Carin Müller bloggt ...

Wenn Pinguine fliegen könnten

Wenn Pinguine fliegen könnten

Seit ich mit diversen Social-Media-Planungstools arbeite (nicht so erfolgreich wie erhofft!), fallen mir Tag für Tag die bizarrsten Events auf. Kürzlich gab es den »Festtag der fabelhaften wilden Männer« (am 12.1.), übrigens zeitgleich mit dem »Curry-Hühnchen-Tag«. Den »Tag der Poesie am Arbeitsplatz« habe ich ähnlich ignoriert wie den »Blockflötentag« (ich kann das betuliche Geflöte nicht leiden!), aber um den »Ehrentag der Pinguine« komme ich nicht herum. Der ist heute – und ich bin nicht betrunken! Danke der Nachfrage.

Sympathieträger und Symbolfiguren

Pinguine gehören für mich zu den sympathischsten Tieren überhaupt. Sie sind immer tadellos gekleidet und meistern ihr Los, flugunfähige Vögel zu sein, mit unnachahmlicher Nonchalance – und bewundernswerter Körperbeherrschung im Wasser. Großartig. Pinguine werden aber auch symbolhaft mit Schwarzweißmalerei und mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht. Ersteres dürfte wohl vorwiegend an ihrer schicken Optik liegen, zweiteres am dramatischen Schwinden ihrer Lebensräume.

Menschen, die zur Schwarzweißmalerei neigen, also unfähig oder zumindest unwillig sind, Grau- und Zwischentöne zu erkennen, haben in der Regel auch eine sehr eindeutige Meinung zum Thema Klimawandel. Die einen leugnen ihn rundheraus und verteufeln aufs Übelste Menschen wie Greta Thunberg, die anderen verorten den Planeten schon in einer Vorhölle ohne Chance auf Erholung und würden Greta am liebsten heiligsprechen. Vermutlich rechnet sich die junge Schwedin keinem der beiden Lager zu.

Ich weiß nicht, ob diese Radikalisierung Zufall ist, ich wünsche mir jedoch, dass sich jeder von uns bemüht, die eigene Kleingeistigkeit zumindest ein Stückchen zu verlassen und Augen, Ohren, Verstand und Herz für bunte Farben und Zwischentöne zu öffnen. Die Welt besteht nicht (nur) aus Extremen, zum allergrößten Teil besteht sie aus Abstufungen. Das ist natürlich deutlich unbequemer, sich da einen Überblick zu verschaffen, klare Verortungen – rechts oder links, oben oder unten, arm oder reich, schön oder hässlich, dick oder dünn, schwarz oder weiß – sind doch viel bequemer. Sie machen das Leben überschaubarer. Scheinbar jedenfalls. Ich finde aber, dass es sich immer lohnt, ein bisschen weiterzudenken und keine voreiligen Urteile zu fällen.

Kontrastreich und doch voller Schattierungen

Um noch mal zu den Pinguinen zu kommen: Sie können nicht fliegen, das könnte man nun als echten Minuspunkt bezeichnen – vor allem, weil sie ja Vögel sind. Dafür können sie prima schwimmen – dicker Pluspunkt. Aber nicht so gut wie viele Fische und unter Wasser atmen können sie auch nicht – dafür gibt’s also wieder Abzüge. Aber auch sonst führen sie interessante Leben. Bei einigen Pinguin-Arten sind allein die Männchen für das Ausbrüten der Küken zuständig. Bei anderen beobachtet man regelmäßig homosexuelle Partnerschaften (zumindest in Zoos), monogame Partnerschaften stehen bei den meisten Arten hoch im Kurs und die Paare bleiben sich in der Regel ein Leben lang treu. Ich finde, das sind schon ziemlich viele Schattierungen, die diese Vögel zu bieten haben – und das nach ungefähr dreiminütiger Recherche. Wie viel spannender und komplexer würden sich die Tiere erst präsentieren, wenn man sich die Mühe macht, sich gründlich über sie zu informieren?

Extreme Standpunkte hinterfragen, mehr als eine Informationsquelle nutzen, eigene Schlüsse ziehen und davon sinnvolle und zielführende Handlungen ableiten – das würde die Welt zu einem besseren Ort machen. Was das nun mit den Pinguinen zu tun hat? Vordergründig nicht viel, aber als Wappentier der Toleranz würden sie sich auch ganz prächtig machen.