Schreibmythos: (Verlags)Autor:innen und Marketing
19.8.2024
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»Ich will unbedingt zu einem Verlag, denn dann muss ich mich nicht ums Marketing kümmern.« Das ist einer der Sätze von angehenden Autor:innen, die »einfach nur schreiben« wollen und Werbung »total bäh« finden. Erschreckenderweise hört man diesen Satz nach wie vor immer wieder und ehrlich gesagt geht mir langsam die Geduld mit diesen Leuten aus.
Als Autor:in ist Buchmarketing Teil des Jobs. Punkt. Ausnehmen möchte ich davon lediglich jene Menschen, deren Lebensziel es ist, einmal im Leben ein Buch zu veröffentlichen, und denen es egal ist, ob und wie häufig es gekauft wird. Solche Leute mag es geben, mir ist nur noch keiner von ihnen begegnet. Selbst reine Hobbyschreiberlinge haben – zurecht – das Bedürfnis, dass ihr Werk von einem Publikum wahrgenommen, gekauft und gelesen wird. Also: Buchmarketing ist Teil des Jobs! Immer.
Auch dann, wenn man das Glück hat, einen Vertrag bei einem großen Publikumsverlag inklusive ordentlichen Vorschuss zu ergattern. Wenn es gut läuft – und das ist nicht einmal bei wirklich fetten Garantiehonoraren gesichert –, dann tut der Verlag einiges dafür, das Buch gut im Markt zu platzieren, um die ausgegebene Kohle möglichst wieder reinzuholen. In aller Regel bestehen diese Bemühungen jedoch daraus, dem Handel die Geschichte schmackhaft zu machen, in der Hoffnung, dass Leser dann im Laden über das Buch purzeln. Und das ist ehrlich gesagt schon ziemlich viel, denn die Konkurrenz ist groß und Regal- und Tischfläche im Buchhandel teuer. Vermutlich wird das Buch auch Rezensierenden zur Verfügung gestellt (die dafür aber auch erst auf die Idee kommen müssen, es lesen zu wollen) und womöglich ist auch der ein oder andere Social-Media-Post drin. Mehr gibt’s nur bei absoluten Spitzentiteln. Zudem erwarten auch die ganz großen Verlage, dass die Autor:innen selbst aktiv werden: auf Social Media und/oder anderen Kanälen.
Das waren jetzt die großen Publikumsverlage. Bei mittelständischen Häusern, in Klein- und Kleinstverlagen darf man sich in aller Regel nicht einmal auf diese Form der Unterstützung verlassen. Nicht aus bösem Willen, denn viele kleinere Verlage sind unglaublich engagiert und einfallsreich, es scheitert dort einfach an Zeit, Geld und Manpower. Umso gefragter ist die Eigeninitiative der Autor:innen.
Entscheidet man sich dafür, sein Werk selbst zu veröffentlichen, muss man sich ohnehin um alles kümmern. Wobei ich das Wort »muss« gerne durch »darf« ersetzen würde, denn letztlich ist es auch ein Privileg, seine Geschichte in genau der Form herauszubringen, die man sich erträumt.
Aber Buchmarketing ist so doof und ich will doch nur schreiben!
In einer idealen Welt würde auch ich einfach nur schreiben wollen. Rede ich mir jedenfalls oft genug ein, doch ganz ehrlich: jeden Tag fünf, acht, zehn Stunden nur schreiben? Wäre irgendwie auch total anstrengend, oder?
Und kleiner Realitätscheck: Welchem anderen Business würde man guten Gewissens raten, komplett auf Marketing und Werbung zu verzichten? Eben.
Das gilt übrigens auch für andere kreative Berufe. Schauspieler gehen zu Vorsprechen, um sich und ihre Kunst zu präsentieren – und hoffentlich eine Rolle zu ergattern. Malerinnen bemühen sich darum, von Galerien ausgestellt zu werden. Spitzengastronom:innen schwingen ebenfalls nicht nur den Kochlöffel, sondern verhandeln Verträge mit Lieferanten und machen Werbung für ihr Restaurant. Das gilt für jeden Selbständigen in jedem Beruf und jeder Branche.
Selbst Autor:innen, die einen Brotjob haben, sich aber wünschen, mit ihren Geschichten Geld zu verdienen (also ALLE, s.o.), sind automatisch Unternehmer:innen und sollten ein ausgeprägtes Interesse daran haben, stolz dafür die Werbetrommel zu rühren.
Wer das partout nicht will, kann ja Tagebuch führen und einfach nur für sich selbst schreiben. Erfolge auf dem Buchmarkt sind mit dieser Einstellung aber einfach nicht drin. Sorry.
Muss man wirklich ALLES machen?
Es gibt viele Kolleg:innen, die glauben restlos alle möglichen Maßnahmen ausschöpfen zu müssen, doch das ist genauso wenig zielführend, wie gar nichts zu machen. Niemand kann alles machen. Niemand muss auch alles machen. Es gibt so viele Werbe- und Marketingmöglichkeiten, da kann man sich auf zwei, drei Maßnahmen konzentrieren, die einem WIRKLICH liegen und idealerweise auch Spaß machen.
Du schreibst Young Adult- oder Dark Romance-Geschichten und liebst es, auf TikTok aktiv zu sein? Dann herzlichen Glückwunsch – das dürfte im Moment jedenfalls (in ein, zwei Jahren kann das schon wieder anders aussehen) die perfekte Plattform sein.
Du liebst es, auf der Bühne zu stehen (oder zu sitzen) und aus deinen Büchern zu lesen? Prima! Lesereisen sind zwar nicht so einfach zu organisieren, können aber zu echten Multiplikatoren werden und bringen außerdem selbst Geld ein.
Du willst am liebsten WIRKLICH nur schreiben? Auch gut, dann mach’s wie ich und konzentriere dich auf Content-Marketing. Dieser Blogartikel ist ein Beispiel dafür (auch wenn ich dadurch vermutlich keine Bücher verkaufen werde), genau wie meine Newsletter. Man kann sein Publikum auch rein durchs Schreiben unterhalten – wenn ein Teil der Schreibzeit in andere Texte fließt als das aktuelle Manuskript.
Auf Instagram tummeln sich viele Lesende, Facebook ist nicht annähernd so tot, wie viele behaupten, sondern nach wie vor eine der wichtigsten Plattformen für Autor:innen aller Genres. Man kann versuchen, auf Plattformen wie Patreon eine zahlende Gruppe an Superfans aufzubauen, man kann eine eigene Community auf Discord finden. Wer einen gewissen Aufwand nicht scheut, kann einen eigenen Podcast kreieren oder sich um Auftritte in etablierten Formaten bemühen. Kooperationen mit Bloggenden/Influencern können tolle Ergebnisse erzielen. Alle Videoformate funktionieren – egal, ob auf TikTok, Instagram oder auch auf Youtube. Klassische PR mag für einige Leute der Weg zum Ziel sein und natürlich kann/darf/muss man auch Geld für Werbung in die Hand nehmen – beispielsweise auf Amazon, auf Facebook oder einem bezahlten Newsletter wie Buchdeals. Wobei ich bezahltes Marketing tatsächlich ausschließlich für selbstpublizierte Bücher in Erwägung ziehe, nicht für Verlagstitel.
Was ist eine solide Basis?
Ich bin der Meinung, dass wirklich jeder, der ein Buch veröffentlicht (auf welchem Weg auch immer) zumindest eine eigene Website haben sollte. Social Media-Profile, -Seiten und -Kanäle sind toll, aber niemand kann garantieren, wie lange sie bestehen. Einen eignen, selbstgehosteten (also bezahlten) Internetauftritt kann dagegen niemand so einfach abstellen oder kontrollieren.
Mindestens genauso wichtig ist für mich der Aufbau eines Newsletters. Was helfen tausendes Follower auf Instagram, wenn das Konto geknackt wurde und man in der Konsequenz dauerhaft auf der Plattform gesperrt wurde (passiert leider immer wieder)? Ähnlich wie bei der Webseite hat man die Kontrolle über den eigenen Newsletter und kann seinen Fans regelmäßig (das wäre sinnvoll) über alle Neuigkeiten informieren und langfristig eine tolle Community aufbauen.
Zusätzlich (nicht alternativ dazu!) zu diesen beiden Punkten sollte man sich eine oder zwei Social-Media-Plattformen suchen, auf der man sich wohlfühlt und regelmäßig präsent sein kann.
Wenn dann noch Zeit und Energie für andere Maßnahmen übrig ist, kann man noch eine oder mehrere der oben erwähnten Ideen hinzufügen. Einfach ausprobieren, was für einen selbst am besten funktioniert.
Was ist meine Strategie?
Ich veröffentliche meine Bücher als Hybrid-Autorin (ich hasse diesen Begriff), d.h. ein Teil erscheint in großen Publikumsverlagen, der andere im Selfpublishing. Mit kleinen und mittleren Verlagen arbeite ich (derzeit) nicht zusammen. Nicht, weil ich die doof finde, sondern weil ich der Meinung bin, dass ich im Zweifel in Eigenregie erfolgreicher sein kann.
Wenig verwunderlich setzte ich in erster Linie auf Content-Marketing, d.h. ich produziere sehr viele zusätzliche Inhalte, die idealerweise eine längere Lebensdauer haben, als ein Social-Media-Post. Kern für mich ist meine Autorinnen-Webseite, die ich sehr intensiv pflege. Jede Woche kommt ein neuer Blogartikel dazu und auch meine Bücherseiten sind immer auf dem aktuellen Stand.
Des Weiteren betreibe ich sehr viel Aufwand mit meinen beiden Newslettern. Mein »Dienstags-Update« ist eine vierzehntägliche Mail, in der ich meine Abonnent:innen auf hoffentlich unterhaltsame Weise an meinem Leben teilhaben lasse. Privates teile ich nicht, wohl aber sehr persönliche Dinge. Dazu aktuelle Anekdoten, den Stand der Dinge am aktuellen Manuskript, Buchtipps, Gewinnspiele etc.. Offengestanden ein ziemlicher Gemischtwarenladen, aber das passt zu mir und meiner inneren Autorinnen-WG und vielen Leuten machen die Mails auch großen Spaß.
Meine »Letters from Kirkby« dagegen kreisen ausschließlich um mein Schottland-Universum. Es gibt eine vorproduzierte Automation, die aktuell aus 24 Mails besteht, die in vorher definierten Abständen verschickt werden und die Leute noch tiefer in meine Welt hineinziehen sollen. So eine Automation ist eine tolle Sache, weil man einmal Arbeit damit hat und sich dann nicht mehr drum kümmern muss. Zusätzlich verschicke ich ab und zu eine »Extra-Post«, wenn es eine Veröffentlichung oder sonst eine aufregende Neuigkeit gibt.
In diese beiden Maßnahmen, also Webseite und Newsletter, investiere ich ungefähr 80% meiner Marketing-Zeit. Die restlichen 20% gehören Social Media (ich bin nur auf Facebook und Instagram – allerdings mit mehreren Profilen), Gemeinschaftsaktionen (z.B. gemeinsame Gewinnspiele mit anderen Autor:innen) und bezahlter Werbung.
Ich mache kein TikTok, kein Youtube, bemühe mich nicht aktiv um Lesungen (mache sie aber gerne, wenn ich angefragt werde) und bin auf keiner bezahlten Community-Plattform unterwegs.
Allerdings mache bisher zusätzlich bei jeder Buchveröffentlichung auch eine Leserunde auf der Plattform Lovelybooks, was mir in all den Jahren auch dort eine treue Gemeinde eingebracht hat.
Erwähnenswert ist sicher auch noch mein Podcast »Der literarische Saloon«, den ich seit gut fünf Jahren mit Christian Raabe betreibe. Auch das ist klassisches Content-Marketing – aber für mich vor allem ein Hobby. Daher würde ich es nicht als Werbemaßnahme rechnen, obwohl es zweifellos eine ist.
In absehbarer Zukunft will ich unbedingt meinen eigenen Web-Shop einrichten und ggf. auch mal Kickstarter für Sonderausgaben oder besondere Veröffentlichungen ausprobieren. Doch diese beiden Punkte kommen leider immer wieder aus Zeitmangel unter die Räder. Aber irgendwas ist ja immer ... und niemand ist perfekt.