Buchtipp: Umlaufbahnen

10.3.2025
Booker Prize, Demon Copperhead, Die Vegetarierin, Han Kang, Lesehighlight, Literatur, Literaturnobelpreis, Orbiter, Poesie, preisgekrönte Literatur, Pulitzerpreis, Raumstation, Samantha Harvey, Umlaufbahnen
Ich habe derzeit eine kleine Lese-Challenge mit mir selbst laufen: Zwischen den Büchern, die ich wegnasche wie Schokolade, muss es immer wieder vollwertige, sprich preisgekrönte Kost geben. Letztes Jahr habe ich »Die Vegetarierin« von der damals frisch ausgezeichneten Literaturnobelpreisträgerin Han Kang gelesen. Ich hätte schwören können, dass ich darüber geschrieben habe – vor allem über das abgrundtief scheußliche und gruselige Cover der deutschen Ausgabe. Doch offenbar fehlten mir die passenden Worte dafür.
Kürzlich stand der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Roman »Demon Copperhead« von Barbara Kingslolver auf meiner Leseliste – darüber habe ich erst kürzlich geschrieben in »Demon Copperhead vs. Onyx Storm«.
Während ich sowohl Han Kang als auch Barbara Kingsolver tolle, wenn auch ziemlich verstörende Bücher konstatieren kann, hatten sie beide nicht das Zeug dazu, mein Leserinnenherz zum Beben zu bringen. Ganz anders dagegen der Roman »Umlaufbahnen«, für den Samatha Harvey 2024 den britischen Booker Prize gewonnen hat, den wichtigsten Literaturpreis des Königreichs.
Lesehighlight »Umlaufbahnen«
»Umlaufbahnen« (Originaltitel: »Orbital«) ist ein Roman, der sich über einen Zeitraum von 24 Stunden erstreckt und vier Astronauten sowie zwei Kosmonauten auf einer Raumstation begleitet – mutmaßlich die ISS, auch wenn sie so nicht genannt wird. Die Besatzung, bestehend aus zwei Frauen und vier Männern verschiedener Nationalitäten, umkreist die Erde alle 90 Minuten, was zu 16 Sonnenauf- und -untergängen pro Tag führt.
Der Roman konzentriert sich weniger auf eine traditionelle Handlung, sondern vielmehr auf die Gedanken, Gefühle und Beobachtungen der Crew. Themen wie die Schönheit und Zerbrechlichkeit der Erde, die Bedeutung menschlicher Existenz und die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf Körper und Geist werden erkundet. Harvey beschreibt detailliert und grandios recherchiert den Alltag auf der Raumstation, einschließlich wissenschaftlicher Experimente und der Herausforderungen des Lebens im All. Mindestens genauso viel Raum nimmt aber auch die Introspektion der sechs Figuren ein. Wir begleiten sämtliche Besatzungsmitglieder auf ihre privaten Gedankenreisen, lernen ihre Ängste und Sorgen kennen – zerbrechende Ehen, verstorbene Mütter, reale Unwettergefahren für nahestehende Menschen.
Mir hat vor allem die unglaublich poetische und sehr atmosphärische Sprache begeistert, die mich emotional total gepackt hat, obwohl es keinen klassischen Romanplot gibt. Stattdessen werfen die zahlreichen Perspektivwechsel und jede einzelne Umlaufbahn immer neue Schlaglichter auf interessante, berührende, amüsante und erschreckende Erkenntnisse. Trotz aller Tiefgründigkeit und Poesie lässt sich »Umlaufbahnen« sehr geschmeidig lesen. Ich habe – ganz gegen meine sonstige Natur – viele Pausen zwischen den Kapiteln gemacht, weil ich Sprache und Inhalt länger auf mich wirken lassen wollte. Einfach ganz wunderbar!
Klappentext von »Umlaufbahnen«
Von oben betrachtet sieht die Welt gleich ganz anders aus
Sechs Astronauten schweben in einer Raumstation durchs All. Den Planeten Erde umkreisen sie in 90 Minuten, sechzehnmal in 24 Stunden. Die zwei Frauen und vier Männer aus ganz unterschiedlichen Nationen arbeiten, essen und schlafen auf engstem Raum – und doch ist alles losgelöst vom Alltag, Schwerkraft und Zeitempfinden sind außer Kraft gesetzt. Was passiert, wenn man seine Heimat nur aus weiter Ferne durch ein kleines Fenster sieht? Wie verändern sich Denken und Fühlen? In dem Zeitraum von nur einem Tag, während die Sonne sechzehnmal auf- und untergeht, betrachtet dieser ungewöhnliche, kraftvoll poetische Roman die großen und kleinen Fragen der Menschheit und bringt uns der Schönheit des Universums ganz nahe.