Carin Müller bloggt ...

Lesemythos: Buch oder Film?

Was ist besser? Bücher oder ihre Verfilmungen?

Bis vor wenigen Wochen hätte ich im Brustton der Überzeugung behauptet, dass Bücher IMMER besser sind als ihre filmische Umsetzung. Maximal hätte ich in Einzelfällen einen künstlerischen Gleichstand akzeptiert. Aber ganz sicher hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass die Bewegtbild-Version die Magie der 26 Buchstaben überflügeln kann.

Schon in Kindertagen hatte ich mit den Büchern immer viel mehr Freude als mit dem Filmen. Ja, ich habe »Die unendliche Geschichte«, »Momo« oder auch die »Winnetou«-Filme gerne gesehen, aber richtig berührt und begeistert haben mich die Bücher. Geradezu entsetzt war ich dann von den »Harry Potter«-Filmen! Die hatten so gar nichts mit meiner Fantasievorstellung des Zaubererinternats zu tun – und schlimmer noch, sie haben meine eigene Imagination fast komplett ruiniert, denn den Gesichtern von Harry, Dumbledore und Co. entkomme ich nirgends, obwohl ich überhaupt nur den ersten Teil im Kino und den zweiten und dritten Film im Fernsehen gesehen habe.

Irgendwann hatte ich mir dann vorgenommen, gar keine Buchverfilmungen mehr zu gucken. Zumindest dann nicht, wenn ich das Buch schon gelesen habe.

Ausnahmen bestätigen die Regel

Eine Ausnahme habe ich bei den »Hunger Games« gemacht. Da hatten mich die ersten beiden Bände der Trilogie extrem begeistert und ich wollte unbedingt wissen, wie die Geschichte fürs Kino umgesetzt wurde. Den ersten Film fand ich großartig! Und zwar in so gut wie allen Aspekten. Die Schauspieler passen für mich perfekt, die Handlung ist sehr gut adaptiert und die visuelle Realisierung ist einfach der Hammer. Volltreffer! Besser kann man es meiner Meinung nach kaum machen. Für mich sind Film und Buch der ersten Geschichte absolut gleichwertig.

Die Verfilmung des zweiten Bandes fand ich dagegen wieder so enttäuschend, dass ich mir die beiden Filme zu Band 3 (was soll dieser Unsinn eigentlich???) geschenkt habe.

Ein ähnliches Wechselbad der Gefühle habe ich mit »Outlander« erlebt. Tolle Besetzung, ordentliche erste Staffel und dann lässt es schwer nach ... Schade drum. Wirklich.

Und dann kam der »Lincoln Lawyer«

Kürzlich habe ich die ersten beiden Staffeln der Anwaltsserie »The Lincoln Lawyer« auf Netflix weggeguckt und war wirklich begeistert: toller Cast, sehr gut und differenziert gezeichnete Figuren, interessante Backstorys, höchst findige und spannende Handlungstwists und eine sehr ansprechende Ästhetik. Kurz: Ich kann die Serie uneingeschränkt empfehlen!

Als ich dann herausgefunden habe, dass die sie auf den Romanen von Michael Connelly basiert, MUSSTE ich mir die Bücher natürlich sofort haben, schließlich erwartete mich mutmaßlich ein wahres Feuerwerk der Spannungsliteratur. Glücklicherweise habe ich mich zunächst auf den ersten Band beschränkt – und habe mich bei der Lektüre zu Tode gelangweilt. Nicht nur ist der Aufbau des Romans furchtbar öde, die Geschichte ist auch handwerklich mies geschrieben (endloses Gelabere, wenig Action) und die Figuren sind schrecklich eindimensional. Schockschwerenot!

Wie kann man auf Basis eines derart schlechten Buches eine so brillante Verfilmung schaffen? Wohin soll ich mit meinem gut gepflegten Vorurteil?

Fazit:

Offensichtlich muss ich mein über Jahre liebevoll gepflegtes Dogma, wonach Bücher grundsätzlich ihren Visualisierungen überlegen sind, gründlich hinterfragen. Ich würde es gerne bedauern (wer wird schon gerne eines Besseren belehrt?), aber leider ist die jüngste Erfahrung zu eindeutig.

PS: Wie die allermeisten Autor_innen träume natürlich auch ich davon, dass einer meiner Romane verfilmt wird. Allerdings macht mir die Vorstellung auch ein bisschen Angst, was aus meinen Geschichten passieren würde ...