Carin Müller bloggt ...

Buchtipp: Eine Frage der Chemie

Bonnie Garmus - Eine Frage der Chemie (Lessons in Chemistry)

Wie oft kommt es vor, dass ein Buch einen derart in den Bann zieht, dass man einfach weiterlesen MUSS? Ich gestehe: Bei mir nicht so fürchterlich oft. Dabei lese ich wirklich viel und in der Regel auch nur Bücher, von denen ich im Vorfeld ahne, dass sie mir gefallen könnten. Wenn ein Buch mir keinen Spaß macht, dann breche ich es auch ganz schnell ab, denn ich verschwende keine Lebenszeit mehr auf Geschichten, die mir keine Freude bereiten. Trotzdem ist selten ein Highlight dabei, das mich länger beschäftig. Und so gut wie nie kommt es vor, dass ich mich über schlaflose Nächte freue, weil ich dann weiterlesen kann. »Eine Frage der Chemie« von Bonnie Garmus ist so ein Buch. Und es hat mich mitgerissen wie zuletzt »Der Gesang der Flusskrebse«. Seitdem sind mehr als zwei Lesejahre und mindestens hundert Bücher vergangen.

Eine Frage der Chemie

Die Geschichte um Elizabeth Zott hat mich umgehauen – so witzig, herzzerreißend, klug und packend, wie ich selten andere gelesen habe. Ich habe mir den Roman gekauft, weil ihn mir zwei Freundinnen unabhängig voneinander empfohlen hat – der Klappentext hätte allerdings das Zeug dazu gehabt, die Finger davon zu lassen:

Elizabeth Zott wird Ihr Leben verändern!

Elizabeth Zott ist eine Frau mit dem unverkennbaren Auftreten eines Menschen, der nicht durchschnittlich ist und es nie sein wird. Doch es ist 1961, und die Frauen tragen Hemdblusenkleider und treten Gartenvereinen bei. Niemand traut ihnen zu, Chemikerin zu werden. Außer Calvin Evans, dem einsamen, brillanten Nobelpreiskandidaten, der sich ausgerechnet in Elizabeths Verstand verliebt. Aber auch 1961 geht das Leben eigene Wege. Und so findet sich eine alleinerziehende Elizabeth Zott bald in der TV-Show »Essen um sechs« wieder. Doch für sie ist Kochen Chemie. Und Chemie bedeutet Veränderung der Zustände ...

Das ist zwar alles richtig, trifft die Magie der Geschichte meiner Meinung nach jedoch überhaupt nicht.

Elizabeth ist derart brillant dargestellt, dass man beim Lesen das Gefühl hat, es müsse sich um eine echte Person handeln. In einem Interview mit der Autorin habe ich gelesen, dass sie mit ihrer Protagonistin oft harte Kämpfe auszufechten hatte, denn Elizabeth hat wohl sehr klar kommuniziert, in welche Richtung sich eine Szene entwickeln soll und was für sie gar nicht geht. Das erscheint Menschen, die selbst nicht schreiben, mutmaßlich ein wenig seltsam oder gar wie Koketterie seitens der Autorin, doch aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass es häufig so ist. Wenn das Personal so meinungsstark ist, dass die Person auf der anderen Seite der Tastatur Schweißperlen auf die Stirn bekommt, dann hat die Geschichte Potenzial, richtig gut zu werden.

Fazit

Liebe, Gesellschaftskritik, Gleichberechtigung, Wissenschaft – Verzweiflung, Mutlosigkeit, Kampfgeist und Zuversicht, das sind einige der Themen und Gefühlszustände, die uns Leser bei der Lektüre begleiten. Und ja, es ist fast von der ersten Seite an ein Wechselbad der Gefühle, in das Bonnie Garmus die Leserschaft wirft. Garniert mit einer Menge Warmherzigkeit und Komik und überraschenden Perspektivwechseln wird daraus eine fulminante Heldinnengeschichte in einer Zeit, als Frauen noch keine Heldinnen sein durften.

Doch nicht nur Elizabeth ist ein Juwel, auch die Nebenfiguren sind brillant gezeichnet. Mein absoluter Liebling ist ihr Hund Halbsieben, aus dessen Blickwinkel auch die erschütterndsten Szenen geschildert werden. Dann gibt es noch die Nachbarin, den überforderten, aber loyalen Fernsehproduzenten, einen Gynäkologen mit Ruder-Leidenschaft und so viele mehr. Ich bin gespannt, ob die Geschichte verfilmt werden wird – das Zeug zum Knüller hätte sie. Aber andererseits ist das Kopfkino schon bildgewaltig genug gewesen.