Carin Müller bloggt ...

Die Backlist arbeitet

Warum es sinnvoll ist, die eigene Backlist zu pflegen.

»Wer nicht wirbt, der stirbt«, hat einst Henry Ford gesagt und natürlich steht dieses Zitat auch bei den heutigen Marketing-Gurus ganz oben auf ihrer Argumentationskette. Dieses drastisch klingende Prinzip leuchtet natürlich auch den allermeisten Autor*innen ein. Zumindest jenen, die es ernst mit ihrem Bücher-Business meinen. Besonders wichtig ist es für Selfpublisher, aber auch Schreibende, die bei einem Verlag veröffentlichen, müssen selbst aktiv werden, um den Verkauf ihrer Bücher anzukurbeln.

Dabei sind manche Strategien gerade sehr im Trend, während andere dagegen kaum beachtet werden. TikTok ist in diesen Tagen für Büchermenschen das Werbemittel der Wahl. »Booktok« sprengt gerade alle Vorstellungen dessen, was mit organischen Social-Media-Aktivitäten möglich ist. Ich gebe zu, dass mich die Plattform ebenfalls außerordentlich fasziniert (obwohl ich sie gerne hassen würde) und ich mich stundenlang darin verlieren kann. Genau das ist das Problem mit TikTok. Man verbringt selbst als passiver Konsument viel zu viel Zeit damit und müsste als Content-Produzentin idealerweise noch mehr davon investieren. Das würde ich gerne, kann es mir aber buchstäblich nicht leisten.

Zeit ist Geld

Denn hier kommt die nächste Binse ins Spiel: »Zeit ist Geld!« Es ist womöglich gut investierte Zeit, die man als Autor*in auf TikTok verbringt. Hat man die ersten Clips geschaffen, die viral gegangen sind, dann mag sich der Aufwand auch monetär lohnen. Das Problem: Die Zeit dafür ist trotzdem weg. Es ist Zeit, in der ich an keiner weiteren Geschichte schreiben konnte. Zeit, die ich nicht für meinen Newsletter eingesetzt habe. Zeit, die mir keiner mehr zurückgeben kann. Kurz: zu teuer für mich! (Zumindest im Moment – ich will in der Zukunft nichts ausschließen.)

Nachhaltiger ist meiner Meinung nach dagegen die Pflege der eigenen Backlist. Dazu habe ich vor einem guten Jahr schon mal einen Artikel geschrieben, als ich mich der Problematik zum ersten Mal genähert habe. In »Backlist-Pflege« spreche ich ausführlich über die zwar wenig glamourösen Möglichkeiten, die aber dafür längst nicht so zeitaufwändig sind und für ein stetiges passives Einkommen sorgen. Das war zumindest damals meine Hoffnung. Heute ist Zeit für eine Analyse:

Die Backlist lebt und arbeitet

Steht man noch am Anfang seiner Laufbahn, dann ist das erste Buch ein wertvolles Juwel und es erscheint undenkbar, dass es irgendwann seinen Glanz verliert. Ähnliches gilt auch noch fürs zweite und vielleicht dritte Buch. Doch irgendwann ist immer der neueste Titel der attraktivste. Ist auch gut so, denn natürlich sollte man den Großteil seiner Energie in das »shiny new object« fließen lassen, also das verführerisch glitzernde neue Ding.

Es ist allerdings fatal, wenn man darüber seine frühen Juwelen aus den Augen verliert. Je länger man im Geschäft ist, desto mehr Lesende schart man idealerweise um sich – und jede neue, begeisterte Leserin hat keine Ahnung von den früheren Titeln und ist potenziell offen dafür, ihnen eine Chance zu geben. Will heißen, für Leser X der von Autor Y den aktuellen Titel gekauft und gefeiert hat, sind alle früheren Bücher von Y komplett neu. Egal, ob die zwei Monate oder zwanzig Jahre alt sind. Nun muss man diesem Einhorn X die Backlist nur noch schmackhaft machen.

Cover und Klappentexte, die vor fünf, zehn oder fünfzehn Jahren der neue heiße Scheiß waren, funktionieren heute womöglich nicht mehr, denn diese Dinge unterliegen ebenfalls Trends. Da kann es sich lohnen, einen neuen Klappentext zu schreiben (kostet außer etwas Zeit gar nichts) und in ein modernes Cover zu investieren.

Ich habe im letzten Jahr meinem Debütroman »Mopsküsse« und seinem Nachfolger »High Heels und Hundekuchen« ein komplettes Makeover verpasst: neue Cover, neue Titel (»Wie war das mit den zauberhaften Anfängen« und »Wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende«), neue Werbetexte. Von NULL Verkäufen (die Originalausgaben waren nicht mehr gelistet) habe ich jetzt regelmäßige Umsätze. Keine großen, aber immerhin. Und umso erstaunlicher, als wir hier von vierzehn bzw. zwölf Jahre alten Titeln sprechen, die von einer Autorin stammen (dem Wirtskörper Carin Müller), der seit 2016 im Ruhestand ist und nichts mehr schreibt.

Wie Phönix aus der Asche

Anderes Beispiel: Mein Roman »Robin – High in the Sky« war 2018 ein gigantischer Flop, obwohl ich bis dahin noch nie derart viel Herzblut und Geld in eine Geschichte investiert hatte. Einiges dazu habe ich im Artikel »Robins zweiter Frühling« geschrieben. Seit ich dieser Geschichte vor gerade einmal zwei Monaten ein neues Cover und einen leicht geänderten Klappentext gegönnt habe, hat sich der Roman zur zuverlässigen und signifikanten Einnahmequelle gemausert.

Und das (fast) ganz ohne (bezahlte) Werbung, was übrigens auch für die anderen Backlist-Titel gilt. Im Wesentlichen ist der Erfolg nämlich auf eine absolut kostenlose Maßnahme zurückzuführen: den Backlist-Katalog am Ende eines jeden Newsletters. Letztes Jahr hatte ich angekündigt, dass ich es versuchen werde, doch damals war ich mir nicht sicher, ob es funktioniert. Doch tatsächlich bekommt mein Katalog bei jeder Mail richtig viele Klicks – und die alten Bücher werden gekauft.

Was nicht gut geklappt hat

Nicht so erfolgreich war dagegen mein »Backlist-Freitag« auf Instagram und Facebook. Über mehrere Monate hinweg habe ich jeden Freitag eines meiner alten Bücher vorgestellt. Diese Beiträge haben zwar eine durchaus erfreuliche Reichweite erzielt, jedoch zu keinen nennenswerten Verkäufen geführt. Inzwischen habe ich diese Aktion längst wieder eingestellt.

Fazit

Natürlich kostet es auch Zeit und Geld, wenn man seine Backlist aufpoliert, vor allem dann, wenn man auch inhaltlich überarbeiten will (was ich so gut wie nicht getan habe). Die reine Kosmetik (neue Cover, neuer Buchsatz, neuer Klappentext) ist dagegen relativ schnell erledigt und sehr schnell zeigt sich, ob man den Nerv getroffen hat, oder nicht. Es macht ganz sicher nicht so viel Spaß wie TikTok, ist aber eine gute Pflege des eigenen Fundaments. Und ganz ehrlich: Es muss ultimativ auch keine Entweder-oder-Entscheidung sein. TikTok hat auch schon ältere Titel auf die Bestsellerlisten gespült. Vielleicht meine Challenge fürs nächste Jahr? Ich werde berichten.