Rezensionen: Nach den Sternen greifen
Kaum ein Thema wird in der Buch-Bubble so heiß und kontrovers diskutiert wie Rezensionen – und den richtigen Umgang damit. Dass sie für uns Schreibende wichtig sind, ist klar, doch wie besteht man die Sterne-Frage mit Würde? Ein kleiner Überlebensguide zu den drei größten Problemfällen:
Keine/zu wenige Rezensionen
Problemfall: Da hat man sich wochen-, monate-, jahrelang Mühe gegeben und sich die Finger wundgeschrieben, jetzt ist das Werk endlich erschienen – und keiner schreibt eine Rezension.
Was tun? Idealerweise bemüht man sich schon während der Schreibphase um einen intensiven Kontakt zu Buchblogger:innen und/oder Testleser:innen, und macht sie auf die Geschichte neugierig. Hat man ein nettes Verhältnis etabliert, kann man sie ansprechen, ob sie zur Veröffentlichung das komplette Buch lesen und auf den einschlägigen Portalen mit einer EHRLICHEN Stellungnahme bewerten. Dafür kann man klare Regeln vereinbaren, z.B. die Lesezeit und der Zeitrahmen, bis wann die Rezension gepostet werden soll. NICHT die Anzahl der Sterne!! Kurz vor dem Erscheinungstermin erhalten diese netten Menschen dann ein Rezensionsexemplar (entweder ein eBook oder ein Taschenbuch – Letzteres kommt meist besser an, ist aber kein Muss) und gibt den Startschuss. Dann heißt es abwarten. Hat man gut ausgewählt, darf man mit einer hohen Erfolgsquote rechnen (einzelne Ausreißer gibt es immer, aber das muss man sportlich sehen) und sich bald über eine erkleckliche Anzahl an Bewertungen freuen.
Auch wenn viele Menschen von sich behaupten, niemals Rezensionen zu lesen (oder wenn dann nur die miesen), haben Produkte (ja, auch Herzensromane!) eine höhere Vertrauenswürdigkeit, wenn sie häufig bewertet werden. Der Teufel scheißt ja bekanntlich auch am liebsten auf den größten Haufen. Es ist also eine gute Investition an Zeit (Kontaktpflege) und Geld (für die Rezensionsexemplare).
Schlechte Rezensionen / »Hater-Rezis«
Problemfall: Unfassbarerweise wird es immer Menschen geben, denen unser supderduperfantastischer Roman einfach nicht gefällt. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Das tut weh, ist aber nicht zu ändern.
Was tun? Miese Bewertungen können für sensible Schriftsteller:innen (und sind wir das nicht alle) den Tag oder gar die Woche ruinieren. Und ja, auch ich habe schon die ein oder andere bittere Träne verdrückt, weil ich nicht verstehen konnte, warum die Bewertende so gemein zu mir ist. Aber dieser Schmerz führt zu nichts. Es kann nicht jedem alles gefallen. So einfach ist es. Und wir können nichts dagegen tun!
Besonders zartbesaiteten Kolleg:innen empfehle ich, schlechte Rezensionen gar nicht erst zu lesen, denn s.o.: man kann nichts dagegen tun! Wer bessere Nerven hat, kann aus einer schlechten Bewertung aber womöglich einen Lerneffekt ziehen. Vor allem dann, wenn mehrere Rezensenten dieselben handwerklichen Probleme bemängeln. Dann könnte daran etwas sein und das sollte man sich schon zu Herzen nehmen.
No-Gos: Auf keinen Fall sollte man diese Bewertungen kommentieren. Weder sachlich, aber schon gar nicht beleidigt und pampig. Und NIEMALS die eigenen Fans auf den Absender der miesen Kritik hetzen! Damit ruiniert man den eigenen Ruf ziemlich nachhaltig. Das gilt übrigens auch für »Hater-Rezis«, also Bewertungen, die offensichtlich darauf abzielen, persönlich zu verletzen. Da darf man sich nicht reinziehen lassen! Ommmm.
Ach ja, Kritiken, die drei oder vier Sterne bekommen haben, sind NICHT schlecht! Und nein, man darf auch die Blogger:innen, die ein Rezensionsexemplar bekommen haben, nicht darum bitten, ausschließlich fünf Sterne zu vergeben. Das ist NICHT cool! Außerdem sind die Leser:innen ja nicht doof. Die können schon beurteilen, ob an einer schlechten Kritik womöglich echte Substanz dahintersteckt oder einfach nur fies ist.
Also Ruhe bewahren, im Stillen weinen und maximal in einer geschützten Gruppe (z.B. mit Kolleg:innen) kurz jammern und dann weitermachen.
Nur Sterne, kein Text
Problemfall: Auf Amazon kann man seit einiger Zeit auch »Nur Stern«-Bewertungen abgeben. Am Ende des Ebooks wird man automatisch dazu aufgefordert, das Buch zu bewerten. So kommt es, dass viele Bücher inzwischen sehr viele Sterne-Bewertungen haben, aber nur wenige Text-Rezensionen.
Was tun? Nichts. Und schon gar nicht öffentlich in den sozialen Medien heulen à la »So nimmt man uns armen Autor:innen ja die Chance, an unseren Fehlern zu lernen!«. Ehrlich, bei diesen Postings kriege ich total das Kotzen! Wie anmaßend ist das bitteschön? Warum soll sich jemand genötigt fühlen, eine Bewertung zu schreiben? Mal ganz abgesehen davon, dass es den wenigsten darum geht, »an Fehlern zu lernen« ... Mannomann!
Ich finde diese reinen Sterne-Bewertungen gar nicht doof. Da sind die meisten Lesenden sogar ehrlicher, als wenn sie sich die Mühe machen, auch noch ein längeres Elaborat zu verfassen. War man total begeistert, gibt’s 5 Sterne, hat man sich gut unterhalten gefühlt, bekommt man 4 Sterne, 3 Sterne, wenn es nett war, usw. Das ist doch vollkommen okay. Und ja, manchmal »vergreift« man sich und tippt versehentlich auf die eins statt auf die fünf. Kommt vor. Muss man auch damit leben.
Dankbarkeit und Sportsgeist
Wenn sich eine Leserin oder ein Leser die Mühe macht, die eigenen Leseeindrücke in Worte zu fassen und zu veröffentlichen, dann ist das ein großes Geschenk. In der Regel ist es uns Schreibenden dann nämlich gelungen, starke Emotionen zu erzeugen. Die müssen (und können) nicht immer positiv sein, denn jeder empfindet anders. Jeder hat sein eigenes Wertesystem, jeder hat gute und schlechte Tage, jeder hat einen anderen Geschmack, aber wenn Gefühle getriggert werden, dann ist das im Grunde immer ein Kompliment an den Text – und damit an den oder die Autor:in.
Ich bin dankbar für jeden, der sich die Mühe macht, eine Bewertung zu schreiben – auch wenn mir natürlich längst nicht jede gefällt. Aber in diesen Fällen appelliere ich an meinen eigenen Sportsgeist oder weine heimlich. Besonders aufregen tu ich mich aber nicht mehr, und ich denke, damit fahre ich ganz gut.
Wer sich noch intensiver mit dem Thema beschäftigen will, es gibt auch eine Podcast-Episode in »Der literarische Saloon« dazu. Christian Raabe und ich haben ausführlich über all die Fallstricke diskutiert und einige besonders haarsträubende Bewertungen vorgelesen. Und damit wir nicht zu parteiisch werden, haben wir uns Buchbloggerin Steffy von den »Leseschnecken« mit ins Boot geholt. Den Podcast gibt’s auf allen Kanälen oder direkt hier auf unserer Website.