom steinigen Weg zum Erfolg, ihrem Kreuzzug für die Frauen und gibt auch sehr persönliche Einblicke in ihr Leben: in ihre Flucht im Zweiten Weltkrieg mit dem jüdischen Kindertansport von Wien nach England, in ihre Familiengeschichte und in den tragischen Verlust ihres autistischen Sohnes Giles. Eine inspirierende Geschichte über eine außergewöhnliche Frau!

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