Carin Müller bloggt ...

Nur ein Hund?

Ist das abwertend oder ein Kompliment?

Der schlimmste Tag im Leben von Hundemenschen ist nun auch bei uns eingetroffen – wir mussten unseren Toni am 29. Juni gehen lassen, was gleichzeitig der letzte Liebesbeweis und der größte denkbare Schmerz war und ist. Trauer ist mir (leider) nicht fremd und ich habe geahnt, dass mich der Tod unseres Herzenshundes mitnehmen wird, aber mir war nicht klar, wie fürchterlich es tatsächlich ist.

Toni tapste am 22.12.2008 mit zehn Wochen auf riesigen Pfoten in unser Leben und hat in den folgenden zwölfeinhalb Jahren dafür gesorgt, dass unser Alltag bunter wurde. Viel bunter, denn einen einfallsreicheren, charmanteren und schlitzohrigeren Schlingel kann man sich kaum vorstellen. Er hat uns jeden Tag zum Lachen gebracht, manchmal auch zum Weinen und gar nicht so selten zum Toben, wenn er seinen Terrier-Sturkopf durchsetzen wollte und Situationen vollkommen anders interpretiert hat als wir.

Mit der Ausnahme einiger Urlaube war er immer an unserer Seite. Vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Niemand konnte unbemerkt in die Küche gehen oder ohne ihn das Haus verlassen. Er war immer dabei. Morgens nach dem Aufstehen, ging der erste Weg nicht aufs Klo, sondern zum Hund (der übrigens gerne länger schlief und fast immer noch in seinem Hundebett oder auf dem Teppich im Flur träumte). Abends vorm Schlafengehen hatten Herr und Hund noch ihre »Männerzeit«. Ich weiß nicht genau, was sie da besprochen haben, es war aber zweifellos wichtig und innig.

Toni war, bis auf den ersten, bei allen Romanen, die ich bislang geschrieben habe, an meiner Seite. Immer geduldig, aber zwischendurch auch energisch, wenn es er der Meinung war, dass ich jetzt lieber mit ihm Gassigehen sollte. Sein Schnarchen war der Soundtrack zu meinem Tastaturgeklapper. Wie soll ich das in Zukunft ohne ihn schaffen? Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Er hat mich auch zu zahllosen Geschichten und kleinen Artikeln inspiriert. Einen davon gibt’s gleich zu lesen. Wer macht in Zukunft mein Leben bunt? Und wer kittet mein in tausend Stücke zerbrochenes Herz?

Nur ein Hund? Bester Freund

Von Toni lernen

Mein Mann hat sehr schöne Worte gefunden:

Was bleibt uns – außer den vielen, vielen kostbaren Erinnerungen an schöne, skurrile, innige, turbulente Momente mit Toni – jetzt, da er nicht mehr auf dieser Welt ist?

Wir konnten sein Leben lang von ihm lernen, und das sollten wir auch rückblickend tun. Denn in vieler Hinsicht war er ein Vorbild:

  • Toni lebte im Jetzt, unbekümmert. Er konnte sich ganz dem Moment hingeben, war authentisch, spontan, immer bei sich. Er ergriff jede Chance, das Leben zu genießen.
  • Er war gern und ganz selbstverständlich ein Mitglied unserer Gemeinschaft. Gleichzeitig gab er seinen Bedürfnissen immer Raum und Ausdruck, ging seinen Weg.
  • Er war aufgeschlossen und empfänglich, ging auf (die meisten) Menschen und Tiere zu. Er war unvoreingenommen, nie nachtragend.
  • Er war nie aggressiv. Doch er konnte entschieden, energisch und kämpferisch sein, besonders in seinen jungen Jahren.

Nur ein Hund? Wirklich?

Nur ein Hund?

Die Welt wäre zweifellos ein besserer Ort, wenn wir angebliche »Krone der Schöpfung« uns in diesen Aspekten an den Hunden orientierten. Es gibt bestimmt Menschen, die das nicht nachvollziehen können. Und die auch nicht verstehen, wie schmerzhaft es ist, so ein wundervolles Wesen zu verlieren. Vielleicht denken oder sagen sie gar: »Was soll der Aufriss? Er war doch nur ein Hund!«

Nein, er war nicht »nur« ein Hund. Er war ein Hund. Und das ist in meinen Augen das größte Kompliment für diese große, reine Seele.

Ich muss allerdings auch feststellen, dass mich bisher keine dieser »war doch nur ein Hund«-Stimmen erreicht haben. Die allermeisten Menschen sind voller Mitgefühl und Anteilnahme und ich bin sehr dankbar dafür.

Nur ein Hund? Personal Terrier

Sport mit dem Personal Terrier

Diese Kolumne ist im Frühjahr 2015 im Magazin »Hundeschau« erschienen:

Der Mensch soll sich ja fit halten. Das gilt insbesondere für Existenzen, die sich den ganzen Tag am Schreibtisch den Hintern breit sitzen und statt Holz zu hacken oder Mammuts zu jagen, nur den Kopf beschäftigen. In meinem Fall auch noch die Finger. Das ist alles schrecklich ungesund und birgt fürchterliche Gefahren wie Bluthochdruck und Schreibblockaden. Daher wird allen Schreibtischarbeitern Ausgleichssport empfohlen – idealerweise sogar mit einem Personal Trainer. Ich bin bereits eine Stufe weiter: Ich habe einen Personal Terrier (PT)!

Und Toni nimmt seinen Job verdammt ernst. Damit sich bloß kein Gewöhnungseffekt einstellt, lässt er sich täglich neue Workout-Varianten einfallen – schließlich braucht die träge Muskelmasse für den optimalen Effekt ja eine Vielzahl unterschiedlicher Reize. Routine wäre da nur kontraproduktiv und mein Airedale legt großen Wert auf fitte Zweibeiner.

Basis-Workout: Beginnen wir zunächst mit dem Standardprogramm. Rennen ist die natürliche Fortbewegungsart der meisten Hunde – und der wenigsten Menschen. Daher ist es beim gemeinsamen Joggen das A und O, dass sich Personal Terrier und zu trainierender Mensch, VOR der Einheit auf Route, Dauer und Pausen einigt. Soweit jedenfalls die Theorie.

Joggen 1: Die Praxis sieht unter der Woche so aus, dass die zu trainierende Zweibeinerin zu nachtschlafender Zeit gegen halb sieben den Terrier weckt, der noch selig träumt. Ihr schwebt ein entspannter, vierzigminütiger Lauf durch den Frankfurter Grüneburgpark vor, in gleichmäßigem Tempo und mit einem kurzen Zwischenstopp auf der Hundewiese, damit PT seine wesentlichen Geschäfte erledigen kann. PT hat andere Pläne. Er setzt kurzerhand das Trainingsmodell Fahrtspiel auf die Agenda. Wikipedia definiert dieses Konzept folgendermaßen: »Als Fahrtspiel (von schwedisch: Fartlek, von fart = Geschwindigkeit und lek = Spiel) bezeichnet man eine Trainingsform im Laufsport, bei der das Lauftempo während eines Dauerlaufes mehrmals gesteigert und verringert wird.« PT setzt es so um: In gemütlichem Tempo lostrotten, nach etwa zwanzig Metern der erste Stopp, Bein heben. Sanftes Antraben. Abrupter Stopp nach hundert Metern zwecks ausführlicher Analyse der Mauerbeschichtung. Losrasen, weil an der nächsten Ecke die schwarzweiße Katze auf dem Zaun sitzt. Drei- bis fünfmalige Wiederholung bis wir im Park ankommen. Dort einvernehmliche Pause auf der eingezäunten Hundewiese. Danach Diskussion über die Dauer der Pause. Diskussion über die weitere Route. Diskussion über Sinn und Unsinn des Leinenzwangs. Endlich weiterlaufen. Abrupter Stopp, weil sich wild geifernd Todfeind Otto nähert, der den Leinenzwang stets zu seinen Gunsten entscheidet. Diskussion, ob man Otto ermorden soll oder nicht. Otto wird nicht ermordet! Aber dafür vielleicht ein Kaninchen? Nein? Da wird PT bockig und mag nicht mehr weiterlaufen. Keinen Millimeter. Abbruch der Trainingseinheit.

Joggen 2: Am Wochenende geht es in den Niddapark. Dort ist Freilauf gestattet und zu trainierender Zweibeiner läuft entspannt und in gleichmäßigem Tempo, während PT … äh … andere Dinge erledigt. Die Trainingsreize setzt er dort nur sehr punktuell: Indem er beispielsweise illegal Sportgeräte beschafft (Bälle, Frisbees …), die ihm erst nach wilder Hatz und reichlich List und Tücke abgerungen und anschließend den rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben werden müssen. Oder ein Schäferstündchen mit einer heißen Hündin in Erwägung zieht, was in letzter Sekunde verhindert werden muss. Oder indem er einfach wie vom Erdboden verschwindet. Game over.

Für Fortgeschrittene: Fahrradfahren ist besonders schonend für die Gelenke – zumindest für denjenigen, der auf dem Drahtesel sitzt. Das Radeln haben wir daher erst begonnen, als PT knapp zwei Jahre alt und vollständig ausgewachsen war. Inzwischen schätzt er die täglichen Touren ins und vom Büro. Doch das war nicht immer so. Anfangs war das Rad ein schlimmerer Feind als Otto. Aber auch nur, weil Sportgerät samt Menschenfrau auf PT gestürzt waren, da PT spontan ein Eichhörnchen jagen wollte. Das Problem ließ sich mit viel Leberwurst aus dem Weg schaffen. Einmal das Fahrrad komplett mit Leberwurst eingeschmiert und PT zum Fraß vorgeworfen. Seitdem sind die beiden beste Freunde. PT Toni glaubt auch gut vier Jahre später immer noch, dass sich das Rad eines Tages, wenn er nur lieb genug ist, in eine Riesensalami verwandelt. Taktischer Sieg für die zu trainierende Zweibeinerin.

Neuerdings versuchen wir es übrigens auch mit Mental- und Krafttraining – damit auch der Geist nicht zu kurz kommt. Was PT von Yoga hält (nicht viel) und wie er das schlappe Frauchen beim minutenlangen Planking unterstützt (zärtliches Ablecken der nackten Fußsohlen oder sanftes Zausen der Haare), wird jedoch ein anderes Mal erzählt werden. Wir müssen jetzt rennen.

Diese Kolumne findet sich auch in meinem Buch »Problemzonen« – mit weiteren lustigen Toni-Geschichten. Das eBook gibt’s kostenlos zum Download im Wunschformat. Einfach hier klicken!

Und auch hier auf diesem Blog finden sich noch ein paar Toni-Geschichten. Beispielsweise die legendäre »Klette an Rosette« oder die »Starallüren des Krümelmonsters«. Mit meinem Roman »Hundstage« habe ich ihm - hofftenlich! - ein amüsantes und liebevolles Denkmal in Romanform gesetzt.