Schreibmythos: Selfpublishing vs. Verlag
25.3.2024
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Heute geht’s um eines der hartnäckigsten Vorurteile in der Buchszene: »Selfpublisher haben keinen Verlag bekommen, weil sie einfach zu schlecht sind!« Ja, dieses Gerücht hält sich immer noch. Und leider gibt es sogar immer noch Branchenverbände, die das Konzept Verlag als alleiniges Entscheidungsmerkmal für die Aufnahme von neuen Mitgliedern hochhalten. In einem davon bin ich sogar selbst organisiert, obwohl ich diese Attitüde absolut unerträglich finde.
Ehrlich, es gibt kaum etwas in der Buchwelt, das mich mehr nervt als diese Schwarz-Weiß-Denke, die da im Wesentlichen heißt: Verlagsbücher sind qualitativ hochwertig, selbstpublizierte Bücher sind minderwertig!
Meine Erfahrungen in der Buchwelt
Vor ziemlich genau zwanzig Jahren ist das erste Buch erschienen, das ich geschrieben habe. Es stand nicht mein Name auf dem Cover, denn es war ein Ghostwriting-Projekt für einen Coach. Inhaltlich fand ich’s grauenvoll, aber der Auftraggeber wollte es so und hat dafür bezahlt. Der Verlag (ein sehr bekannter) hat es durchgewunken und veröffentlicht.
2006 ist das erste Buch mit meinem Namen drauf erschienen. Ein kleiner Ratgeber mit dem klangvollen Titel »Action Kids Rhein-Main«. Dabei war ich weniger als Autorin herausgefordert, denn als Journalistin. Im Wesentlichen bestand das Büchlein nämlich aus einer Sammlung von Adressen.
2009 ist mein Romandebüt auf den Markt gekommen: »Mopsküsse« bei Goldmann. Viel größer und renommierter kann ein Verlag kaum sein. Gerade für ein Debüt.
2014 war dann mein Selfpublishing-Debüt mit »Gefühlte Wahrheit«, eine ziemlich schräge Geschichte, die ich immer noch sehr mag, die ich heute aber nicht mehr schreiben würde.
Inzwischen dürfte ich bei rund 40 Publikationen angekommen sein. Manche sind nicht mehr erhältlich, manche wurden zu Sammelbänden zusammengefasst. Ich arbeite ausschließlich mit namhaften Publikumsverlagen zusammen und habe Veröffentlichungen bei Goldmann, Lübbe, Droemer Knaur und Heyne. Ich veröffentliche aber auch nach wie vor und sehr gezielt meine Bücher selbst.
Man kann also davon ausgehen, dass ich einen ganz guten Überblick über die Branche habe. Ich habe tolle Erfolge erlebt und bittere Flops durchlitten – auf beiden Veröffentlichungswegen. Habe wunderbare Unterstützung erhalten und fiese Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommen. Ich habe sehr viele Fehler gemacht (gefühlt alle) und sehr viel lernen dürfen. Und ich weiß mit absoluter Sicherheit, dass ein Verlagslabel nicht zwangsläufig ein Garant für Qualität ist.
Hochloben und Verteufeln
Greift man zu einem Buch aus einem der großen Publikumsverlage, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass zumindest gewisse Mindeststandards eingehalten werden. In der Regel hat das Manuskript mehrere Lektoratsdurchgänge durchgemacht und es hat ein professionelles Cover-Design erhalten. Doch all das ist kein Garant für Qualität oder gar Erfolg. Gerade die sogenannten Midlist-Titel, die das Verlagsprogramm rund um die manchmal teuer erkauften Top- und/oder Lizenztitel aufplustern sollen, werden nicht selten ziemlich stiefmütterlich behandelt. Liebloses Cover, oberflächliches Lektorat und exakt NULL Marketing. Für den Verlag mag sich das rechnen, für die Autor:innen ist es oft sehr schmerzhaft. Und für die Leserschaft manchmal ziemlich frustrierend, weil die Qualität eben nicht immer stimmt.
Selbstverständlich gibt es ganz wunderbare, engagierte Kleinverlage, die zwar keinen (nennenswerten) Vorschuss zahlen können, aber großartige, hochwertige Bücher produzieren. Das ist fantastisch für die Lesenden, wenn sie auf diese Juwelen stoßen, aber meist deprimierend für die Urheber:innen, da finanziell fast nichts rausspringt.
Es gibt aber auch unzählige mittlere und kleine Verlage, denen jedes Gespür für die Geschichten, den Markt, die Manuskriptarbeit und die Autor:innen abgeht und die so gut wie jeden Müll veröffentlichen, um eine gewisse Marktrelevanz zu erreichen. Das Schlimme ist, es klappt. Denn egal wie abseitig der Verlag sein mag (das ist ja nicht einmal ein geschützter Begriff, es kann sich so gut wie jeder einfach auch Verlag nennen), der Nimbus funktioniert. Im Buchhandel, bei Branchenverbänden (ja, DELIA, ich schaue in eure Richtung!) und natürlich auch bei der Leserschaft. »Das ist bei einem Verlag erschienen, das MUSS gut sein.«
Es kann gut sein. Es kann sogar sehr gut sein, aber ist auch sehr oft die absolute Vollkatastrophe, gerade auch was quantifizierbare Qualitätsmerkmale wie sauberes Lektorat und professionelles Cover betreffen.
Und ja, natürlich gibt es nach wie vor auch viele Selfpublisher, die ihre unkorrigierten Ergüsse mit einem selbstgebastelten Cover auf einer Plattform hochladen und denken, die sind die Größten. Aber diese Titel erkennt man in der Regel auf den ersten Blick. Spätestens auf dem zweiten. Man muss aber halt hingucken. Doch das gilt genauso auch für Verlagsbücher.
Dagegen gibt es unfassbar viele hochprofessionell arbeitende Kolleg:innen, die Bücher auf den Markt bringen, die sich in keiner Weise von hochwertigen Verlagsprodukten unterscheiden. Sie beauftragen Lektorate und Korrektorate, lassen ihr Manuskript professionell setzen und haben Cover, die dem aktuellen Trend entsprechen. Sie haben unzählige Fans, die jedes neue Buch feiern und vor allem: Sie sind gar nicht an einem Verlagsvertrag interessiert. Warum? Weil man als Selfpublisher deutlich mehr Geld verdienen kann. Trotzdem werden sie von nicht wenigen selbsternannten Gralshütern der Branche als – überspitzt gesagt – unwerter Abschaum betrachtet.
Warum das Stigma?
Mich regt das unfassbar auf. Weil es ignorant ist. Elitär ist. Und einfach nur falsch ist. Ich bin nicht Verlagsschriftstellerin oder Selfpublisherin oder – besonders grässlich – Hybridautorin. Ich bin Autorin. Punkt.
Ich wähle lediglich unterschiedliche Veröffentlichungswege!
Und das übrigens ganz bewusst und nicht »weil ich keinen Verlag gefunden habe«.
Zwei Beispiele:
2015 habe ich mit der Novellen-Reihe »Hot Chocolate« einen sehr erfolgreichen Ausflug in Richtung erotische Liebesromane gemacht. Im Selfpublishing. Das ist auch diversen Verlagen nicht entgangen. Mich haben mehrere angesprochen, ob sie die Reihe nicht übernehmen könnten. Damals war ich ausgesprochen geschmeichelt und habe mich letztlich für ein Imprint von Lübbe entschieden. Das war (und ist) mit das netteste und coolste Verlagsteam, das ich bislang erlebt habe, doch die Reihe hat den Transit zum Verlag nicht überlebt. Flop, Flop, Flop, FLOP! Da halfen auch die diversen Re-Brandings nichts. Und sehr, sehr, SEHR viel Frust bei mir.
Ganz anders meine Kirkby-Reihe. Die ersten vier Titel unter dem Reihennamen »Highland Hope« sind in der schwierigen Corona-Zeit bei Heyne erschienen. Sie haben sich ordentlich geschlagen. So ordentlich, dass der Verlag Fortsetzungen haben wollte (die Leserschaft übrigens auch). Ich war wieder geschmeichelt. Allerdings nur so lange bis ich das Angebot erhalten habe. Ein Drittel weniger Garantiesumme pro Band als bei den ersten vier Romanen.
What?
Ja, die Logik erschließt sich mir bis heute nicht.
Ich habe mich also dazu entschieden, die Reihe in Eigenregie weiterzuschreiben. Diesmal unter dem Reihentitel »Highland Happiness«. Vier Bände sind bereits erschienen, der fünfte ist gerade in Arbeit. Und ja, es ist mir extrem wichtig, dass diese Geschichten sich in Qualität und Aufmachung in keiner Weise von den Verlagsbüchern unterscheiden, denn den meisten meiner Fans ist es glücklicherweise egal, ob ein Verlagslabel draufsteht oder nicht. Bei ihnen zählt die Geschichte.
Natürlich muss ich dafür einen hohen Aufwand betreiben und zunächst einmal viel Geld investieren. Das ist schon eine andere Arbeitsweise, als zuerst Vorschuss vom Verlag zu bekommen. Aber in aller Regel habe ich sämtliche Kosten (für Lektorat, Korrektorat, Buchsatz, Cover, Druck) schon wenige Tage nach der Veröffentlichung wieder eingespielt und verdiene unterm Strich SEHR viel mehr Geld als mit den Verlagstiteln. Auch wenn die nach wie vor »besser« verkauft werden – weil der Buchhandel recht zögerlich ist, Selfpublisher in ihre Läden zu legen (siehe oben). Finanziell gesehen ist es jedoch eine sehr klare und eindeutige Entscheidung.
Meine Strategie
Inzwischen habe ich eine klare Strategie entwickelt. Populäre Reihen (oder auch potenziell populäre Reihen) veröffentliche ich in Eigenregie. Für komplexere Geschichten oder Stand-alone-Romane, die schwierig im Selfpublishing zu vermarkten sind, wähle ich zusammen mit meiner Agentin den passenden Verlag.
Schreiben ist für mich kein Hobby, keine Liebhaberei – auch wenn ich voller Leidenschaft dabei bin –, Schreiben ist mein Beruf. Damit will und muss ich Geld verdienen. Das ist genauso legitim wie in jedem anderen Beruf (nur viel schwieriger als in den meisten). Erfolg bedeutet für mich nicht ein Vertrag mit einem großen Publikumsverlag, Erfolg sind für mich zwei Dinge: das Feedback meiner Fans und Geld auf dem Konto.
Ich bin Autorin. Nicht mehr und nicht weniger.