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Buchtipp: Der Schlaf der anderen

Tamar Noort - Der Schlaf der anderen, eine Buchkritik

Als ich neulich in einer Episode meines Lieblingspodcasts »eat.read.sleep« vom NDR die Besprechung von Tamar Noorts neuem Roman »Der Schlaf der anderen« gehört hatte, war mir klar: Das wird mein nächstes Buch!

Die Gastgeber Daniel Kaiser und Jan Ehlert waren sich einig, dass es sich bei dieser Geschichte um intelligente Unterhaltung mit vielen überraschenden Wendungen und »auch um einen Emanzipationsroman« handelt. Besonders beeindruckt hatte die beiden, wie die Protagonistinnen Janis und Sina mitten in der Nacht ein Sofa durch einen Friedhof schleppen. Davon haben sie derart mitreißend geschwärmt, dass ich mir den Roman umgehend besorgt habe.

Kurz ein paar Sätze zur Handlung: Sina ist Mitte vierzig, verheiratet, Mutter, Lehrerin – und schläft nicht mehr. Oder nur noch mithilfe von Schlaftabletten. Janis ist im gleichen Alter und schläft ebenfalls kaum, weil sie in aller Regel nachts arbeitet – in einem Schlaflabor, wo sie auch auf Sina trifft. Sie soll den Schlaf ihres »Gasts« überwachen, doch Sina hat nach wenigen Stunden keine Lust mehr. Gemeinsam landen sie erst auf dem Dach und anschließend in der schlafenden Nacht.

Daniel und Jan bezeichnen diesen Abschnitt im Roman als »Roadmovie« und diese Einschätzung würde ich so unterschreiben, doch die Geschichte ist so viel mehr. Wir lernen schlaglichtartig zwei Lebensläufe kennen, die auf dem ersten Blick kaum unterschiedlicher sein könnten und dann doch unwahrscheinlich viele Parallelen aufweisen. Die beiden Frauen verbindet mehr, als sie trennt – auch wenn es etwas dauert, bis sie das begreifen.

Schlaflose Nächte

Ich mochte das Buch über weite Strecken wirklich sehr, es hat mir allerdings auch ein gewisses Unbehagen bereitet, das ich zunächst nicht wirklich ergründen konnte. Vielleicht war es Zufall, vielleicht auch nicht, aber während ich mit »Der Schlaf der anderen« beschäftigt war, hatte sich auch meine ohnehin ziemlich labile Schlaffähigkeit verabschiedet. Ich lag also wie Sina und Janis lange wach, und wie den beiden sind auch mir die merkwürdigsten Gedanken durch den Kopf gespukt.

Nun bin ich grundsätzlich nicht die beste Schläferin unter der Sonne – oder eher: unter dem Mond – und es war tröstlich, in einem Roman zu lesen, dass viele mittelalte Frauen von diesem Problem betroffen sind. Den Hauptgrund für dieses beinahe epidemische Leiden verschweigt Tamar Noort allerdings: Bei sehr, sehr vielen Betroffenen sind die Wechseljahre schuld am Elend, bzw. verstärken sie bereits bestehende Schlafprobleme noch mehr.

Dieser so offensichtliche Aspekt fehlte mir in dieser Geschichte und ließ mich mit dem Gefühl zurück, dass schlaflose Frauen doch vor allem irgendwie merkwürdig sind – und ultimativ selbst schuld. Die Gründe für den fehlenden Schlaf wurden ausschließlich im Außen gesucht (Job, Familie, allgemeiner Stress, Schichtdienst, etc.), aber die für so viele Frauen entlastende Erkenntnis, dass es auch hormonell bedingt sein kann, kam einfach nicht vor. Jetzt ist mir natürlich klar, dass ein Roman keine Ratgeberfunktion hat und die Kollegin den Fokus schlicht anders gelegt hat, trotzdem bleibt ein schaler Beigeschmack.

Warum ich diesbezüglich so dünnhäutig reagiere, lässt sich auch trefflich in meinem Artikel Die Rache der Moody Bitch nachlesen.

Jedenfalls fühlte ich mich verraten von einer Autorin, von einer Frau, die es besser wissen müsste (da nur unwesentlich jünger als ich). Und es hätte der Story ganz sicher nicht geschadet, hätte sie die Hormone erwähnt. Im Gegenteil.

Dass zwei Männer diesen Punkt nicht wahrnehmen, ist nicht weiter verwunderlich (und auch nicht vorzuwerfen), aber ganz kann ich den eat.read.sleep-Jubel über dieses Buch dann leider doch nicht teilen. Mir ist auch bewusst, wie doof und kleinlich sich diese Kritik anhören mag (ich weiß es sogar aus eigener Erfahrung), aber für mich war es verschenktes Potenzial in einer Geschichte, die noch größer und eindrucksvoller hätte werden können, als sie ohnehin schon ist.

Möge sich aber jede(r) eine eigene Meinung bilden.

Und das ist der Klappentext von »Der Schlaf der anderen«

Als Nachtwache im Schlaflabor bringt Janis Fremde ins Bett und schaut ihnen beim Schlafen zu. Der Tag-Nacht-Rhythmus, der anderen Menschen eine natürliche Struktur gibt, gilt für sie nicht. Janis arbeitet, wenn andere ruhen, sie lebt allein und hat sich mit sich selbst gut eingerichtet. Erst als Sina bei ihr auftaucht, erwacht in Janis wieder der Wunsch nach einem anderen Leben.

Sina ist Lehrerin und hat einen geregelten Alltag. Doch allmählich entgleitet ihr die Kontrolle: über ihre Familie, ihre Arbeit, ihr ganzes Leben. Als sie Janis kennenlernt, lässt sie einmal die Krisen los, die zu Hause auf sie warten. Woher kommt die starke Verbindung, die beide Frauen spüren?

Langsam befreien sich Janis und Sina von dem Takt, den der Alltag ihnen vorgibt. Sie begeben sich auf eine Reise durch die Nacht, in der auf einmal alles auf dem Spiel steht – und nichts mehr bleibt, wie es war.