Carin Müller bloggt ...

Beurteile ein Buch nicht nach seinem Cover

Warum man Bücher durchaus nach ihrem Umschlag beurteilen kann

»Don’t judge a book by its cover!« – in einer idealen Welt würde das (vielleicht) funktionieren, in der Realität jedoch ganz sicher nicht. Natürlich sollte der Inhalt wichtiger sein als die Verpackung, doch wenn die Verpackung niemanden zum Kaufen animiert, wird den Inhalt auch niemand entdecken. Es ist tatsächlich so banal und simpel. Auch und insbesondere in der Buchwelt.

Dabei ist die Frage, ob ein Cover »schön« ist, fast schon zweitrangig. Entscheidend ist, dass es den Konventionen des Genres entspricht, zu dem es gehört. Lesende der unterschiedlichsten Unterhaltungsliteratur-Kategorien haben ziemlich präzise Vorstellungen von dem, was die Umschlaggestaltung ihres Lieblingsgenres zu transportieren hat, damit sie überhaupt einen zweiten Blick wagen.

Nicht umsonst sieht man:

  • auf Regency-Romanen fast immer eine junge Frau in einem fließenden hellen Kleid in lieblicher Natur.
  • bei Boss/CEO/Millionärs-Geschichten attraktive Anzugsträger.
  • bei Krimis/Thrillern gerne die Farben schwarz und rot auf reichlich weißem Hintergrund.
  • pastellige florale oder abstrakte Muster mit auffälligen Schriftzügen bei Young- und New Adult-Büchern.
  • Raumschiffe und/oder Planeten für Science Fiction.
  • und so weiter.

Schön oder passend?

Ein Cover kann nach allen ästhetischen Grundsätzen als schön gelten, wenn es nicht zum Genre passt, wird es nicht die richtige Leserschaft finden und schlimmstenfalls sogar schlechte Rezensionen ernten, falls Käufer in ihren Erwartungen an dieses Buch enttäuscht wurden.

Entscheidend ist also in erster Instanz, dass ein Cover den jeweiligen Genre-Konventionen entspricht. Ich höre die empörten Aufschreie schon in meinem inneren Ohr. »Leser sind nicht dumm, sie können auch am Klappentext erkennen, welche Art von Geschichte sie erwartet« – diesen Satz habe ich schon Dutzende Male gehört. Und offen gestanden auch selbst propagiert. Genau wie diesen hier: »Irgendwann gibt’s doch nur noch generischen Einheitsbrei. Wäre da ein besonderes, ungewöhnliches Cover nicht besser? Erzeugt doch viel mehr Aufmerksamkeit.«

Klare Antwort: Nein! Tut es nicht. Es erzeugt nur Verwirrung! Ich habe viele Jahre gedacht, dass es anders sein könnte, anders sein MÜSSTE, doch das war ein Irrtum. Und draufgekommen bin ich vor allem durch Selbstbeobachtung im Buchladen. Ich, die ich angeblich ausschließlich an den Geschichten interessiert bin, sortiere bei den hunderten Büchern vollkommen unbewusst rein optisch vor und wage erst dann einen zweiten Blick.

Nun muss sich niemand auf meine höchst subjektive Eigenanalyse verlassen. Es gibt zahllose Studien dazu, die diese Einschätzung drastisch eindeutig untermauern. Leider. Denn bei meinen eigenen Büchern bin ich viel zu lange ebenfalls eine andere Strategie gefahren (und tue es zum Teil immer noch).

Die gute Nachricht lautet: Ein konformes Cover muss nicht langweilig sein, es darf/sollte/MUSS sogar auch »schön« sein und gerne innerhalb der jeweiligen Parameter auch »besonders«.

Coverwechsel sind ärgerlich!

Fans finden es ärgerlich bis regelrecht empörend, wenn sich ein Cover (und schlimmstenfalls sogar der Buchtitel) ändert. Sie wissen dann nicht sofort, ob sie das Buch schon kennen oder nicht, und wenn die optische Änderung dann auch noch innerhalb einer laufenden Reihe vollzogen wird – also alles ab Band vier nicht mehr zu den Bänden eins bis drei passt – dann gibt’s richtig Krawall!

Für Verlage und Autor*innen ist ein Coverwechsel auch mühsam. Ein neues Gewand kostet schließlich wieder Geld, Werbe- und Marketingmaterialien müssen ausgetauscht und ersetzt werden, genau wie schlimmstenfalls die gedruckten Bücher – und dann auch noch die Erklärungsnot gegenüber den frustrierten Fans. Anstrengend UND teuer.

Es lohnt sich meist trotzdem. Verkauft sich ein Buch nicht erwartungsgemäß, kann es am Cover liegen, und dann ist ein neues Kleid womöglich eine gute und vergleichsweise schnelle Rettungsmaßnahme. Ähnliches gilt auch für ältere Titel. Die Geschmäcker und Konventionen sind ja nicht starr, sondern ändern sich im Laufe der Zeit. Da kann es auch nicht schaden, einem Backlist-Titel mit einem neuen, modernen Cover frisches Leben einzupusten.

Links das ursprüngliche Cover, rechts das neue. Welches ist besser?

Ich selbst habe schon häufiger die Cover meiner Bücher ausgetauscht – meist mit positiven Erfolgen. Besonders spektakulär war das Ergebnis bei meinem Roman »Robin – High in the Sky«. Ich mochte das ursprüngliche Cover von 2018 wirklich sehr – ich mag es immer noch –, aber es hat nie so gut funktioniert, wie ich es mir für diese Geschichte erhofft hatte. Diesen März hat der Roman dann ein neues Outfit erhalten und hat sich seitdem bis heute (wir reden von fünf Monaten!) besser verkauft als in den fünf Jahren zuvor.

Wie ich zu dieser Entscheidung gekommen bin, habe ich auch im Artikel »Robins zweiter Frühling« beschrieben.

Ist das neue Cover schöner als das ursprüngliche? Vielleicht nicht. Machen die Elemente Sinn? Kaum. Was hat der Tartan-Rahmen mit San Francisco zu tun und ein Rotkehlchen gibt es ebenfalls nicht. Aber das neue Kleid transportiert die Atmosphäre der Geschichte offenbar viel besser und es passt optisch perfekt zu meinem Kirkby-Universum (ja, das gibt es tatsächlich eine eindeutige Verbindung).

Ich würde es also jederzeit wieder tun!

Und ich werde es auch wieder tun – vermutlich noch in diesem Jahr, wird es einem wahren Herzensprojekt mit Traumcovern optisch an den Kragen gehen ... Egal, wie sehr mein Herz bei der Vorstellung blutet.

Wie lässt sich dieses Dilemma umgehen?

Ich fürchte, wir sind ALLE Cover-Käufer. Die allermeisten von uns beurteilen ein Buch – bewusst oder unbewusst – aufgrund der optischen Aufmachung. Für mich persönlich gibt es zwei Ausnahmen von diesem Prinzip: Bücher meiner Lieblings-Autor*innen kaufe ich IMMER, völlig egal, was auf dem Cover ist. Oder wenn mir jemand derart begeistert von einer Geschichte vorschwärmt (z.B. in meinem Lieblings-Literatur-Podcast »eat.READ.sleep.«) – auch dann kaufe ich blind, freue mich aber, wenn das Cover die Stimmung transportiert, die ich mir von der Schwärmerei erhofft hatte.

Wie ist das bei dir?