Carin Müller bloggt ...

Insomnia

Was tun bei Schlaflosigkeit?

»Hast du gut geschlafen?« Diese unschuldige Frage lässt mich oft genug mit den Zähnen knirschen. Wenn es gut läuft. Wenn es schlecht (für den Fragenden) läuft, blaffe ich unwirsch: »Sehe ich so aus?« Oder auch: »Hast du einen Todeswunsch?« Dass das einem harmonischen Familienleben nicht wirklich zuträglich ist, versteht sich von alleine. Glücklicherweise weiß der Fragende aus langjähriger Erfahrung, dass man Wortäußerungen meinerseits vor neun Uhr morgens selbst dann nicht überbewerten darf, wenn ich topfit und ausgeschlafen bin. Allein das kommt zur Zeit kaum vor.

Schlaf wird überbewertet!?

Napoleon und Bill Clinton kamen angeblich mit vier Stunden Schlaf pro Nacht aus. So gesehen hätte ich das beste Handwerkszeug für eine erfolgreiche, wenn auch methodisch oft fragwürdige Politikerinnen-Karriere. Die ich nicht anstrebe, nur um das gleich mal klarzustellen. Es gibt aber neben diesen Alphamännchen reichlich andere Leute, die Schlaf für überbewertet halten und propagieren, dass (wahlweise) besonders effiziente, kreative, fokussierte, erfolgreiche, rücksichtslose, durchsetzungsstarke Menschen nur wenig Schlaf brauchen – und dass nur antriebsarme, faule Schluffis sieben oder mehr Stunden pennen.

Auf der anderen Seite gibt es die Fraktion (vor die der allem Schlafforscher*innen), die eine angemessen lange Nachtruhe für überlebenswichtig halten. Guter Schlaf macht schlau, schlank und ausgeglichen. Schlechter (zu wenig) Schlaf macht uns dagegen unkonzentriert, aggro und übergewichtig. Was ich tendenziell bestätigen kann ... zumindest die negativen Auswirkungen.

Zwischen diesen doch sehr unterschiedlichen Standpunkten bleibt reichlich Platz für Verunsicherung und Verwirrung. Will ich eine alerte, durchgeknallte High-Performerin sein oder lieber eine schlanke, ausgeglichene Intelligenzbestie? Faktisch bin ich häufig ein moppeliger, übelgelaunter Schluff. Und während ich versuche, mich in diesen Widersprüchen einzuordnen, verkrampfen sich meine Gehirnwindungen und sorgen dafür, dass ich noch schlechter schlafe.

Gute (Rat)Schläge

Es hilft mir nämlich gar nichts, zu wissen, dass ausreichender Schlaf wichtig für meine Gesundheit wäre (und die meiner unmittelbaren Umgebung). Ich weiß es ja! Nur interessiert es meinen aufgeregten Geist einen Scheißdreck, wenn er nachts zwischen drei und vier meinen erschlafften Körper alarmiert und beschließt, dass das komplette System Mensch jetzt bitte schön wach zu sein hat. Könnte mein Gehirn seine sinnlosen Grübeleien nicht einfach ins Unterbewusstsein (meinetwegen auch ins Reich der Träume) verlagern und den Rest von uns friedlich schlummern lassen? Offenbar nein. Er fordert die Beteiligung und die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Materie.

Ich weiß, wie sinn- und fruchtlos Grübeleien um diese Zeit sind – daher habe ich mir (erfolgreich) angewöhnt, nicht mehr über echte Sorgen nachzudenken. Aber auch Banalitäten wie »Soll ich die Terrasse kärchern?« oder »Macht es Sinn, das Angebot der Druckerei für ein Buch zu sichern, das noch nicht einmal fertig ist?« oder »Haben wir eigentlich noch Trockenhefe im Haus?« haben das Zeug, mich wach zu halten. Deshalb lese ich dann in der Regel. Inzwischen liegt meine Hauptlesezeit in den frühen Morgenstunden, denn vorm Einschlafen komme ich meist nicht weit. Da bin ich so müde, dass ich nach wenigen Minuten problemlos ins Reich der Träume gleite.

Ich versuche es vergeblich mit Atem- und Entspannungsübungen, mit Rückwärtsbuchstabieren von komplizierten langen Worten, mit Tiere zählen. Meist kann ich mich auf nichts konzentrieren. Also lese ich wieder. Oder ich stehe auf und arbeite – was erstaunlicherweise oft genug klappt. Ob es gut ist, ist die andere Frage ...

Es gibt keine elektronischen Geräte im Schlafzimmer – keine Handys, keine Computer, keinen Fernseher. Nur den eBook-Reader, aber der zählt nicht. Weder trinke ich viel Alkohol (meist gar keinen), noch esse ich vorm Schlafengehen übermäßig schwere Sachen. Schlafklima, Matratzen und Kissen sind optimiert und ich schau mir auch längst keine nervenzerfetzenden Dinge im TV mehr an, aber es hilft nichts. Und es führt dazu, dass ich auf Ratschläge inzwischen ähnlich ungehalten reagiere, wie auf die Frage nach der Schlafqualität.

Strategiewechsel

Vermutlich würde es mir helfen, wenn ich wüsste, dass meine Schlafstörungen normal sind. Dass Menschen recht unterschiedlich sind und jeder mal gute und mal weniger gute Schlafphasen hat. Ich will nicht, dass meine Insomnie entweder pathologisiert oder trivialisiert wird. Ich wünsche mir, dass mir jemand sagt, dass ich mich nicht sorgen muss, sondern dass Menschen viel widerstandsfähiger sind, als man glaubt und dass mit mir alles in Ordnung ist. Ich wünsche mir, dass die Schlechtschlafphasen kürzer werden als die Gutschlafphasen (die ich zwischendurch glücklicherweise auch habe!). Und ich wünsche mir Buchtipps: Die langweiligsten Romane aller Zeiten, damit mir beim Lesen automatisch die Augen zuklappen. Danke schön!