Carin Müller bloggt ...

Halloween-Prophezeiungen

The Wylde Wynds: Halloween-Prophezeiungen von Charlotte McGregor

Passend zur Jahreszeit gibt’s heute in The Wylde Wynds eine kleine Halloween-Geschichte in der Nachtschicht. Kleiner Disclaimer: Sie ist nicht gruselig, aber ein klein wenig paranormal und am Ende könnte ein Kloß im Hals stecken bleiben. Aber keine Sorge, wie immer bei mir: Alles wird gut!

Viel Spaß!

Du kannst sie entweder hier auf dem Blog lesen oder sie dir als eBook oder PDF runterladen.

Charlotte McGregor: The Wylde Wynds - Halloween-Prophezeiungen

»Das ist nicht sein fucking Ernst!«, entfuhr es Cat, als sie um kurz vor sieben ihren Pub The Wylde Wynds betrat. Sie war spät dran, weil sie es nicht übers Herz gebracht hatte, die Halloween-Party des Pflegeheims, in dem ihr schwer dementer Vater seit zwei Jahren untergebracht war, vorzeitig zu verlassen.

Normalerweise versuchte sie immer, spätestens um sechs da zu sein, um die Übergabe vom Tag- auf den Nachtbetrieb mit ihrem Geschäftspartner Deacon zu machen. Doch ausgerechnet heute hatte sie diese halbe Stunde, die – wie sie ein wenig beschämt vor sich selbst zugeben musste – das Highlight ihrer Tage war, verpasst.

»Ach komm schon, so schlimm ist es auch wieder nicht«, entgegnete Barkeeper Leon, während er mit einem Grinsen die Plastiktotenköpfe auf dem Tresen betrachtete. »Schließlich ist heute Halloween.«

»Was du nicht sagst«, knurrte Cat verärgert. »Aber Deacon und ich haben beschlossen, dass wir keine Deko brauchen. Weder zu Halloween noch zu Weihnachten, Ostern oder sonst einem Anlass. Und jetzt hat er die Bude mit dem ganzen Plunder vollgestellt.«

»Reg dich nicht auf, morgen ist der Zauber doch wieder vorbei«, versuchte Leon seine Chefin zu beschwichtigen. »Außerdem sind die Sachen witzig. Schau mal.« Er drückte auf einen Knopf und die Augenhöhlen eines Totenkopfs leuchteten rötlich auf.

Cat verdrehte die Augen. »Das ist alberner, billiger Kitsch, dabei haben wir heute Abend ein wirklich cooles Programm und sicher volles Haus.«

Leon zuckte nur mit den Schultern und sagte nichts mehr, doch sein Schweigen war sehr beredt. Was wiederum Cat noch mehr ärgerte. Dabei wusste sie selbst, wie albern und irrational sie sich benahm. Niemand der Gäste würde sich über die Dekoration beschweren, ganz im Gegenteil. Schließlich fand im The Wylde Wynds heute auch explizit eine Halloween-Party statt. Von ihr höchstpersönlich organisiert. Warum also war sie so außer sich?

Sie hatte keine Antwort auf diese Frage oder keine, die sie gerne vor sich selbst oder anderen zugeben würde. Also straffte sie ihre schmalen Schultern und rauschte in die Küche, um dort nach dem Rechten zu sehen. Die Küchencrew war bester Stimmung und schien auf den Abend wie immer gut vorbereitet zu sein. Es gab alle möglichen Kürbis-Gerichte: Kürbissuppe, ein scharfes Kürbiscurry und sogar Kürbismuffins, bei denen sich Cat aber nicht sicher war, ob sie auch Kürbis enthielten oder einfach nur entsprechend dekoriert waren.

»Du siehst aus, als könntest du eine Stärkung vertragen«, sagte Neil zu ihr, der Chefkoch der Abendschicht, und lächelte sie warmherzig an.

Die meisten Köche, mit denen Cat bislang zu tun hatte, verbreiteten Hektik und Stress, doch Neil, der viele Jahre lang auf einem Kreuzfahrtschiff gearbeitet hat, war stets so tiefenentspannt wie ein Zen-Meister. Das wirkte sich positiv auf das ganze Team aus und auch Cat merkte, wie die Anspannung etwas von ihr abfiel. Außerdem knurrte ihr Magen.

»Du bist mein Lebensretter«, entgegnete sie und ließ sich widerstandslos zu dem Esstisch führen, an dem die Mitarbeiter aßen, wenn sie kurz Pause hatten.

»Curry oder Suppe?«, wollte er wissen. »Oder lieber einen Standard?«

»Gerne das Curry«, bat sie und ihr Magen jubelte lautstark Zustimmung.

Eine Minute später war Neil wieder bei ihr – mit zwei tiefen Tellern. Einen stellte er vor ihr ab, den anderen platzierte er neben ihr und nahm dann ebenfalls Platz. »Lass es dir schmecken.«

Cat kostete einen ersten Bissen und schloss dann genießerisch die Augen. Kürbis konnte fürchterlich langweilig schmecken, in dieser Version hatte er das Zeug, zu ihrem Lieblingsgemüse zu werden. »Köstlich«, schwärmte sie.

Sie aßen in schweigsamer Eintracht, doch als Neil seine Portion vertilgt hatte, wandte er sich wieder an sie. »Was ist los mit dir?«

Cat merkte, wie sich bei dieser Frage gleich wieder ihr Blutdruck erhöhte, doch Neil legte ihr seine Pranke auf den Unterarm und sah sie eindringlich an.

»Ich frage nicht, weil ich neugierig bin. Ich frage nicht einmal, weil ich es unbedingt wissen will ...«

»Sondern?«, entgegnete sie ungnädig und legte den Löffel beiseite.

»Weil du es selbst wissen solltest«, sagte er und drückte erstaunlich sanft ihren Arm.

»Du glaubst also, ich weiß nicht, was mit mir los ist?« Sie funkelte ihn an. »Und komm mir bloß nicht mit einer Gegenfrage à la: ›Weißt du es denn selbst?‹ Das wäre billige Küchenpsychologie.«

»Nun ja, wir sind in einer Küche«, merkte er mit einem milden Lächeln an. »Aber keine Sorge, das wollte ich nicht sagen. Ich bin nämlich überzeugt davon, dass du es selbst nicht weißt, es aber dringend wissen solltest.«

»Hm«, schnaubte sie leise. »Zumindest was mich akut nervt, weiß ich ganz genau«, behauptete sie dann. »Dass Deacon nämlich entgegen unserer Vereinbarung kitschige Halloween-Deko verteilt hat.«

Neil sah sie an, sagte aber nichts weiter dazu. Genau wie Leon vorher.

Himmel, war sie wirklich zu einer Zicke mutiert, mit der ihre Mitarbeiter nicht mehr sprechen wollten?

»Mau!«, tönte es nun auch noch lautstark von schräg hinter ihr und Cat fuhr herum.

»Du weißt genau, dass du hier nichts verloren hast«, fauchte sie Siamkater Sam an, der sie aus seinen blauen Augen arrogant und vollkommen unbeeindruckt musterte. Irgendwann vor ein paar Jahren war dieses Tier plötzlich hiergewesen und hatte sich in The Wylde Wynds niedergelassen, als sei die Kneipe sein angestammtes Revier. Cat mochte keine Katzen, doch das interessierte außer ihr niemanden hier. Am wenigsten den Kater selbst. Aber zumindest die Küche sollte tabu für das Biest sein. Katzenhaare im Essen gingen nun wirklich gar nicht.

»Cat, schlechte Nachrichten«, rief Leon sie nun, ehe sie zu einer ausschweifenden Tirade ansetzen konnte.

Im Aufstehen unterdrückte sie mit einiger Mühe den Impuls, dem Fellbündel einen Tritt zu verpassen – aber auch nur, weil sie auf ihre Selbsthassliste nicht noch einen weiteren Grund notieren wollte. Mal abgesehen davon, dass der Kater viel zu gewitzt war, um sich von ihr malträtieren zu lassen. Gleichzeitig beschämt und wütend stapfte sie durch die Küchentür zu Leon hinter den Tresen.

Ihr geplant gereiztes »was ist jetzt schon wieder los?« blieb ihr glücklicherweise im Hals stecken, als sie rechtzeitig zwei Männer erspähte, die recht lässig an der Bar lehnten und ihr den Rücken zuwandten.

»Kann ich helfen?«, fragte sie mit der antrainierten Freundlichkeit jahrelanger Gastronomieerfahrung.

Die beiden Typen drehten sich um und lächelten sie an. Sie kamen ihr ziemlich bekannt vor – vor allem der Jüngere mit den kinnlangen dunklen Haaren und den sturmgrauen Augen.

»Hi«, sagte er. »Erinnerst du dich noch an mich?« Sein Lächeln bekam eine etwas verlegene Note, vor allem als der Ältere etwas von »absoluter Schnapsidee« in seinen grauen Bart murmelte.

Es dauerte einen Moment, doch dann fiel es ihr wieder ein und ihr professionelles Strahlen wich einem aufrichtigen. »Du bist Lennox, nicht wahr?« Sie lachte. »Ich fass es nicht. Wie lange ist es her, dass du dich vollkommen durchnässt vor einem Gewitter hier reingeflüchtet hast und dann einen der besten Gigs gespielt hast, den diese Hallen jemals erlebt haben?«

»Viel zu lange offensichtlich.« Lennox warf dem älteren Mann einen vielsagenden Blick zu.

»Du hast damals versprochen, wiederzukommen und erneut für uns zu spielen«, sagte Cat. »Wir waren etwas enttäuscht, dass ...« Sie ließ die Worte austrudeln, denn mit Vorwürfen wollte sie dem jungen Mann nicht kommen.

»Ich weiß. Aber heute wäre ich da – wenn du willst. Und ich habe Verstärkung mitgebracht.« Er deutete auf den graubärtigen, glatzköpfigen Mann neben sich. »Mein Vater, Marlin Fraser, den du vielleicht als ...«

»Ich fass es nicht!«, unterbrach ihn Cat aufgeregt, denn nun klickte es noch ein paarmal in ihrem Kopf. Der alte Mann war niemand anderer als der berühmte Lin der Kultband »Starlight Lin«. Vor einem Jahr war herausgekommen, dass er gar nicht bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen war, sondern jahrzehntelang unerkannt in den schottischen Highlands gelebt hatte und sein Geheimnis sogar vor seiner eigenen Familie verborgen hatte. Lennox war sein Sohn.

»Ähm, ja«, sprach Lennox weiter. »Diese Reaktion kommt mir bekannt vor.« Er grinste. »Jedenfalls sind wir in der Stadt und weil wir heute nicht mehr nach Hause fahren wollen, habe ich mir gedacht, dass wir vielleicht ein paar Songs spielen könnten. Nur akustisch.«

»Das wäre ...«, fing Cat an, doch nun wurde sie von Marlin unterbrochen.

»Eine absolute Schnapsidee«, grunzte er und hielt seinem Sohn einen Flyer vor die Nase. »Hier steigt heute eine Halloween-Party, mit coolem DJ. Da wird niemand unsere Songs hören wollen.«

»Es sind ganz neue Nummern, für ein gemeinsames Album«, sprach Lennox dagegen unbeeindruckt weiter. »Niemand hat sie bisher gehört. Also niemand außerhalb von Kirkby, aber wenn kein Interesse besteht, dann ...«

»Das wäre absolut brillant«, sagte Cat mit fester Stimme. »Eine Ehre und eine Riesenfreude. Allerdings wird es noch ein bisschen dauern, bis sich der Laden füllt.«

»Das macht nichts.« Lennox grinste beinahe triumphierend. »Wir müssen noch unsere Gitarren holen.«

»Und etwas essen«, fügte Marlin hinzu. »Stimmungsvolle Deko übrigens.«

Cat war froh, dass es schummrig genug war, dass niemand sehen konnte, wie sie rot anlief. »Ich reserviere euch einen Tisch neben der Bühne«, sagte sie jedoch, ohne auf die kleine ironische Spitze einzugehen. »Essen und Getränke gehen aufs Haus, Honorar ist leider nicht drin. Das ist für den DJ und die Wahrsagerin reserviert.«

Die beiden Männer nickten vergnügt und verließen die Kneipe, zweifellos, um ihre Instrumente zu holen, und was sie sonst noch so brauchten.

Wahnsinn, heute Abend würde der heißeste Pop-Star der achtziger Jahre in ihrem Pub auftreten und ...

»Cat?«, unterbrach Leon ihre Gedanken.

Ach ja, die schlechten Nachrichten. Sie sog forciert Luft ein. »Was?«

»Der DJ hat eben abgesagt. Sein Freund hat Magen-Darm und er hat Angst, dass ...«

»Keine Details bitte.« Cat winkte ab. »Das sind die schlechten Nachrichten? Das klingt doch eher nach einem Volltreffer. Ich meine, wir haben stattdessen echte Live-Musik.«

»Manchmal fügen sich die Dinge eben, wie sie sollen«, sagte eine dunkle Frauenstimme – und eindeutig nicht Leon.

Cat fuhr herum. Hinter dem Tresen stand nun eine beeindruckende Erscheinung. Eine Frau mit langen grau-weißen Haaren, einem blauschimmernden Wallekleid und so vielen Ketten um ihren Hals, dass sie damit drei Modeschmuckläden ausstatten konnte. Nur dass die Ketten ziemlich echt und hochwertig wirkten. Auf der Schulter der Frau saß ein schwarzer Rabe, von dem sich Cat nicht sicher war, ob er ausgestopft war oder lebte. Jedenfalls starrte der Vogel sie aus schwarzen Knopfaugen an, als würde er in ihre Seele blicken wollen. Keine sehr angenehme Vorstellung. Cat gab einen erstickten Laut von sich. Das war wohl die angeheuerte Wahrsagerin Madame Apollonia, aber wie zur Hölle hatte sie es geschafft, sich wie aus dem Nichts hier zu materialisieren?

»Ähm.« Cat räusperte sich, fand aber auch dann keine passenden Worte.

»Ich wollte dich nicht erschrecken, Kindchen«, sagte die Weißhaarige mit einem freundlichen Singsang, aber einem so klaren Blick, der dem ihres Raben in nichts nachstand. »Ich habe nur das Offensichtliche bemerkt.«

»Da ist was dran«, presste Cat hervor. »Der DJ ... Wie sind Sie hereingekommen?«, platzte es dann doch ungeplant aus ihr hervor.

»Durch die Tür natürlich«, entgegnete die Seherin amüsiert. »Wie denn sonst? Denkst du, wir sind auf unserem Besen hereingeflogen?« Sie lachte und Cat fühlte einen Schauer den Rücken herunterrieseln. Irgendwie war sie sich absolut sicher, dass es genauso passiert sein musste. Ein unsichtbarer Besen und unsichtbare ...

»Was?«, rief sich Cat aus ihren schrägen Gedanken zurück. Außerdem hatte die Hexe, Pardon: Die Wahrsagerin etwas gesagt.

»Ich wollte wissen, wo Ralph und ich unser Quartier beziehen sollen.« Apollonia bedachte sie mit einem wissenden Blick.

»Natürlich. Leon wird Ihnen den Platz zeigen und Sie mit allem versorgen, was Sie haben wollen. Und selbstverständlich auch mit Essen und Getränken.«

»Fein. Aber wir beide sprechen später noch einmal«, sagte die Frau und ließ sich dann von Leon zu einer etwas abgeschirmten Sofaecke im Wintergartenbereich bringen, die sie für die Gäste-Prophezeiungen vorgesehen hatten.

Cat hatte ein ganz merkwürdiges Gefühl in der Magengrube, doch sie konnte ihm nicht weiter nachgehen, denn in diesem Moment öffnete sich die große petrolfarbene Holztür, und ein ganzer Pulk Gäste betrat den Pub.


»Das dürfte eine der besten Party sein, die dieser Pub jemals erlebt hat«, befand Leon viele Stunden später um kurz vor Mitternacht, als er und Cat sich mal wieder hinter dem Bartresen trafen.

»Zumindest seit der Zeit, in der du hier arbeitest«, gab Cat lächelnd zu, doch ehrlich gesagt war das eine alberne Einschränkung, denn auch sie konnte sich kaum an einen vergleichbar rauschenden Abend erinnern.

Die Gäste waren komplett hingerissen: vom Essen, den Halloween-Drinks, der sensationellen Musik – und von der Hexe, die wohl schon die unglaublichsten Weissagungen unters Feiervolk gebracht hatte. Leon war nach seiner Impromptu-Handlesung am frühen Abend jedenfalls mit einem seligen Lächeln zurückgekehrt und hatte seinen Elan die ganze Zeit nicht eingebüßt. Cat selbst hatte es jedoch die ganze Zeit vermieden, Madame Apollonia zu nahe zu kommen. Zu viel zu tun, war die offizielle Ausrede vor sich selbst. Angst vor der Wahrheit jedoch die ehrlichere Aussage.

Gerade lief wieder Musik von der Playlist, die Lennox ihnen netterweise zur Verfügung gestellt hatte und die einerseits perfekt zu diesem Halloween-Abend passte und andererseits einen angenehmen Kontrapunkt zu den Live-Sets setzte. Von denen hatte es bislang vier gegeben und Cat war sich nicht sicher, wie viele noch folgen würden. Nun ja, sie würde das energetische Vater-Sohn-Duo sicherlich nicht davon abhalten. Genauso wenig wie ihre Gästeschar.

Als sie nun einem Pärchen zwei blutrote Gin-Cocktails servierte, hörte sie ein Raunen in der Menge und zu ihrem grenzenlosen Erstaunen sah sie, wie der Rabe – offensichtlich war er quicklebendig – durch den Raum direkt zum Tresen geflogen kam. Genauer gesagt: direkt zu ihr!

Das Tier landete gezielt auf ihrem linken Arm, den sie impulsiv schützend vor ihr Gesicht schlagen wollte. Der Vogel war viel leichter, als sie gedacht hatte, und bohrte auch seine Krallen nicht etwa rabiat durch ihre Haut, sondern umgriff sie fast zärtlich. Sein Blick war jedoch eindeutig. Er war nicht hier, um ihr Gesellschaft zu leisten oder einen Snack zu erbetteln – er holte sie ab.

Ohne groß darüber nachzudenken oder gar eine zweifellos sinnlose Diskussion mit sich selbst oder dem Raben zu führen, schritt sie durch den Gastraum zu dem messingfarbenen Samtsofa, das von einem Bücherregal und mehreren großen Topfpflanzen abgeschirmt war und auf dem Madame Apollonia sie offensichtlich erwartete.

»Das hast du sehr gut gemacht, Ralph«, lobte die Seherin den Vogel und reichte ihm eine Nuss. »Setz dich doch«, wandte sie sich dann an Cat, die unschlüssig herumstand.

»Ich hoffe, Sie waren zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Abends«, plapperte Cat los, um ihre Nervosität zu übertünchen. »War das Essen in Ordnung? Darf ich noch etwas zu trinken bringen?«

»Alles bestens, aber jetzt ist Zeit, dass wir uns unterhalten«, sagte Apollonia mit klarer Stimme und klopfte einladend neben sich auf das Sofa. »Es ist sogar höchste Zeit, denn das, was ich dir zu sagen habe, muss vor Mitternacht geschehen.«

Cat schluckte beklommen, nahm aber brav auf der Kante Platz und steckte beide Hände zwischen ihre Schenkel. Als sie diese Geste bemerkte, zog sie sie sofort wieder hervor und legte sie auf ihre Knie. Himmel, warum war sie so unglaublich nervös?

»Keine Angst, Coralie«, sagte Madame Apollonia mit sanfter Stimme, ohne zu ahnen, was der Name mit Cat anstellte. Es gab nur einen Menschen, der sie immer Coralie genannt hatte – ihr Vater. So lange er noch hatte sprechen können jedenfalls. Cat war sich absolut sicher, dass sie bei der Terminvereinbarung mit dieser Wahrsagerin nicht ihren vollen Namen genannt hatte. Wie niemand hier wusste, dass sich hinter Cat nicht etwa eine Catherine verbarg, sondern eine Coralie. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und sie merkte, wie sich Schweißperlen auf ihrer Stirn sammelten. Sie wollte diese Hexe zur Rede stellen, doch sie brachte kein Wort hervor.

»Die meisten haben mich heute Abend nach ihren Traumprinzen oder Prinzessinnen gefragt, nach Jobs, Kindern, Geld oder dem perfekten Urlaubsziel«, sprach Apollonia weiter. »Ich finde auf die meisten dieser Fragen eine Antwort, aber eigentlich bin ich nur eine Botschafterin. Daher habe für dich keine Prophezeiung, sondern eine Nachricht.«

»Okay«, kam es rau aus Cats Kehle.

Madame Apollonia schloss kurz die Augen und nahm dann Cats Hände in die ihren. Als sie wieder sprach, klang ihre Stimme anders. Vertraut. »Coralie«, begann sie. »Coralie, mein Weg ist hier zu Ende und ich hätte mir keine bessere Begleitung auf dieser letzten Etappe wünschen können. Du bist mein ein und alles, aber nun ist es Zeit, dass du deinen eigenen Weg weitergehst – in eine andere Richtung mit weniger Bürde. Ich glaube, du hast deinen Leuchtturm schon gefunden, nur hast du dich nie getraut, dich ihm zuzuwenden. Nun ist es Zeit dafür. Sei nicht traurig, mein Engel. Ich werde immer bei dir sein.«

»Dad?«, hauchte Cat und merkte, wie ihr die Tränen die Wangen hinunterliefen.

»Ich bin nur die Botschafterin«, sagte Apollonia nun wieder mit normaler Stimme. »Aber einen Rat habe ich auch für dich: Du warst schon sehr lange sehr traurig und du wirst ein kleines Weilchen noch trauriger sein, doch dann wird alles besser, leichter und lichter. Vertrau dir – und komm morgen deutlich früher her als heute.«

ENDE

Puh, das ist jetzt ein bisschen trauriger und ergreifender geworden, als ich es geplant hatte, doch um mit Madame Apollonia zu sprechen: »Ich bin nur die Botschafterin!« Es sind immer meine Figuren, die bestimmen, in welche Richtung eine Geschichte geht. Und so vertraue ich einfach darauf, dass sich für Cat wirklich bald alles zum Guten wenden wird. Vielleicht können wir sie dabei in einer der nächsten Episoden beobachten?

In dieser Geschichte tauchen auch wieder Figuren auf, die es auch in anderen Romanen von mir gibt: Die Sache mit Lennox und Marlin Fraser wird in »Highland Hope – Die Bäckerei von Kirkby« ausführlich beleuchtet. Marlin trifft man außerdem in jeder anderen Kirkby-Geschichte, Lennox in den meisten.

Madame Apollonia hatte ihren ersten Auftritt in »Highland Happiness – Das Herrenhaus von Kirkby«. Außerdem sorgt sie bei den Highland Games in »Highland Crime – Die tote Tänzerin« für wichtige Hinweise. Und sie geht fremd! Im neuesten Buch von Lilly Labord, meiner lieben Freundin und Kollegin, nimmt sie eine wichtige Rolle ein: »Der magische Besen des Ian McCormack«

Ich danke folgenden Patinnen für Inspiration zu dieser Geschichte:

  • Cat stammt von »anonym« und mag keine Katzen. Warum? Das klären wir ein anderes Mal!
  • Barkeeper Leon verdankt Raphaela seine Existenz. Sie bezeichnet ihn als Ex-Footballer, doch da wir in Schottland sind und dort Fußball gespielt wird, mache ich einen Ex-Torwart aus ihm. Bestimmt treffen wir ihn mal wieder.
  • Koch Neil wurde von Gabrielle ins Leben gerufen – ich hoffe, sie kann mit dem von mir erfundenen Zen-Charakter leben.
  • Alle weiteren Pat*innen habe ich bereits in der ersten Geschichte »Das versteckte Café« erwähnt.

Wer noch als Pate oder Patin fungieren will, kann sich gerne noch eintragen.