Carin Müller bloggt ...

Mut in Rüschen

Was Kleider, Mut und Schreibblockaden gemeinsam haben.

Dann und wann kommt es auch bei mir zu einer kleinen Inspirationsflaute. Worüber soll ich als Nächstes schreiben? Also nicht bei meinen Romanen, da habe ich immer schon die nächsten zwei bis drei Geschichten in der Pipeline, wenn ich ENDE unter ein Manuskript geschrieben habe (hört das denn nie auf?), sondern auf meinem Blog.

Nach meinem viel diskutierten Opus Magnum über Prinz Harrys Buch in der letzten Woche, drängte sich nichts auf. Eine Freundin und Kollegin (ich nenne jetzt keine Namen), der ich mein Leid geklagt habe, hat mich herausgefordert: Ich möge über Kleider schreiben! Kleider? WTF? Ich habe hier doch keinen Fashion-Blog und trage zudem selbst äußerst selten Kleider (aus den unterschiedlichsten Gründen). »Na gut«, sagte G., »dann schreib halt über Mut!«

Daraufhin ich: »Schönes Thema, aber dafür fehlt mir jetzt ein konkreter Aufhänger und überhaupt will ich nicht schon wieder so einen fetten Artikel schreiben wie letzte Woche, weil meine Leserschaft ja auch noch andere Dinge zu tun hat, als meine montäglichen Ergüsse im XXL-Format zu konsumieren.«

Sie: »Warum habe ich eigentlich nur Freundinnen, die ständig das Bedürfnis haben, alles zu widerlegen, was ich sage?«

Mut im Kleinen und im Großen

Das ist eine interessante Frage, der ich hier leider nicht nachgehen kann, denn sonst wäre ich sehr weit am Thema vorbei. Tatsache ist jedoch, dass sich unser Gespräch schon vor meiner eher trivialen Frage, was ich als Nächstes auf meinem Blog schreiben soll, um Mut drehte. Oder vielmehr meinen offensichtlichen Mangel daran.

Aufhänger war das eigentlich sehr erfreuliche ENDE meines aktuellen Manuskripts, das trotz aller Widrigkeiten nur eine Woche nach der geplanten Frist plötzlich auf meinem Dokument prangte. »Highland Happiness – Das Herrenhaus von Kirkby« ist offiziell fertig. Yeah! Der ideale Zeitpunkt, zumindest aus G.s Sicht, mich endlich der Geschichte zu widmen, die mir schon seit zwei Jahren durch den Kopf spukt.

Sie hat zweifellos recht, allerdings gibt es sehr gute Gründe, das Projekt noch weitere zwei – oder zwanzig – Jahr vor mich herzuschieben. Gründe, die ich hier im Detail auch nicht auswalzen will, die man aber auf den knackigen Nenner verkürzen könnte, dass mir schlicht der Mut fehlt. Für diesen Roman muss ich mich sehr weit aus meiner Kuschel-Kirkby-Komfortzone herausbewegen, muss Neuland betreten und Risiken eingehen. Große Risiken.

Ich habe dann ungefähr ein halbes Dutzend sehr guter und valider Argumente geliefert, warum ich die Geschichte jetzt nicht schreiben kann. Vor allem, weil die nächsten festen Abgabetermine unerbittlich lauern und ich deswegen eigentlich keine Zeit habe. Und weil ich strategisch wichtige Kleinigkeiten dazwischenschieben muss. Oder meine zu müssen.

Andererseits habe ich meine »Insel der Wale«-Trilogie auch geschrieben, obwohl ich eigentlich keine Zeit dafür hatte und mit noch mehr anderen Themen beschäftigt war als heute. Das war auch ein Risiko – ein großes sogar, weil diese Geschichten vollkommen anders sind, als man sie bisher von Charlotte Taylor kannte. Das fragliche neue Projekt ist jedoch nochmal eine völlig andere Liga. Und groß. Sehr groß. Nicht vom Umfang her, aber von der Wucht, den diese Geschichte zumindest auf mich haben wird. Und ja, ich habe Angst davor.

Stay away from the middle!«

Wir wechselten das Thema – zumindest dachte ich das – und G. berichtete mir von einer Masterclass-Show, die sie sich gestern angesehen hat. Dort hat die Stylistin Karla Welch den bemerkenswerten Satz gesagt: »Stay away from the middle!« Wörtlich übersetzt »Halt dich von der Mitte fern!«, aber vermutlich ist eher »Meide das Mittelmaß!« oder »Verlass deine Komfortzone und wage etwas!« gemeint.

Welch erzählte wohl weiter, dass sie ihren Klient*innen keinen Stil überstülpt, sondern individuelle Looks gemeinsam mit ihnen erarbeitet, dabei aber immer versucht, sie aus ihren Komfortzonen zu locken. Klar, bei den Promis ist Aufmerksamkeit eine harte Währung und man muss einiges wagen, um sichtbar zu bleiben. Ein schönes Beispiel war das spektakuläre pinkfarbene Valentino-Kleid, das Tracee Ellis Ross bei den Emmy-Awards getragen hat.

G. fragte sich, warum dieser Satz so in ihr resoniert – und ich frage mich das ehrlich gesagt auch, denn in der Mitte ist es doch eigentlich ganz nett. Gemütlich. Sicher. Übersichtlich. Will man jedoch herausstechen, muss man etwas Neues wagen. In meinem Fall wäre das wohl weniger Kirkby und mehr ... Risiko.

Komfort und Risiko

Weil ich aber auf Kirkby in absehbarer Zeit nur ungern verzichten möchte, stelle ich mir gerade die Frage: Kann ich Komfort und Risiko vielleicht sogar vereinbaren? Indem ich meine Komfortzone nicht für immer, sondern nur immer mal wieder für kurze Zeit verlasse? Ich werde es ausprobieren und natürlich hier an dieser Stelle darüber berichten. Alternativ müsste ich mich sonst in eine pinke Wahnsinnsrobe werfen. Ich grüble noch, was mehr Mut verlangt.