Carin Müller bloggt ...

Buchtipp: Meine Lese-Highlights in 2019

Lese-Highlights 2019

Erstaunlich – meine letzte Statistik besagt, dass mein beliebtester Beitrag der letzten Monate ausgerechnet ein Buchtipp ist. Der bislang einzige auf diesem Blog. Hmm. Zugegeben, Farbenblind von Trevor Noah ist wirklich toll, aber dass euch Leseempfehlungen mehr interessieren als z.B. Marketing-Tipps finde ich erstaunlich. Es kommt mir aber insofern gelegen, dass ich auch in diesem Jahre eine ganze Reihe großartiger Geschichten gelesen oder gehört habe, die ich euch ans Herz legen möchte. Vielleicht ist ja die ein oder andere Inspiration für Weihnachten dabei?

Michelle Obama: Becoming

Michelle Obama: Becoming

In der Rückschau (nach unfassbaren drei Jahren mit Trump!) kommen einem die Obamas geradezu wie ätherische Lichtwesen aus einer anderen Galaxie vor. Während Baracks Amtszeit gehörte ich jedoch sicher nicht zum jubelnden Heer seiner Superfans. Ich fand ihn sympathisch, das ja, und auch irgendwie cool. Außerdem gefiel mir, dass die Amerikaner tatsächlich einen Schwarzen ins höchste Amt gewählt haben. Es gab aber auch Punkte, die ich nicht so prickelnd fand und ganz ehrlich – seine Familie war mir ziemlich schnurz. Genau genommen konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen, warum alle Welt so ein Gewese um Michelle machte.

Das war meine persönliche Ausgangsbasis, als ich mit Becoming anfing. Ich habe mir die Biografie der ehemaligen First Lady als Audiobook gegönnt – von ihr selbst gesprochen! – und war ihr im Handumdrehen vollständig verfallen. Sie erzählt von ihrer Kindheit und Jugend, berichtet von Freunden und Verwandten, erzählt von Schule, College, Universität und ihren ersten beruflichen Schritten. Dabei spart sie auch konfliktreiche Momente nicht auch und erzählt freimütig von Situationen, in denen sie selbst nicht gut aussah. Natürlich ist reichlich typisch amerikanischer Pathos dabei, aber vor allem stellt sich Michelle Obama mir nun als bodenständige und ausgesprochen nahbare Frau dar, die über ein recht solides und sympathisches Wertesystem verfügt. Spannend wird es, als sie Barack kennenlernt, sie sich verlieben und schließlich eine Familie gründen – parallel zu seinen politischen Ambitionen, die sie schließlich allesamt nach Washington katapultieren. Sehr, sehr eindrucksvoll. Ach ja, inzwischen bin ich natürlich ein wahrer Fan!

John Ironmonger: Not Forgetting the Whale

John Ironmonger: Der Wal und das Ende der Welt

Wenn ich mich für einen einzigen Titel entscheiden müsste, der mich in 2019 auf meinen persönlichen Leseolymp katapultiert hat, dann dieses hier. Ich habe Der Wal und das Ende der Welt in der englischen Originalversion unter dem Titel Not Forgetting The Whale gelesen und es war jenes Cover, das mich total in den Bann gezogen hat: Blaues Meer, blauer Himmel, ein paar Wölkchen, im Vordergrund ein rot-weiß-gestreifter Liegestuhl und draußen im Wasser eine Walfluke, die gerade abtaucht. Ich habe nur das Cover gesehen und den Titel gelesen und schon gehörte das Buch mir. Völlig untypisch für mich, denn normalerweise entscheide ich mich nie nun anhand der Titelgestaltung für eine Lektüre, aber diese fröhlichen Farben und vor allem das Triggerwort »Wal« waren für mich in diesem Fall Grund genug.

Inzwischen bin ich sehr froh, dass ich erstens nicht den Klappentext gelesen habe und mir zweitens nicht die deutsche Version angesehen habe. Die ist optisch nämlich längst nicht so gefällig – auch wenn dort ebenfalls ein Wal zu sehen ist (allerdings meiner Einschätzung nach ein falscher. Im Buch geht es um einen Finnwal, das Tier auf dem Titel dürfte jedoch eher ein Buckelwal sein. *Klugscheißermodusaus*). Hätte ich zum deutschen Buch gegriffen, hätte ich zweifellos den Klappentext gelesen – und es vermutlich nicht gekauft.

So aber habe ich diese atemberaubende Geschichte gelesen, die mit einer sehr skurrilen Szene beginnt und sich dann zu einer atemberaubenden und leider vollkommen nachvollziehbaren Apokalypse aus Börsencrash, weltweiter Grippe-Epidemie und den Konsequenzen aus beidem entwickelt. Ironmonger dreht die Eskalationsstufen immer weiter, bis man glaubt, es geht endgültig nicht mehr weiter – und dann überrascht er mit einem Ende, das mir den Glauben an das Gute in der Menschheit wiedergegeben hat. Nicht mehr und nicht weniger.

Dörte Hansen: Mittagsstunde

Dörte Hansen: Mittagsstunde

Irgendwann im Frühjahr habe ich mit meiner Agentin über Bücher gesprochen – wir kamen auf Dörte Hansens Bestseller »Altes Land« und aus Gründen, an die ich mich heute nicht mehr erinnern kann, habe ich mir im Anschluss an unser Telefonat Mittagsstunde als Hörbuch gekauft. Hannelore Hoger spricht die Geschichte rund um den 47-jährigen Ingwer Feddersen mit einer norddeutschen Schnoddrigkeit, die all die Ereignisse in dem kleinen Dorf in der Geest so plakativ aus den Kopfhörern steigen lässt, als wäre man dabei. Die Handlung mäandert zwischen den 1970er Jahren und der heutigen Zeit – eine ruhige Geschichte, viele Grautöne, wenig bunt, es geht um Verluste, um Abschiede und um einen tröstlichen Neubeginn. Hat mir extrem gut gefallen.

Tim Boltz - Lilly Labord - Edward Snowden

Und noch drei Kurz-Tipps:

Mein Überraschungsbuch im September: Zonenrandkind von Tim Boltz. Eine biografische Coming-of-Age-Geschichte im westdeutschen Zonenrandgebiet kurz vor der Wende. Mal schreiend komisch, mal abgründig, mal nachdenklich, mal total eklig und dann wieder ganz zart. Toll! Soll übrigens auch als Hörbuch genial sein!

Die Zum Kaffee bei Mr. Dalton-Reihe von Lilly Labord haut mich gerade völlig um. In den bislang veröffentlichten vier Teilen (ein fünfter kommt noch in diesem Jahr) dreht sich alles um die magische Welt der »Asperischen Magier«. Intelligent komponiert, witzig und manchmal erschreckend aktuell. Für mich: »Harry Potter für Erwachsene«!

Mein aktuelles Hörbuch ist Permanent Record von Edward Snowden, und bringt mich zur Zeit täglich an den Rand der Paranoia. Richtig überraschend sind seine Erkenntnisse und Behauptungen nicht, doch ist es ein Unterschied, von abstrakten Möglichkeiten zu wissen oder den Überwachungsstaat als Fakt präsentiert zu bekommen. Wer sich beim eben überstandenen Black-Friday-Konsumwahnsinn mit »Smart Home«-Technologie ausgestattet hat, sollte übrigens von der Lektüre absehen. Könnte sein, dass sonst die Alexas dieser Welt ganz schnell auf der nächsten Müllhalde landen. Was vielleicht kein Verlust wäre ...

Ich freue mich übrigens immer über tolle Lese- und Hörtipps! Ihr könnt sie mir auf meinen diversen Social-Media-Kanälen verraten oder mir eine schreiben.