Was soll das? Picard – Staffel 2
23.5.2022
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Brauchte da jemand Geld oder sollte mit aller Macht ein Denkmal niedergerissen werden? Die zweite Staffel von »Picard« ist jedenfalls mehr Frechheit als Genuss. Ich bin derart verärgert, dass ich zum ersten Mal auf diesem Blog einen Verriss schreibe. Warum? Weil ich es persönlich nehme:
»Star Trek – The Next Generation« war für mich nach der originalen »Raumschiff Enterprise«-Serie ein echtes Erweckungserlebnis. In vielerlei Hinsicht: Der Glaube an eine bessere, gerechtere Welt, in der alle Menschen wirklich und wahrhaftig gleichberechtigt sind, in der niemand Armut leidet und jeder die Möglichkeit hat, nach den persönlichen Neigungen zu leben und zu arbeiten.
Das »Star Trek«-Franchise war es aber auch, das mich tatsächlich zum Schreiben inspiriert hat. Meine Fantasie wurde derart beflügelt, dass ich mir eigene Geschichten ausgedacht und »Fanfiction« verfasst habe, ohne zu wissen, dass das überhaupt ein Ding ist. In der Rückschau bin ich allerdings sehr dankbar, dass es damals noch keine Online-Foren gab, wo man diese Storys hätte hochladen können, sodass sie für immer im Giftschrank bleiben werden. Und in zwei Herzen. Denn diese Geschichten habe ich mit meiner Freundin Tanja ersponnen, die ein ähnlich manischer Fan wie ich ist. Oder vielmehr war, denn zumindest für mich ist nun eine Welt zusammengebrochen.
Bin ich zu alt oder zu dumm?
Seit 56 Jahren bevölkern diverse Enterprises und andere wackere Raumschiffe der Föderation in Serien- und Filmformaten die Bildschirme. Los ging es 1966 mit Captain Kirk, Mr. Spock, Lt. Uhura, Schiffsarzt McCoy (Pille) und natürlich Chefingenieur Scott (übrgens Namensgeber von Airedale Scotty!). Da war ich noch nicht geboren, aber mein »First Contact« mit der bunten Enterprise fand ungefähr im Grundschulalter statt. Ich war hochgradig entzückt und mindestens so fasziniert von alldem wie Vulkanier Spock. Selbstredend wurde Jim Kirk zu so etwas wie meine erste Liebe. Als »Das nächste Jahrhundert« zum ersten Mal ausgestrahlt wurde, war ich im Teenageralter und schenkte mein Herz prompt dem Ersten Offizier Will Riker... Und natürlich habe ich Captain Picard angebetet und bewundert.
Mit »Deep Space Nine« bin ich nie richtig warm geworden, »Voyager« dagegen gefiel mir wieder ziemlich gut, genau wie »Enterprise«. Selbstverständlich habe ich mir auch JEDEN Film angesehen (bei denen es Perlen und Abgründe gibt) und auch die animierten Serien. Ich denke, ich kann mich mit Fug und Recht als Superfan und wahren Trekkie bezeichnen – so habe ich sogar einmal eine Convention besucht. Im Kostüm! Mit Tribble! Und habe ein Vermögen für ein Foto mit William Shatner ausgegeben, doch was tut man nicht alles für seine erste Liebe?
Erste Risse erhielt meine loyale Verehrung mit »Discovery«. Das war nicht nur ein Generationen-, sondern ein Paradigmenwechsel. Verwirrender Plot, atemberaubend schnelle Schnitte und eine Grundidee, die ich nicht für Geld ohne Recherchieren wiedergeben könnte. Ich hab’s einfach nicht kapiert. Eine große Enttäuschung, doch ich war geneigt, es als Zeitgeist-Ding zu akzeptieren. Vermutlich zieht die alte Vision bei den jüngeren Zuschauern einfach nicht mehr. Schade, aber nichts zu machen.
Hoffnungsschimmer Picard? (Achtung Spoiler!)
Doch dann wurde die erste Staffel »Picard« angekündigt und ich habe wieder Hoffnung geschöpft. Ich hielt es für extrem unwahrscheinlich, dass sich ein Schauspieler wie Patrick Stewart für einen Discovery-artigen Wirrkram hergibt, und ich war extrem motiviert (wenn auch ziemlich ängstlich), die neue Serie toll zu finden. Es ist mir nicht gelungen, auch wenn es in der ersten Staffel einen durchaus coolen Cast und einen interessanten Grundkonflikt gibt (der Krieg gegen synthetische Lebensformen). Außerdem kann man sich über ein Wiedersehen mit alten »Next Generation«-Figuren freuen, wobei »alt« tatsächlich das Adjektiv der Wahl ist. Doch gut, wir werden alle nicht jünger.
Am Ende der ersten Staffel ist Picards fleischliche Hülle einer mysteriösen Krankheit zum Opfer gefallen, doch Jean-Luc lebt natürlich weiter. In einem synthetischen Körper, der der alten Biomasse zum Verwechseln ähnlich sieht. Und zwischen den Staffeln über Gebühr altert ... Patrick Stewart ist im wahren Leben 81 Jahre alt, sieht aber in der zweiten Staffel aus, wie jemand, der hart an der Dreistelligkeit kratzt, aber Probleme hat wie ein Durchschnittsmann in der Midlife-Krise.
Worum es – u.a. – geht? Um sein nie aufgearbeitetes Trauma, weil er sich die Schuld am Selbstmord seiner depressiven Mutter gibt – was der Zuschauer in endlos langen, qualvollen Traumsequenzen erfährt. Deshalb hat er sich auch nie auf eine eigene Liebe einlassen wollen oder können. Dann taucht Q auf, doch das gottähnliche Wesen, das unter einem unerklärlichen, in früheren Folgen aber wenigstens unterhaltsamen, Picard-Fetisch leidet, ist aus ungenannten Gründen am Ende seiner universalen Kräfte und steht kurz vor seinem Tod. Als letzten »Liebesdienst« an der Menschheit und an Picard, stellt er Jean-Luc und sein Team vor eine praktisch unlösbare Herausforderung: Picard muss sich selbst verzeihen (und anerkennen, dass er nicht am Tod seiner Mutter Schuld hat). Dafür gibt eine alternative, faschistische Zeitlinie, in der Seven (aus Voyager) Präsidentin und Picard der Schlächter-General ist. Wir müssen eine Zeitreise in die Vergangenheit (konkret nach 2024) ertragen – leider ohne Wale und Spock, dafür mit einer entleibten Borg-Königin, die sich zwischendurch einen neuen Körper und eine neue Persönlichkeit zulegt (die Borg sind am Ende voll nett und wollen der Föderation beitreten). Es gibt reichlich Eastereggs und Zitate, um die Fans zu begeistern, doch ... Es ist einfach so unerträglich schlecht. Alles. Wirklich alles. Und es ist mir ein Rätsel, wie ein Ensemble aus derart guten Figuren eine solche Bullshit-Story stricken muss.
Und jetzt?
Mit größtem Entsetzen habe ich gesehen, dass eine dritte (und letzte) Picard-Staffel bereits in der Mache ist. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie tief man da noch sinken kann. Tut es nicht. Bitte! BITTE – ich mein’s ernst! Außerdem läuft gerade ein weiterer Ableger: »Star Trek – Strange New Worlds«. Der Trailer ist sehr vielversprechend, aber mein Herz ist immer noch gebrochen. Es wird dauern, bis ich Captain Pike eine Chance geben werde. Wenn überhaupt.