Carin Müller bloggt ...

Zusammenarbeit unter Autor*innen

Welche Möglichkeiten gibt es für die Zusammenarbeit unter Autorinnen und Autoren?

Schreibende sind Einzelkämpfer. Das stimmt. Und auch wieder nicht. Denn es gibt unzählige Möglichkeiten der Zusammenarbeit und gefühlt habe ich sie alle schon mal durchexerziert. Für diesen Artikel möchte ich einige Formen der Kollaboration auflisten – inklusive möglicher Fallstricke und Vorteile. Und ich verrate, warum ich tatsächlich überlege, zum zweiten Mal einen Roman als Gemeinschaftsprojekt zu schreiben.

Autorengemeinschaften

Es gibt zahllose Autorengemeinschaften – große, kleine, spontane und formale. Und ich habe schon häufig darüber geschrieben, weil ich ein großer Fan von diesen Zusammenschlüssen bin. Zuletzt im Artikel »Sassenach Seven – Vernetzung mal anders«, weshalb ich mir jetzt hier lange Erklärungen spare.

Vorteile: Ich kann alle Kolleginnen und Kollegen, egal ob Neueinsteiger oder Vollprofi, nur dazu ermutigen, sich einer Gemeinschaft anzuschließen, denn man profitiert ungemein von der gegenseitigen Unterstützung und dem Schwarmwissen. Je nachdem wie die Zusammensetzung der Gruppe ist, findet man für fast jedes Thema kompetente Ansprechpartner*innen, die einem weiterhelfen können.

Nachteile: Eigentlich keine. Allerdings kostet die Mitgliedschaft in Verbänden (kleines) Geld, das für mich aber gut und sinnvoll investiert ist.

Anthologien

Eine Anthologie »ist eine Sammlung ausgewählter Texte oder Textauszüge in Buchform oder im weiteren Sinne eine themenbezogene Zusammenstellung aus literarischen, musikalischen oder grafischen Werken. Es handelt sich um eine von einem Herausgeber verantwortete Publikationsform.« [Wikipedia]

Konkret heißt das, dass mehrere Schreibende jeweils eine (Kurz)Geschichte zu einem bestimmten Thema für einen Sammelband zur Verfügung stellen.

Vorteile: Schafft man es, in eine Geschichtensammlung zu kommen, zu der auch prominentere Namen ihren Beitrag leisten, kann das für eine Steigerung der eigenen Bekanntheit sorgen. Außerdem sind Kurzgeschichten immer eine gute Möglichkeit, sich auszuprobieren. Sei es in einem neuen Genre oder überhaupt im Geschichtenerzählen.

Nachteile: Ich habe es leider schon ein paarmal erlebt, dass es zum Streit zwischen den Beteiligten kam – entweder um die inhaltliche Ausrichtung oder schönde ums Geld. Bei Letzterem darf man sich ohnehin nicht zu viel versprechen, denn selbst wenn Verlage eine Anthologie ausschreiben, gibt es in der Regel maximal nur eine winzige Autorenbeteiligung. Ich selbst habe an einigen Charity-Projekten mitgewirkt, bei denen der Erlös an einen guten Zweck gespendet wurde. Das hat die Abrechnung für den Herausgeber vereinfacht, aber nicht unbedingt die Diskussionen über den Stiftungszweck erleichtert ...

Gemeinsame Buchreihen

Sehr beliebt vor allem im Liebesromanbereich sind gemeinsame Buchreihen, die von mehreren Kolleginnen bespielt werden. Dabei ist fast alles möglich: Eine gemeinsame Location (z.B. ein Schiff), in der alle Geschichten spielen, die aber recht unabhängig voneinander zu lesen sind. Eine Familie – und jede Autorin schreibt die Geschichte eines Mitglieds. Ein Freundeskreis. Eine Arbeitsplatzsituation ... Es gibt nichts, was es nicht gibt.

Vorteile: Viel Spaß beim gemeinsamen Planen und Konzipieren – man muss nicht alles alleine schaffen, sondern entwickelt das Grundgerüst und das Setting gemeinsam. Soll es eine echte Serie sein, der alle Teile aufeinander aufbauen, muss die Abstimmung sehr präzise laufen. Bei einer Reihe, in der die Teile notfalls auch unabhängig voneinander oder in anderer Reihenfolge zu lesen sind, sind die Absprachen weniger komplex. Machen erfolgreiche Kolleg*innen mit, kann sich deren Sogwirkung sehr positiv auf die eigenen Verkaufszahlen auswirken. Außerdem sind die gebündelten Marketingbemühungen meist erfolgreicher und durschlagender als Einzelaktionen.

Nachteile: Man sollte auf jeden Fall ein engagierter Teamplayer sein, sonst ist Knatsch vorprogrammiert – und Flexibilität schadet ganz sicher auch nicht. Es wird immer Leute geben, die mehr investieren als andere. Oder das Leben kommt dazwischen und hindert ein Teammitglied am Weiterschreiben, oder, oder, oder ... Gute Kommunikation ist dabei überlebenswichtig. Man möchte glauben, dass wir Autor*innen dafür prädestiniert sind, doch das ist leider oft ein Trugschluss.

Eigene Erfahrung: Ich selbst habe bisher an zwei Gemeinschaftsprojekten teilgenommen: 2017 habe ich den San-Francisco-Part mit drei Titeln – »Ian«, »Derek« und »Dan« – der »Millionaires Club«-Reihe übernommen, die unabhängig von den Geschichten meiner Kolleginnen lesbar sind, die in Miami, Los Angeles, New York und Las Vegas spielen.

2020 sollte es in der Vorweihnachtszeit vier Romane über vier Geschwister auf Vancouver Island geben – doch prompt kam das Leben dazwischen. Am Ende war es »nur« noch eine Dilogie aus Sarah Saxx’ Roman »Liebe, als wäre dein Herz nie gebrochen« und meinem »Lebe, als gäbe es kein Morgen«. Weil ich von dem Walthema so begeistert war und nicht genug von Vancouver Island bekommen konnte, habe ich daraus schließlich letztes Jahr den Auftakt meiner »Insel der Wale«-Reihe gemacht.

Co-Autorenschaft

Die Königsklasse der Kollaboration ist sicherlich das gemeinsame Schreiben an einem Roman. Es gibt viele erfolgreiche Autoren-Duos, die häufig unter einem gemeinsamen Pseudonym (z.B. Iny Lorentz, Rose Snow, Julia Drosten) schreiben. In anderen Fällen stehen zwei Namen auf dem Cover.

Vorteile: Man ist bei keinem Schritt auf dem Weg von der Idee bis zum fertigen Buch auf sich alleine gestellt. Je nach Konstellation kann man die Aufgaben unterschiedlich aufteilen. Vielleicht übernimmt ein Partner den Großteil der Recherchearbeit und die Plotstruktur, während der andere schreibt und die Social Media-Präsenzen bedient. In anderen Varianten teilt man alles paritätisch auf. Eine räumliche Nähe schadet sicher nicht, eine emotionale dürfte unerlässlich sein. Hinter Iny Lorentz und Julia Drosten stecken Ehepaare, die über viele Jahre zu eingespielten Teams geworden sind. Rose Snow sind zwei beste Freundinnen, die ihren beeindruckenden Output sogar über eine enorme Distanz gemeinsam wuppen. In jedem Fall ist es geteiltes Leid, wenn was schiefgeht, und doppelte Freude, wenn etwas gelingt.

Nachteile: Man ist bei keinem Schritt auf dem Weg von der Idee bis zum fertigen Buch auf sich alleine gestellt – und ohne ausgeprägte Kommunikationsbereitschaft und Flexibilität wird’s schwierig. Das eigene Geltungsbedürfnis sollte man unter Kontrolle haben und dafür sehr kompromissbereit sein, sonst knirscht es bald gewaltig im Getriebe.

Eigene Erfahrung: Ich selbst habe meinen allerersten Roman »Mopsküsse« mit einer Freundin geschrieben. Das war ein gleichermaßen berauschendes wie ernüchterndes Erlebnis. Toll war, dass wir ganz präzise gemeinsam geplottet haben und uns intensiv mit der Geschichte und den Figuren auseinandergesetzt haben. Weniger schön war, dass wir recht unterschiedliche Vorstellungen davon hatten, wie es nach der Veröffentlichung weitergehen sollte. Eine Zeitlang drohte daher eine langjährige Freundschaft aufgrund unterschiedlicher Anschauungen und Zukunftsplänen zu zerbrechen – und das ist kein Roman der Welt wert. Damals habe ich mir geschworen, nie wieder mit einem anderen Menschen zusammen, einen Roman zu schreiben. Bis heute habe ich mich daran gehalten.

Oder fast. Denn mit meinem Podcast-Kollegen Christian Raabe könnte etwas Neues entstehen ... Ungeplant, total verrückt und noch ohne Ziel. Ich bin gespannt, was daraus wird. Den Entstehungsprozess kann man sich (ab morgen) in »Episode 68 – Wir plotten einen Krimi« in Der literarische Saloon anhören.