Wie kam die Leiche ins Fass?

13.10.2025
Charlotte McGregor, cosy crime, Highland Crime, Highland Crime - Der Tote im Whiskyfass, Kirkby, Neuerscheinung, out now
Ab wann darf ich mich eigentlich offiziell als Krimiautorin bezeichnen? Ist es ab dem dritten Roman okay? Falls ja, dann bin ich ab heute Krimiautorin! Juhu. Unter anderem jedenfalls, denn bekanntermaßen lege ich mich ja nicht so gerne fest.
Mit »Highland Crime – Der Tote im Whiskyfass« hat heute jedenfalls mein dritter Krimi das Licht der Buchwelt erblickt und wird hoffentlich zahllose Leserinnen und Leser begeistert. Es ist der dritte Fall meines Ermittlerduos »King & König« – und doch ganz anders als die beiden Fälle zuvor.
Allerdings erinnere ich mich daran, dass ich das vor einem Jahr beim zweiten Fall auch schon gesagt habe. Vielleicht bin ich doch noch keine echte, wahre, ernstzunehmende Krimitante? Der erste Fall – »Highland Crime – Die tote Tänzerin« – geht wohl als klassischer Cosy-Crime-Roman durch. Da habe ich ziemlich sicher keine Genrekonventionen verletzt.
Beim zweiten Fall »Highland Crime – Der tote Golfer« sieht die Sache womöglich schon ein bisschen anders aus, denn dort meuchle ich auf ziemlich interessante Weise einen Typen namens Ronald Trumpleton, der mit einer uncharmanten Sippe in Kirkby einfällt und aus meinem Lieblingsdorf einen Rummelplatz für hyperreiche Snobs machen will. Unter uns: Auch wenn ich offiziell immer etwas anderes behaupte, ist der Name natürlich kein Zufall ... *räusper*
Jetzt also der dritte Fall
Die Fassleiche (so der interne Arbeitstitel) hatte ich ja bereits am Ende des ersten Krimis angekündigt, weil ich erstens vermeiden wollte, dass es im beschaulichen Kirkby ständig zu »frischen« gewaltsamen Todesfällen kommt und weil ich zweitens das Klischee so witzig fand. Ich kann gar nicht sagen, in wie vielen Geschichten ich schon von versteckten Leichen in Fässern gelesen habe.
Dann musste ich jedoch letztes Jahr aus Gründen der Psychohygiene den Golfer schreiben (hat mich über den Sommer gerettet, aber leider war der Schock im November dann umso heftiger ...) und der gut eingelegte Tote musste noch ein wenig länger marinieren.
Womöglich hatte mein Unterbewusstsein aber schon 2024 geahnt, dass so ein historischer Mordfall längst nicht so trivial ist, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag und ganz ehrlich, während des Schreibens habe ich mich mehr als einmal dafür verflucht, dass ich nicht ausnahmsweise einmal mehr als nur drei Minuten über eine Romanidee nachgedacht hatte. »Hey, eine 150 Jahre alte Leiche im Fass – Spitzenidee! Was kann da schon schiefgehen?«
Fallstricke und Sabotageakte
1. Das Mordopfer
Wie sich herausstellte, kann eine Menge schiefgehen. Es fängt schon damit an, dass der Tote sich seit 150 Jahren in seiner unschönen Umgebung befindet. In welchem Zustand wird er dann sein? Kann man nach so langer Zeit überhaupt noch etwas über ihn und die Umstände seines Todes herausfinden?
Die kurze Antwort: Ja, kann man – wenn gewisse äußere Faktoren gewährleistet sind. Dafür konnte ich sorgen (zum Glück), aber ideal sind derartige Lagerbedingungen nicht ...
Die lange Antwort: Erspare ich uns allen, denn die Recherche war nicht nur extrem zeitaufwändig, sondern vor allem total eklig! Ich weiß jetzt mehr über Mumifizierung und Wachsleichen, als ich jemals wissen wollte. Bäh. Aber keine Sorge, im Buch sind die scheußlichsten Details natürlich nicht gelandet.
Damit war dann immerhin geklärt, dass eine Leiche im Fass plausibel ist. Juhu.
2. Die Spannung
Woran ich bei meiner Schnapsidee (selten war dieser Begriff so passend) jedoch nicht gedacht hatte: Wenn der Todesfall schon anderthalb Jahrhunderte zurückliegt, gibt es weder lebende Zeugen noch Täter. Wie um alles in der Welt soll dann also Spannung in die eigentliche Geschichte kommen? Für die zeitgenössischen Figuren geht’s ja um nichts.
Diese Erkenntnis war dann der erste größere Dämpfer. Ein Spannungsroman ohne Spannung ist ja »nur« noch ein Roman. Aber ich will doch um jeden Preis als Krimiautorin wahrgenommen werden!!
Schockschwerenot!
Mir kam dann – Halleluja! – doch eine Idee, wie es auch für das agierende Personal ganz schön haarig werden könnte, und ich tippte fröhlich weiter. Und weiter. Und weiter. Und es wurde immer logischer und komplexer. Auch weil ich auf den wahnwitzigen Einfall kam, neben der zeitgenössischen Ebene auch noch eine historische einzuarbeiten.
Blöderweise bin im Genre der historischen Romane noch dürftiger bewandert als bei Krimis, also war da wieder reichlich weitere ungeplante Recherchearbeit nötig, um meine kühnen Thesen auf Plausibilität zu überprüfen und halbwegs stimmungsvolle, viktorianische Szenen zu Papier zu bringen. Ehrlich: Augen auf bei der Berufswahl!!
Doch ich will nicht klagen, es funktionierte prima. Ich wusste irgendwann genau, was vor 150 Jahren passiert war, doch wie zur Hölle sollte das mein Ermittlerteam herausfinden??
3. Die Ermittlungsarbeit
Ich schreibe also und schreibe und schreibe und schreibe schließlich eine Szene, in der sich Fanny mit Betty Murray (das ist eine beliebte Nebenfigur in fast allen Kirkby-Romanen – und außerdem eine supererfolgreiche Thrillerautorin) über den Fall austauscht. Fanny sagt sinngemäß: »Wäre es nicht toll, wenn ein Tagebuch aus der Zeit auftauchen würde?«
Ich persönlich hätte das ganz großartig gefunden, doch dann antwortet Betty ziemlich uncharmant und drastisch: »Das wäre zweifellos schön, aber in einem Krimi eine so billige Auflösung, dass Rezensierende zurecht mangelnde Kreativität der Autorin beklagen würden.«
Mir ist schon klar, wie seltsam das jetzt klingen muss, denn mutmaßlich gehen die meisten Menschen davon aus, dass wir Autor*innen diejenigen sind, die bestimmen, was das Personal in unserern Geschichten sagt und tut. Das ist allerdings nur ein Teil der Wahrheit. In meinem Fall nur ein sehr, SEHR kleiner Teil, denn ich habe schon lange verstanden, dass meine Figuren wortwörtlich ein Eigenleben führen und ich mich besser daran halte. Plotter werden das nicht verstehen, Kolleg*innen, die – wie ich – ihre Geschichten erst beim Schreiben entwickeln und entdecken, jedoch schon.
Allerdings hat mich noch nie eine Figur so derart offensiv sabotiert und in meine Schranken gewiesen. Nach Bettys Satz habe ich das Manuskript für ganze sechs Wochen nicht mehr angesehen! Danach war die drohende Deadline wieder eine super Motivation und mir ist eine gute Lösung eingefallen.
4. Die Titelwahl
Aus oben erwähnten Gründen war der Titel »Highland Crime – Der Tote im Whiskyfass« für mich unabdingbar, auch wenn es – wie ebenfalls oben erwähnt – wirklich massenhaft Geschichten gibt, die sich um diese spezielle Problematik drehen. Eine davon ist Ivy Pauls Roman von 2017 »Der Tote im Whiskey-Fass«. Das hatte ich bei meiner Vorab-Recherche herausgefunden – und auch, dass ihre Story wirklich völlig anders ist als meine.
Übrigens ist auch der Titel anders. Die Unterscheidung »Whiskyfass« vs. »Whiskey-Fass« würde schon als klare Abgrenzung dienen (ohne Bindestrich und mit Bindestrich, schottischer Whisky und irischer Whiskey) , aber in meinem Fall lautet der vollständige Titel ja »Highland Crime – der Tote im Whiskyfass«, ist also definitiv keine Titelschutzverletzung.
Allerdings war ich nicht darauf gefasst, wie viele Leserinnen und Leser mich darauf »aufmerksam« gemacht haben und wie viel Erklärungsarbeit das jedes Mal war ...
Ich kann also alle nur dazu ermuntern, neben meiner Gesichte auch Ivys Buch zu lesen! Dann ist das eine Win-Win-Situation für alle. Einverstanden?
Neue Wege
Trotz all dieser zweifellos selbstverschuldeten Fallstricke bin ich extrem zufrieden mit dem Ergebnis. Dieser Roman hat mich auf so vielen Ebenen aus meiner Komfortzone geholt und mich mehr gefordert als die meisten meiner anderen Geschichten. Herausforderungen sind aber immer toll, daher will ich mich überhaupt nicht beklagen – ganz im Gegenteil: Ich habe unheimlich viel dabei gelernt und das ist schließlich nie ein Fehler.
Meine Lektorin hat mich sogar mit dem überraschenden Lob gesegnet, dass die »Fassleiche«, mein bislang bester Krimi ist! Da Julia mit Elogen sonst eher sparsam ist, fühlte es sich wie ein Ritterschlag an. Mein Erstleser hat übrigens dasselbe gesagt, aber der hat mir vor über zwanzig Jahren auch versprochen, in guten wie in schlechten Seiten an meiner Seite zu stehen, daher könnte es sein, dass es ihm etwas an Objektivität mangelt.
Am besten man macht sich ab heute selbst ein Bild – oder einen Höreindruck, denn auch das ist ein Novum: »Highland Crime – der Tote im Whiskyfass« ist mein erstes Buch, das es bereits zum Start auch in einer Audioversion gibt. Und die ist absolut fantastisch geworden – dem großartigen Sprecher*innen-Team sei Dank.
Wie geht’s weiter?
Für den vierten Fall habe ich bereits einige Ideen, aber keine hat es nach dem »ENDE« des dritten Falls ins Buch geschafft. Hauptsächlich, um mich selbst vor meinen selbst ausgelegten Fallen zu schützen. Vielleicht denke ich beim nächsten Mal einfach vorher ein bisschen intensiver nach.
Vielleicht aber auch nicht.
Wir werden uns überraschen lassen müssen. Aber dann werde ich mich auf stolz als Krimiautorin bezeichnen!
Highland Crime – Der Tote im Whiskyfass
Im Whisky liegt die Wahrheit – und eine Leiche!
Bei einer Auktion auf Monroe Manor entpuppt sich ein wertvolles Whiskyfass als Sarg für einen Mann, der dort seit den 1870er Jahren ruht. Fanny König ist sofort Feuer und Flamme – endlich ein Fall, bei dem sie nicht selbst verdächtig ist! Während ihr Nachbar George King in einer ersteigerten Bibel mit frivolen Randnotizen blättert, stöbert Fanny nicht nur reichlich Staub, sondern auch verwirrende Spuren auf. Wer war der Mann im Fass? Und warum musste er sterben?
Detective Wilson will den Fall schon abschreiben, doch dann zeigen plötzlich Verstrickungen aus viktorianischer Zeit bis heute ihre Wirkung. Die Wahrheit kann immer noch tödlich sein – zumindest für manche.
Das unfreiwillige Ermittler-Duo King & König gerät wieder einmal zwischen alle Fronten. Und nicht nur der Tote im Whiskyfass hütet ein dunkles Geheimnis ...