5 Autoren-Erkenntnisse im Corona-Jahr

28.9.2020
Autorenleben, Autorin, Erkenntnisse, Corona, Strategie, Professionalisierung, Highland Hope, Lebe, als gäbe es kein Morgen
Angst lähmt – das ist keine besonders originelle Erkenntnis. Es ist auch ein ganz natürlicher Reflex. Es kann in einigen wenigen Situationen durchaus sinnvoll sein, sich totzustellen, bis die Gefahr vorüber ist. Doch solch existenzielle Grenzerfahrungen sind glücklicherweise recht selten. Viel häufiger kommt es vor, dass man schon aus Angst vor der Angst oder aus Sorgen in passive Stagnation verfällt. Manche Therapeuten empfehlen daher gerne Sport oder wenigstens stramme Spaziergänge. Wer sich bewegt, hat automatisch weniger Angst. Es gibt Menschen, die können das wissenschaftlich erklären. Ich nicht. Ich bin Autorin und muss die genauen Hintergründe nicht wissen. Aber ich habe es selbst ausprobiert.
Was nämlich generell gilt, kann auch spezifisch nicht falsch sein. Angst kann nämlich auch beim Schreiben lähmen (blöd, wenn man damit sein Geld verdient). Hier kommen meine fünf überraschenden Autoren-Erkenntnisse im Corona-Jahr.
Schreiben gegen die Angst
Viele meiner KollegInnen waren zu Beginn der Corona-Krise von einer regelrechten Schreiblähmung befallen. Zu überwältigend waren die Nachrichten und zu überwältigend die persönlichen Herausforderungen. Da war für kreative Arbeit kein Platz.
Ich weiß nicht, ob meine persönliche Bewältigungsstrategie so viel besser ist, produktiver war ich sicherlich. Ich bin der Starre nämlich davon gelaufen – einerseits mit langen Spaziergängen mit meinem Hund durch das oft geisterhaft leere Stadtviertel, andererseits mit fliegenden Fingern auf der Tastatur. Denn genauso wie es funktioniert, dass man bessere Laune bekommt, wenn man nur lächelt, klappt es auch mit der Textproduktion, wenn man nur ... nun ja: tippt! Dabei kann Zweiteres zunächst genauso fake sein, wie das künstliche, krampfhafte Grinsen. Der menschliche Geist lässt sich durch körperliche Aktivitäten nur zu gern manipulieren. Irgendwann fühlt sich das Lächeln echt an und ein kleines Glücksgefühl schleicht sich ein. Und irgendwann stellt sich heraus, dass es gar nicht so mies war, was man da textlich zusammegeklöppelt hat.
Um meinen nölenden, nervösen, ängstlichen Kopf auszuschalten, habe ich immer in überschaubar kurzen Zeitslots (20 – 30 Minuten) so viel wie möglich geschrieben. Zu viel Nachdenken war dabei verboten. Erstaunlich genug, ist das Unterbewusstsein zumindest bei mir viel kreativer und mutiger und produziert oft richtig gute Texte. Auf diese Weise habe ich in diesem Jahr meinen persönlichen Schreibrekord von bislang gut 1.400 Seiten erreicht. Geschafft habe ich das übrigens vor allem durch die moralische Unterstützung einer Gruppe Gleichgesinnter und unserer sagenhaften WhatsApp-Gruppe. Mädels, ihr seid der Wahnsinn! Und ich bin gespannt, wie viele Seiten bis zum Jahresende noch dazukommen.
Professionalisierung
Früher habe ich gerne damit kokettiert, am Schreiben zu leiden. Mein Lieblingsspruch lautete: »Ich liebe es, geschrieben zu haben!« Und tatsächlich war für mich das Schreiben oft eine einzige Qual. Wort für Wort habe ich mir abgerungen (zumindest gefühlt), habe endlos an Formulierungen gefeilt und noch viel länger über Sinn und Unsinn dieser unerquicklichen Aufgabe philosophiert. In meiner dreiteiligen Rückschau habe ich das ausführlich beschrieben.
Erst in den letzten Jahren kam es bei mir zu einem ernsthaften Umdenken. Ich wollte nicht mehr die frustrierte, unverstandene Künstlerin sein, sondern ein Profi! Ein Profi, der nicht nur gute Geschichten schreibt, sondern sich auch professionell mit seiner Arbeit und allem, was dazugehört auseinandersetzt. Keine Überraschung für Job-Coaches, dass derartige Mental-Sperren am besten durch positive Vorbilder aufzulösen sind.
Ich war glücklich in meiner kleinen Frust-Gruppe mittelerfolgreicher KollegInnen. Wir haben gemeinsam gejammert, uns Mut gemacht und Ideen entwickelt. Das war toll – aber zu wenig. Die richtig große Inspiration kam dabei nicht rüber. Was vermutlich eher an mir, als an jenen KollegInnen lag.
Ich brauchte große Vorbilder! Richtig erfolgreiche Leute. Und die habe ich vor allem in den Podcasts The Selfpublishing Show von Mark Dawson & James Blatch und The Creative Penn von Joanna Penn gefunden. Die Gastgeber dieser Shows sind selbst supererfolgreiche Autoren, aber vor allem haben sie die tollsten Interviewpartner. Extrem inspirierend!
Ich würde mal behaupten, dass allein diese Erfahrungsberichte einen massiven Denkprozess bei mir in Bewegung gesetzt haben. Ich weiß jetzt ganz genau, was ich will und wohin ich will. Und das Beste: Seit mir das klar ist, macht mir auch mein eigentliches Handwerk endlich richtig Spaß. Ich kann jetzt voller Überzeugung sagen: »Ich liebe das Schreiben und alles, was dazugehört!«
Fernreisen im Manuskript
Das Schlimmste an Corona für mich war die Reiseeinschränkung. Das ist zugegebenermaßen ein echtes Luxusproblem, denn niemand kommt ernsthaft zu Schaden, wenn er nicht in den Urlaub fahren kann. Das ist mir schon klar. Aber ich liebe es, die Welt zu entdecken – und eigentlich sollte ich jetzt gerade durch Kalifornien cruisen, und für den Mai war ein Schottlandtrip geplant gewesen. Das ist ein bisschen frustrierend – zumal der einzige »Urlaub« in diesem Jahr aus fünf Tagen im Rheingau bestand ...
Aber ich habe das Beste aus der Situation gemacht. Wenn ich schon im wahren Leben nicht nach Schottland fahren kann, dann halt im Manuskript. Ich habe also sehr viel Zeit in Kirkby verbracht, dem kleinen, charmanten und leider völlig frei erfundenen Highand-Dörfchen in der Nähe des Loch Ness. Bislang habe ich für meine Highland-Hope-Reihe drei von vier Bänden geschrieben und zusätzlich den Kurzroman »Ein Sommer in Kirkby«. Den kann man übrigens jetzt schon lesen! (Einfach auf den Titel oder HIER.)
Aber weil Schottland allein nicht gereicht hat, kam noch ein wundervoller Trip nach Vancouver Island dazu. »Lebe, als gäbe es kein Morgen« hat als Winterroman in den heißen Sommerwochen für ein wenig Abkühlung gesorgt – vor allem aber habe ich mit dieser Geschichte meine Sehnsucht nach Meer, nach Weite, nach Walen und nach ferner Welt gestillt. Und außerdem Themen bearbeitet, die mir gerade sehr wichtig sind.
Perspektivwechsel erweitern den Horizont
Raus aus der Komfortzone! Das war ein weiteres Mantra von mir. Meine Komfortzone beim Schreiben ist die vertraute Perspektive. Normalerweise schreibe ich meine Geschichten immer in der 3. Person und im Präteritum. An die 1. Person, also die Ich-Perspektive hatte ich mich bislang nur in einer Kurzgeschichte und meinen beiden Kinder-SciFi-Geschichten gewagt.
Die 3. Person erschien mir immer sicherer – vielleicht auch, weil ich beim Lesen diese Perspektive bevorzuge und mich von manchen Ich-Erzählern etwas überwältigt fühle. Doch trotzdem schadet es nicht, den eigenen Horizont zu erweitern, und so habe ich für »Lebe, als gäbe es kein Morgen« die 1. Person als Erzählstimme gewählt. Puh – was für ein Ritt! Ich hätte NIEMALS gedacht, was für einen Unterschied es macht. Rein emotional gesehen. Nie waren mir meine Protagonisten so nah, wie in diesem Roman – ihr Schmerz, ihre Freude, ihre Wut und ihre Liebe. Das hat mich wirklich umgehauen und ich bin wahnsinnig gespannt, wie es bei den LeserInnen ankommt.
Keine Ahnung, ob ich viele weitere Romane in der Ich-Form schreiben werde, aber ausschließen möchte ich nichts mehr.
Die neue Offenheit
Als hätte der Perspektivwechsel sämtliche Schleusen geöffnet, kommen mir derzeit fast täglich neue Ideen. Ich werde zwar sicherlich meinen Stammgenres nicht komplett untreu werden, aber gerade flirte ich mit einer ganz neuen Herausforderung. Eine Ideen-Skizze ist bereits bei meiner Agentin und vielleicht kommt demnächst ein weiteres Autoren-Pseudonym hinzu ... Ich bin jedenfalls offen.
Und rasend gespannt auf das nächste Jahr. Da wird es nämlich, im Gegensatz zu diesem, reichlich von mir zu lesen geben. Ich hoffe sehr, dass sich meine ganz persönlichen Corona-Erkenntnisse als nachhaltig erweisen, denn dann werde ich sicherlich auch eine ganze Menge schreiben.