Carin Müller bloggt ...

Lass deinen Text glänzen

Textshine - Korrektur KI aus Wien

Es gibt kaum etwas Ärgerlicheres als den Moment, wenn das eigene neue Buch endlich erscheint und einem die Freude darüber buchstäblich im Hals stecken bleibt, weil man plötzlich auf den ersten Blick einen Fehler sieht. Einen Fehler, der drölfzig Überarbeitungsläufe, Lektorat, Korrektorat und womöglich auch noch einem Rudel Testlesenden verborgen geblieben ist. In aller Regel ist es auch noch ein besonders dämlicher, überflüssiger Fehler. Ein »mir« statt »mit«, ein »es« statt »er«, ein »sei« statt »sie«. Mir passiert so etwas ständig und es fällt mir NIE auf.

Nun gehört Perfektionismus glücklicherweise nicht zu meinen Schwächen, aber natürlich ärgere ich mich wahnsinnig über solche Schludrigkeiten (von denen ich in einem durchschnittlichen Roman übrigens Dutzende bis Hunderte produziere). Es gibt allerdings wissenschaftlichen Trost: Demnach ist es normal, dass man solche Dinge gerne übersieht, weil das Hirn automatisch die korrekte Version wahrnimmt. Das ist auch der Grund, warum Lektor*innen, Korrektor*innen und Testleser*innen diese Dinge teilweise ebenfalls nicht sehen – schließlich sind auch sie mit menschlichen Gehirnen ausgestattet. Erfreulicherweise, möchte ich noch bemerken.

Es ist also praktisch ausgeschlossen, ein vollkommen fehlerloses Buch zu produzieren. Trotzdem wäre es schön, wenn man die Fehlerquote signifikant minimieren könnte – idealerweise ohne unendliche Mengen an Zeit und Geld zu investieren. An dieser Stelle kommt nun die Software »Textshine« ins Spiel.

Was ist Textshine und wer steckt dahinter?

Textshine ist eine vollautomatische Korrekturlösung, die von einem jungen Wiener Start-up entwickelt wurde und Medienhäuser, Verlage und selbstverständlich auch Selfpublisher bei ihrer Arbeit unterstützen kann und will.

Vor einigen Wochen wurde mir das Tool an meine Podcast-Mailadresse gepitcht und ich war offengestanden schon dabei, eine höfliche Absage zu schreiben, weil wir in »Der literarische Saloon« eigentlich nie Produkttests und/oder Werbung machen. Doch dann dachte ich an unser Gemeinschaftsprojekt, den Roman »Appletree Murders«, der schon viel zu viele Ressourcen gefressen hatte. Vor allem zeitliche. Aber da es sich um ein Spaßprojekt handelt, wollten wir auch nicht unnötig viel Geld in die Produktion stecken. Selbstverständlich bekam das Buch ein professionelles Cover, auf ein Lektorat meinten wir jedoch verzichten zu können. Aber ein Korrektorat?

Ich lege höchsten Wert darauf, dass alle meine Bücher – egal ob im Verlag oder in Eigenregie entstanden – gewissen Mindeststandards unterliegen. Dazu gehört auch ein möglichst fehlerloser Text. Doch ein ordentliches Korrektorat kostet – vollkommen zurecht – auch einiges an Geld und darüber hinaus nicht wenig Zeit. Weil wir beides für diesen Roman nicht in üppigstem Umfang investieren konnten und wollten, haben wir beschlossen, den Praxistest mit Textshine zu wagen.

Textshine im Praxistest

Ich hatte diese KI-gestützte Software schon für zwei kleinere Texte getestet und war recht angetan. Man lädt ein Word-Dokument hoch und bekommt wenige Minuten später eine Mail mit der korrigierten Datei. Die übrigens genauso aussieht, wie man es von seinem Korrektorat gewohnt ist: mit dem aktivierten »Änderungen verfolgen«-Modus. Man hat also die Chance, jede einzelne Korrektur anzunehmen oder abzulehnen. Für Blogartikel fand ich das schon überzeugend, aber ein kompletter Roman? Das konnte ich mir nicht so recht vorstellen.

Alexander Seifert, der Entwickler des Tools, hat uns freundlicherweise ein Budget über 500.000 Zeichen kostenlos zur Verfügung gestellt. Dieses Paket kostet normalerweise 200 Euro und reicht locker für einen nicht allzu langen Roman. »Appletree Murders« umfasst ca. 58.000 Wörter, was rund 360.000 Zeichen entspricht. Das Korrektorat mit Textshine hat uns also umgerechnet ca. 170 Euro gekostet, im Vergleich zu den etwa 800 Euro, die im Normalfall durch einen menschlichen Korrektor (mindestens) fällig geworden wären. Und es hat keine zehn Minuten gedauert, bis es fertig war.

Es stellte sich heraus, dass unser Text, der nach einem schier endlosen Ping-Pong zwischen mir und Christian schon auf einem sehr ordentlichen Niveau war, vor allem Schwächen in der Zeichensetzung hatte und bei zusammengesetzten Worten (mit Bindestrich oder ein Wort?, getrennt oder auseinander?). Und natürlich waren einige meiner Lieblingsfehler dabei (s. o.) sowie die besonders peinliche »m« und »n«-Verwechslung, die so manch menschliche Korrektorin schon zu süffigen Kommentaren über meine scheinbar schlechten grammatikalischen Fähigkeiten inspiriert hat. Dabei weiß ich natürlich, wie es richtig ist, aber die Buchstaben liegen eben nebeneinander auf der Tastatur, da kann es schon mal … Grrrmpfff.

All diese Dinge waren ordentlich im Dokument markiert. Erfreulicherweise blieben sämtliche Eigennamen dagegen unbelastet – ehrlich, wie oft machte Word oder Papyrus bei mir schon aus meiner Figur »Isla« ungefragt »Island«? Auch mischt sich Textshine nicht mit stilistischen Eingriffen ein, sondern lässt den »Mehrkater« Alastair Mehrkater sein (und macht nicht etwa einen Mer-, Wer- oder Meerkater daraus wie andere Programme …) und ihn genauso geschraubt fabulieren, wie er es eben tut. Außerdem muss ich mich nicht mit leicht passiv-aggressiven Kommentaren über meine vermeintliche (machen wir uns nix vor: tatsächliche!) Schlamperei herumschlagen, wie ich sie des Öfteren in menschlichen Korrektoraten bekomme.

Zwischenfazit

Ich bin extrem beeindruckt und begeistert, welche Qualität die Korrektur mit Textshine hat. Wer sich selbst ein Bild machen möchte, kann mit einem kostenlosen Zugang bei Textshine Texte mit bis zu 10.000 Zeichen gratis testen. Oder er liest »Appletree Murders« und sucht nach Fehlern.

Jobs in Gefahr durch »böse« KI?

Von »Künstlicher Intelligenz« fühlen sich nicht wenige Menschen existenziell bedroht und gerade in der Buchbranche wird das Thema mehr als nur ein bisschen hitzig diskutiert. Leider herrscht unglaublich viel Halb- oder eher Nichtwissen und das macht Angst. Die versuche ich in meinem Artikel »Keine Angst vor KI« ein wenig einzudämmen, aber natürlich wird es auch im Falle von Textshine Menschen geben, die ihre Felle davonschwimmen sehen. Reine Korrektoren und Korrektorinnen könnten sich tatsächlich von dem Programm überflüssig gemacht fühlen.

Auf der Buchmesse habe ich mit zwei Lektorinnen (die auch reines Korrektorat anbieten) darüber gesprochen. Zunächst war der Widerstand dieser Frauen gegenüber Textshine hoch, doch inzwischen sehen sie auch für sich und ihren Job einen klaren Nutzen darin. Es ist schließlich auch für Korrektor*innen deutlich angenehmer, einfacher und effizienter, mit einem »sauberen« Text zu arbeiten. Dann müssen sie eben nicht auf die endlosen Schludrigkeiten achten, sondern können sich auf knifflige stilistische Feinheiten konzentrieren, die aus einem guten Text einen brillanten machen.

Die einzigen Jobs, die ich in Gefahr sehe, sind die von Hobby-Korrektor*innen. Unter diesen Leuten mag es auch sehr gute geben, doch die meisten werden zweifellos von Textshine in den Schatten gestellt werden – und zwar auf allen Ebenen: Genauigkeit, Schnelligkeit und Preis.

Noch ein paar Worte zur Beruhigung: Textshine wird übrigens NICHT mit den Texten trainiert, die zum Korrigieren hochgeladen werden. Die Datei wird innerhalb von 24 Stunden automatisch vom Server gelöscht.

Wem würde ich Textshine empfehlen?

Ich sehe für Textshine breite Verwendungsmöglichkeiten und könnte mir vorstellen, dass das Tool in Verlagen und Medienhäusern mittelfristig in die Standardabläufe integriert wird. Ich denke auch, dass viele (freiberufliche) Lektor*innen und Korrektor*innen das Programm nutzen werden, um auf Basis eines sauberen Manuskripts ihre eigentlichen Aufgaben viel besser und angenehmer zu gestalten.

Und auch für viele Selfpublisher*innen könnte Textshine eine günstige Möglichkeit sein, ein ordentliches Buch abzuliefern. Gerade Anfänger*innen haben oft nicht die finanziellen Möglichkeiten, diverse Lektoratsdurchgänge, ein professionelles Cover und noch ein Korrektorat zu bezahlen – doch gerade ein gutes Cover und ein möglichst fehlerarmer Text sind entscheidend für den Erfolg eines Buchs.

Ich persönlich werde Textshine in Zukunft für alle meine Projekte nutzen. Zumindest für die selbstpublizierten. Auf mein menschliches Team werde ich aber trotzdem nicht verzichten, sondern ihm die Arbeit erleichtern.

Deutlich mehr Informationen zu Textshine gibt es auch in der Podcastfolge 135, in der uns Alexander Seifert Rede und Antwort steht und in vielen Punkten richtig in die Tiefe geht. Unbedingt hörenswert.

PS: Blöderweise habe ich Textshine nicht für das Cover von »Appletree Murders« verwendet, sonst wäre womöglich nicht der Lapsus passiert, dass mein Name auf der kleinen Vorab-Druckauflage falsch geschrieben ist …

Noch ein PS: Textshine ist zweifellos eine »gute« KI, aber »NotebookLM« von Google hat ein ziemlich interessantes, wenn auch gruseliges Feature: Auf Basis hochgeladener Dateien (z. B. ein Buchmanuskript) erstellt diese KI eine Art Podcast, in dem sich zwei extrem echt klingende Personen über den Inhalt austauschen. Bisher nur auf Englisch, doch andere Sprachen sollen bald folgen. Hier gibt’s einen »Deep Talk« zu »Appletree Murders«.